Bundeskabinett am 15. Oktober 2025 in Berlin: Aktivrente beschlossen © picture alliance / Flashpic | Jens Krick
  • Von Andreas Harms
  • 16.10.2025 um 12:51
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Das Bundeskabinett hat, entgegen aller kritischer Stimmen, die Aktivrente beschlossen. Doch jetzt melden sich zwei Wirtschaftsinstitute und legen nahe, dass das ganze Projekt am Ziel völlig vorbeigehen könnte. Weil die Regierung nicht verstanden hat, warum Rentner freiwillig arbeiten.

Die Bundesregierung lässt sich auf ihrem Weg zur Aktivrente nicht beirren. Jetzt hat das Bundeskabinett den Entwurf des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rentenalter beschlossen. So heißt die Aktivrente nämlich mit vollem Namen.

Sie soll Anreize setzen, dass mehr Menschen auch im Rentenalter noch arbeiten gehen. Kernmaßnahme ist dabei, dass bis zu 2.000 Euro Einkommen im Monat steuerfrei bleiben sollen. Allerdings nur bei Angestellten. In Kraft treten soll die Aktivrente Anfang 2026.

Während die Regierung das Gesetz als „weiteren Impuls für Wirtschaftswachstum in Deutschland“ feiert, fallen andere Reaktionen deutlich verhaltener aus. Einige haben wir hier bereits wiedergegeben. Auch unser Pfefferminzia-Kommentar ist nicht sonderlich voll des Lobes.

Den Beschluss des Bundeskabinetts nehmen nun zwei Institute zum Anlass, sich in den Chor der Kritiker einzureihen. Eines ist das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Das rechnet zunächst aus, dass dem Staat durch die Aktivrente 1,4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gehen. Was einiges mehr wäre als die vom Finanzministerium gemeldete Zahl von 900 Millionen Euro.

Was aber noch schwerer wiegt: Das IW zweifelt daran, dass die Regierung ihr Ziel überhaupt erreicht. Weil sie die Motivation der Älteren völlig falsch einschätzt. „Denn die meisten älteren Beschäftigten arbeiten aus Freude an ihrer Tätigkeit oder wegen sozialer Kontakte – nicht aus finanziellen Gründen, wie eine IW-Umfrage zeigt“, schreibt das Institut.

Das würde heißen: Wer schon als Rentner arbeitet, hat Freude daran und nimmt die Steuerersparnis mit. Wer aber eh schon keine Lust darauf hat, lässt sich auch von der Steuerfreiheit nicht dazu verführen.

Ebenfalls keinen sonderlich großen Effekt erwartet Peter Haan, der die Abteilung Staat im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) leitet. Er sagt: „Finanzielle Anreize sind nur ein Faktor, warum ältere Menschen arbeiten. Wichtiger sind Arbeitsbedingungen, Sinn und Befriedigung durch Arbeit, aber auch Weiterbildung und Gesundheit. Hier muss die Politik investieren.“

Ebenso sei es wichtig, dass es keine Anreize mehr gibt, vorzeitig in Rente zu gehen, so Haan weiter. Womit er natürlich die „Rente mit 63“ meint.

Beide Wirtschaftsinstitute prangern außerdem jenen Umstand an, der zweifellos noch zu juristischen Problemen führt: Die Aktivrente klammert Selbstständige aus und benachteiligt jüngere, normale Arbeitnehmer steuerlich gegenüber arbeitenden Rentnern. Was dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 Grundgesetz widersprechen könnte.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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