- Von Redaktion
- 26.09.2025 um 13:19
Versicherer geben sich gerne als Partner. Doch beim Großschaden hört die Freundschaft auf, und Kunden müssen um Entschädigung kämpfen. Versicherer setzen spezialisierte Großschadenabteilungen ein, die Mitarbeiter sind geschult und erfahren. Für Unternehmer ist jeder Großschaden dagegen ein Einzelfall – oft mit existenzieller Bedeutung.
Unterschätzter Aufwand für Unternehmer
Viele Geschädigte unterschätzen die Komplexität eines Großschadens. Parallel zum laufenden Betrieb müssen sie sich gleichzeitig um Kunden, Behörden, Entsorgungsunternehmen, Architekten, Lieferanten, betroffene Nachbarn, Mitarbeiter, Gesellschafter, Öffentlichkeit und den Wiederaufbau kümmern. Hinzu kommt: Nebenbei soll der Unternehmer die zeitintensive Schadenabwicklung mit dem Versicherer quasi hauptamtlich übernehmen.
Die Versicherer fordern umfangreiche Unterlagen an: Grundbuchauszüge, Bescheinigungen über die steuerliche Veranlagung, Freigabeerklärungen von Banken oder Leasinggebern, bilanztechnische Unterlagen zum Betriebsunterbrechungsschaden, detaillierte Schadenaufstellungen zu Inventar und Warenvorräten, Miet- und Pachtverträge – die Liste ließe sich fortsetzen. Für viele Unternehmen bedeutet dies eine enorme organisatorische Zusatzbelastung – ein Masterplan wäre nötig, der den meisten Unternehmen schlicht fehlt.
Informationsvorsprung der Versicherer
Bei größeren Schadenfällen beauftragen Versicherer üblicherweise Sachverständige mit der Ermittlung der Schadenhöhe. Der durchschnittliche Versicherungskunde wiegt sich nun in Sicherheit und fühlt sich optimal betreut. Ihm ist jedoch nicht bekannt, dass die Sachverständigen zugleich die Versicherungssummen prüfen – mit dem Ergebnis, dass eine Unterversicherung festgestellt werden kann.

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Hinzu kommt: Viele Betroffene gehen davon aus, dass die vom Versicherer bestellten Sachverständigen neutral und unabhängig seien. Ein großer Irrtum. Ist die Brandstelle einmal abgeräumt und entsorgt, lässt sich ein eigenes Gegengutachten oft nicht mehr nachholen.
Auskunftsobliegenheit – Kürzungsrisiko
Ein weiteres Risiko liegt in den Fragen des Versicherers. Diese betreffen die Schadenursache, den genauen Schadenhergang oder die Vermögensverhältnisse des Unternehmens. Solche Anfragen sind keineswegs Formalitäten, sondern müssen umfassend und wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Aus Sicht der Versicherer ist die Auskunftsobliegenheit ein „hohes Gut“. Ohne fachmännische Unterstützung kann der Geschädigte die Tragweite einzelner Fragen oft gar nicht einschätzen – und beantwortet sie leichtgläubig. Die Folge: Massive Kürzungen oder sogar die komplette Ablehnung der Leistung. In bestimmten Fällen ist anwaltliche Begleitung zwingend erforderlich.
Psychische Belastung wird unterschätzt
Ein Großschaden ist ein finanziell belastendes Ereignis mit gravierenden Auswirkungen auf die Psyche. Viele Betroffene unterschätzen zu Beginn, wie stark die Belastung mit zunehmender Dauer der Regulierung wächst. Zwischen Wiederaufbau, laufendem Betrieb und permanenten Verhandlungen mit dem Versicherer geraten Unternehmer und Familienangehörige schnell an ihre Grenzen.
Praxisbeispiel zeigt die Fallstricke
Eine durch Feuer beschädigte Biogasanlage war mit einer Versicherungssumme von 500.000 Euro versichert. Ein Sachverständiger bezifferte den eingetretenen Schaden auf 250.000 Euro. Die Ermittlung des Versicherungswertes ergab einen Betrag von 1,2 Millionen Euro. Die damit verbundene Unterversicherung hätte zu einer reduzierten Entschädigung von circa 104.000 Euro geführt. Erst durch die Einbindung unabhängiger Experten konnte der korrekte Versicherungswert von 600.000 Euro ermittelt werden – und die Entschädigung verdoppelte sich.
Zusätzlich stellen Versicherer häufig zu Lasten der Betroffenen Verletzungen von Obliegenheiten fest – also Verhaltensvorschriften aus dem Versicherungsvertrag. Eine solche Prüfung läuft meist im Verborgenen ab, ohne dass der Versicherungsnehmer rechtzeitig informiert wird. Am Ende der Verhandlungen drohen dann Kürzungen bis hin zu 100 Prozent.
Unabhängige Experten sind entscheidend
Die Schadensabwicklung wird oft aus falsch verstandener Solidarität in die Hände des Versicherers gelegt. Doch die Realität zeigt: Ohne fachlichen Gegenpol verliert der Geschädigte leicht mehrere zehntausend Euro – oder sogar seine gesamte Existenzgrundlage. Kaum jemand würde komplizierte Knochenbrüche selbst behandeln oder einen Motorschaden am Auto eigenhändig reparieren.
Auch bei Großschäden gilt: Nur mit unabhängigen Experten – Versicherungsberatern, Ingenieuren, Gutachtern, Juristen – lässt sich der Schaden auf Augenhöhe mit dem Versicherer regulieren.
Über den Autor:
Konrad Hahn ist Geschäftsführer der GVP – Gesellschaft für Versicherungsprüfung. Sie organisiert Schadenabwicklung, prüft vertragliche Details und hilft dabei, Ansprüche des Geschädigten durchzusetzen.

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