- Von Andreas Harms
- 15.09.2025 um 12:33
Baut Europa seinen Bürokratieapparat wirklich ein Stück zurück? Zumindest scheint die deutsche Finanzaufsicht Bafin das so zu sehen. Sie äußert sich sehr wohlwollend zu Plänen der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa. Die will nämlich die runderneuerte Aufsichtsrichtlinie Solvency II dafür nutzen, das Berichtswesen ein wenig zu vereinfachen. Sprich: Sie will weniger Daten erheben. Vorschläge dazu hat sie zusammen mit den nationalen Aufsichtsbehörden ausgearbeitet.
Ein interessanter Aspekt ist zum Beispiel diese Einsicht: Es sei unnötig belastend, dass überwachte Versicherer vierteljährlich ihre kompletten Solvenzanforderungen berechnen müssen. Einmal im Jahr soll für die stabilen Teile grundsätzlich ausreichen. Die stärker schwankenden Elemente sollen jedoch weiterhin quartalsweise fällig werden.

Versicherer loben neue Solvency-II-Richtlinie
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Und weiter geht’s: Manche jährlichen Meldebögen sollen gleich komplett wegfallen. Zusätzlich will die Eiopa die sogenannte Proportionalität erhöhen. Darunter versteht sie, dass die Berichtspflichten mit Größe und Risiko des Unternehmens steigen. Eher kleine und risikoarme Versicherer müssen auch nicht so viel berichten und unterliegen vereinfachten Regeln. Diese Verhältnisse will die Eiopa weiter verfeinern. Und am Ende will sie einige Standards vereinfachen und klarstellen.
Doch es kommen auch neue Daten hinzu. So will die Behörde künftig auch Informationen zu Naturkatastrophen abfragen, um die daraus erwachsenden Risiken einschätzen zu können. Und Versicherer sollen Informationen zu ihrer betrieblichen Altersversorgung (bAV) melden. Auch daraus könnten Risiken entstehen, die es zu überwachen gilt. So sieht es zumindest die Eiopa.
GDV ist von neuer Solvency II nicht begeistert
Sie hat nun ihre Vorschläge zur Diskussion gestellt. Die Konsultation läuft noch bis zum 10. Oktober 2025. Die Bafin war schon im Vorfeld in die ganze Sache eingebunden.
Was die deutsche Aufsicht als Bürokratieabbau begrüßt, sieht der Branchenverband GDV bisher etwas anders. Er hatte sich Anfang September zur neuen Solvency II geäußert, genauer genommen zur delegierten Verordnung – und war wenig begeistert.
GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen schimpfte: „Mit der überarbeiteten Solvency-II-Richtlinie sollen die Unternehmen durch gezielte Entlastungen gestärkt werden, damit sie stärker in die Wirtschaft investieren und die Erneuerung vorantreiben können. Mit der delegierten Verordnung kann jedoch genau das Gegenteil erreicht werden.“
Insbesondere die zusätzlichen Berichte – von denen wir oben zwei erwähnt haben – wollen dem Verband so gar nicht schmecken. „Damit wird der Umfang dieser ohnehin schon komplexen und schwer verständlichen Berichte weiter aufgebläht“, sagt Asmussen. Interessanterweise hatte er es im April 2024 noch ausdrücklich gelobt, dass Nachhaltigkeit und Klimarisiken in Solvency II eine Rolle bekommen sollen.
Neue Berechnungsmethoden für langfristige Garantien
Die neue Proportionalität hingegen greift laut GDV zu kurz und hilft damit zu wenigen kleinen Versicherern.
Und ganz und gar nicht einverstanden ist der Lobbyverband mit dem neuen Ansatz, langfristige Verpflichtungen (Garantien) in die Solvenzquote hineinzurechnen. Die dafür benötigten angenommenen, risikofreien Zinssätze sollen mit künftig geringerem Sicherheitspuffer berechnet werden. Zu gering, wenn es nach dem GDV geht. Die vorgeschlagenen technischen Parameter sind ihm nicht stabil genug.
Auch die Wirtschaftsprüfer von Deloitte haben sich mit der neuen Rechnungsmethode befasst und dabei festgestellt: Wie sie sich auswirkt, hängt stark vom Zustand der Kapitalmärkte ab. Aber insbesondere im Niedrigzinsumfeld kann sie Lebensversicherer mit langfristigen Garantien belasten.
Aber auch hier wieder zwei Seiten: Neue Regeln für versicherungstechnische Rückstellungen verringern dort die Risikomarge. Das wiederum entlastet Versicherer mit langfristigem Geschäft (also auch: Lebensversicherer) in Hinblick auf die Solvenzquoten.

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