- Von Redaktion
- 30.09.2025 um 08:01
Es ist kaum zu glauben: Wir schreiben das Jahr 2025, und doch verbringen wir in der Versicherungsbranche nach wie vor unzählige Stunden damit, nichtdigitale Inhalte nachträglich zu „digitalisieren“. Scanner rattern, PDFs wandern durch Postfächer, Exceltabellen werden verschoben – und trotzdem bleibt die entscheidende Frage: Was ist eigentlich digital an einem Schriftstück, das lediglich als PDF-Datei gescannt wurde?
Die ehrliche Antwort lautet: Nichts. Ein gescanntes Schriftstück ist nicht mehr als ein digitales Foto. Für die Weiterverarbeitung ist es weitgehend wertlos, für Schnittstellen unbrauchbar und für Automatisierung schlicht ein Bremsklotz.
Der Alltag ist voll von solchen Scheinlösungen. Da gibt es PDF-Fragebögen, Antragsformulare oder Schadensmeldungen, die oft noch ausgedruckt, handschriftlich ergänzt und anschließend wieder gescannt werden müssen. Ein PDF bleibt immer ein Abbild, ein digitaler Druck, auch wenn es beschreibbar ist. Ein wirklich elektronisches Dokument hingegen entsteht direkt in strukturierter Form, sodass Computer es unmittelbar lesen, verarbeiten und in Prozesse einbinden können. Das eine ist Darstellung, das andere ist Datenbasis.

Es gibt Versicherer, die immer noch kartonweise Policen an Maklerhäuser und Pools schicken, während sie gleichzeitig dem Kunden einen „papierlosen Nachlass“ in Aussicht stellen.
Und es gibt Hochglanz-Produktmappen, die bei jedem noch so kleinen Produkt-Relaunch tonnenweise per Briefpost in Umlauf gebracht werden – obwohl dieselben Unternehmen Nachhaltigkeit predigen. Auf dem Cover eine strahlende Frau, die zielsicher ein Wasserrohr anbohrt – Symbol für Sicherheit, Innovation und, nun ja, in diesem Falle schlicht für einen Mietsachschaden. Werbung für die neue PHV-Tarifgeneration!
Es bleibt eine PDF-Datei
Auf den Portalen der Versicherer kann man sich häufig Dokumente herunterladen. Oder das Maklerverwaltungsprogramm holt diese automatisch ab und sortiert sie in die Kundenakte. Doch was liegt dort dann? Genau: meist wieder nur eine PDF-Datei. Bravo! Das ist nicht digitale Effizienz, sondern ein digitaler Ablagekorb. Fürs Auge hübsch strukturiert, für die tatsächliche Weiterverarbeitung jedoch weitgehend nutzlos.
Besonders deutlich wird das Problem, wenn man sich mit spezialisierten Nachhaltigkeitsmaklern unterhält – solchen also, die ganz bewusst ihren Geschäftsbetrieb auf den Vertrieb nachhaltiger Versicherungs- und Anlageprodukte ausgerichtet haben. Deren Kunden erwarten nämlich nicht nur ein nachhaltiges Produkt, sondern konsequentes nachhaltiges Handeln in der gesamten Wertschöpfungskette. Sie wollen keine Papierberge, keine Systembrüche, keine Kundenportale, die lediglich als digitale Ablagefläche für PDFs dienen. Stattdessen verlangen sie echte digitale Kommunikation, möglichst in Echtzeit: digitalen Kunden-, Vertrags- und Schadensservice.
Doch hier bleibt es seitens der Versicherer meist beim Versprechen oder bei Pilotprojekten, die nie wirklich skaliert werden. Und genau da wird es für den Nachhaltigkeitsmakler schwer, in der Außenwirkung beim Kunden glaubwürdig zu bleiben. Oft kann er nur argumentieren: „Es sind eben Versicherer, die sind noch nicht so weit – aber ich verstehe dich.“
Problem ist die Umsetzung
Nach außen glänzt die Branche mit Fachvorträgen, Messeständen und digital klingenden Schlagworten. Nach innen herrscht jedoch vielfach ein Prozessalltag, der sich bestenfalls als anachronistisch beschreiben lässt: „Bitte schicken Sie uns das Formular unterschrieben per Brieftaube zurück.“
Das Problem liegt nicht in der Idee der Digitalisierung, sondern in der Umsetzung. Wirklich digitale Daten sind barrierefrei auslesbar, maschinenverarbeitbar und normbasiert strukturiert. Nur dann lassen sich Prozesse automatisieren, Daten effizient weiterverarbeiten und Schnittstellen sauber bedienen. Alles andere ist nichts weiter als eine moderne Variante des Aktenordners – nur eben im PDF-Format.
Theoretisch gibt es mit BIPRO längst eine Norm, die genau diese Struktur liefern soll. Praktisch jedoch kennen wir alle die Realität: Jeder Versicherer interpretiert die Standards nach eigenem Gusto. Übertragen wir das ins Handwerk: Stellen Sie sich vor, eine DIN-genormte Schraube M10 würde bei Hersteller A tatsächlich 10 Millimeter Durchmesser haben, bei Hersteller B wären es 11 und bei Hersteller C 9,5 Millimeter.
Kein Handwerker der Welt könnte mit solchen Schrauben zuverlässig arbeiten – es würde Chaos in jeder Werkstatt und auf jeder Baustelle ausbrechen. Genau so chaotisch wirkt es, wenn BIPRO-Schnittstellen zwar „genormt“ sind, aber jeder Produktgeber sie nach eigenen Vorstellungen interpretiert.
Seite 2: Viele Versicherer wünschen ausdrücklich noch PDFs.

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