- Von Redaktion
- 13.05.2025 um 15:38
Barmenia und Gothaer schließen sich zusammen – zur Barmenia-Gothaer, eine der größten Versicherer-Fusionen seit Jahrzehnten. SDK und Stuttgarter haben den gleichen Plan, und Helvetia und Baloise wollen auch die Fusion. Für mich ist das nur der Anfang. Denn was wir gerade erleben, ist nicht nur ein bisschen Marktbereinigung, sondern der Start einer tiefgreifenden Neuordnung der Branche.
Aber so viel wirtschaftliche Schlagkraft da jetzt zusammenkommt – ich frage mich ernsthaft, ob die Versicherer wissen, was sie mit dieser neuen Kraft eigentlich anfangen sollen.
Alte Denke trifft auf neue Realität
Denn viele Versicherer haben es schlicht verschlafen, sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, wie man die Kundinnen und Kunden der Zukunft erreicht und deren Bedürfnisse deckt – also vor allem die Generation Z (GenZ). Diese Generation ist digital, informiert, ungeduldig – und sie hat keine Lust, sich mit Formularen aus dem Jahr 1998 herumzuschlagen.
Wir sind selbst als digitaler Versicherungsmakler täglich in Kontakt mit genau diesen Menschen. Und ich kann sagen: Das Interesse an Altersvorsorge, Berufsunfähigkeit oder privater Krankenversicherung ist grundsätzlich da – aber die Art, wie Versicherer kommunizieren, fühlt sich oft an wie ein schlechter VHS-Kurs. Ich beschreibe das immer so: Von der Kundenansprache, dem Online-Marketing, dem Funnel zur Terminbuchung und der Onlineberatung ist alles „digital-geil“ – bis dann der Versicherer ins Spiel kommt. Dann müssen wir in der Regel unseren Kunden erstmal erklären, warum es ab jetzt in der Kommunikation um einiges länger und eher so wie im Jahr 2000 laufen wird.

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Und noch schlimmer: Selbst wenn es in den Marketing- oder Produktabteilungen kreative Köpfe gibt, die wissen, was zu tun wäre – kommt von ganz oben häufig die Bremse. Ich habe es mehrfach erlebt: Da heißt es intern: „ja, wir sehen auch, dass Social Media wichtig ist“, oder „wir müssten da eigentlich mitgehen und unsere Reaktionszeit im Service massiv erhöhen, weil der Makler sonst einfach zum anderen Versicherer geht“ – doch dann kommt das große „Aber“: „Das wird der Vorstand so nicht mittragen, keine Ressourcen, keine Priorität…“.
Da herrscht eine fast schon resignative Grundhaltung, eine Art Kapitulation vor der eigenen Entscheidungsebene. Das ist nicht nur frustrierend, das ist brandgefährlich. Denn was hilft die beste Fusion, wenn am Ende niemand den Mut hat, wirklich neue Wege zu gehen?
Größe ohne Richtung bringt uns nicht weiter
Natürlich, Fusionen bringen erstmal Power: mehr Kapital, größere IT-Abteilungen, gebündeltes Know-how. Aber Kraft ohne Ziel ist keine Strategie – es ist nur Bewegung im Kreis.
Und wenn man sich anschaut, wie viele dieser Zusammenschlüsse in der Vergangenheit oft nicht zu einer besseren Kundenerfahrung geführt haben, sondern zu noch mehr Komplexität, dann wird klar: Es geht nicht darum, größer zu werden. Es geht darum, relevanter und effizienter zu werden. Und das schafft man nicht mit alten Prozessen in doppelter Ausführung.
Für Makler: Neue Unsicherheit statt neuer Chancen
Für uns Vermittler bedeuten Fusionen immer Veränderung – und selten zum Positiven. Neue Systeme, neue Ansprechpartner, neue Tarife, geänderte Provisionsmodelle – das alles kostet Zeit, Nerven und Vertrauen. Nicht falsch verstehen: Veränderung gehört mit dazu und ist wichtig. Nur muss es eben nach Veränderung besser sein als davor. Sonst ist irgendwas falsch gelaufen.
Für Angestellte: Die KI ist längst Realität
Gleichzeitig sehen wir, wie durch KI immer mehr Prozesse automatisiert werden. Und es gibt wohl kaum eine Branche, in welcher man so stark Stellen „KI-wegoptimieren“ kann, wie in der Versicherungsbranche. KI richtig eingesetzt, ist effizient – und das muss auch die Zukunft sein, aber es wird zwangsläufig auch Arbeitsplätze kosten. Besonders in Backoffices, in der Schadenbearbeitung, im Underwriting. Kombiniert mit Fusionen heißt das: weniger Jobs, mehr Unsicherheit – und ein riesiger Bedarf an Weiterqualifizierung, der derzeit kaum strukturiert angegangen wird.
Fazit: Wer die Zukunft gestalten will, muss endlich anfangen
Die Versicherungsbranche steht an einem Wendepunkt. Die Karten werden gerade neu gemischt – aber viele spielen immer noch mit einem Blatt von vorgestern. Es braucht mehr als nur Fusionen, neue Namen und Logos. Und ich hoffe sehr, dass ich mit meinen Worten hier einigen Versicherer auch unrecht tue und sie wirklich an diesen Themen bereits dran sind. Dennoch braucht es insgesamt einen „Branchen-Mut“. Mut, Dinge wirklich anders zu machen. Mut, zuzuhören – vor allem den Menschen, die näher am Kunden sind als an der Chefetage.
Mein Appell an die Entscheiderinnen und Entscheider da draußen
Wer jetzt nicht versteht, wie die nächste Generation tickt – sowohl Vermittler als auch Kunden – verliert sie. Wer zum Beispiel als Versicherer effektives Branding, KI, Digitalisierung und Serviceorientierung immer noch nicht als Priorität sieht, wird den Anschluss verlieren. Und wer seine eigenen Mitarbeitenden bei Innovationen ausbremst, verliert langfristig nicht nur gute Leute, sondern auch den Markt.
„Sich zusammenzuschließen bringt nur etwas, wenn man auch bereit ist, gemeinsam neu zu denken – nicht nur größer, sondern wirklich besser.“
Und, ach ja: Hatte ich schon erwähnt, dass jetzt die richtige Zeit wäre, etwas mehr Mut zu zeigen?
Über den Autor
Bastian Kunkel ist Geschäftsführer von VMK Versicherungsmakler und betreibt unter der Marke „Versicherungen mit Kopf“ deutschlandweit die größten unabhängigen Versicherungs-Kanäle auf Youtube, Instagram und Tiktok mit über 900.000 Followern. Er ist gelernter Kaufmann für Versicherungen & Finanzen, besitzt einen Bachelor in Betriebswirtschaft & Recht (FH) und ist zudem studierter Finanzfachwirt (FH). Kunkel ist zudem Autor des Buches „Total ver(un)sichert – Was du mit 18 über Versicherungen wissen solltest, aber mit 30 immer noch nicht weißt“.

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