- Von Andreas Harms
- 12.05.2025 um 13:30
Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW sorgt sich um die unabhängige Beratung in Deutschland. Anlass dazu geben die derzeit diskutierte europäische Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) und einige Papiere, die Länder dazu verfasst und eingereicht haben.
Dabei handelt es sich um sogenannte Non-Papers. Das sind informelle beziehungsweise inoffizielle Schreiben, über die Parteien Standpunkte bekanntgeben und Reaktionen dazu einholen. Sie sind lediglich Diskussionsgrundlagen, man kann die Verfasser nicht darauf festnageln.
Ein solches Non-Paper kommt von der Europäischen Kommission höchstselbst. Der AfW, dem es vorliegt, gibt einige Vorschläge daraus wieder:
- vorvertragliche Informationen vereinfachen
- ESG-Angaben im Produktblatt (PRIIPs-KID) streichen
- Eignungs- und Best-Interest-Tests zusammenführen
- Peer-Gruppen-Vergleiche und Benchmark-Modelle für verschiedene Produktgruppen einführen
- den umstrittenen Inducement-Test (Anreizprüfung) überarbeiten
Es folgte ein Non-Paper von Frankreich und Tschechien, die die Regulierung stark lockern wollen. Best-Interest-Prüfung und Inducement-Test sollen entfallen oder zumindest stark eingeschränkt werden. Auch Anforderungen an die Portfoliostreuung und sogenannte Level-2-Regelungen – präzisierende Ausführungsvorschriften, die den Beratungsalltag maßgeblich beeinflussen – sollen reduziert werden. So berichtet es der Lobby-Verband.

AfW rechnet bei Kleinanlegerstrategie nicht mit Provisionsverbot
Das bemängelt der GDV an der Kleinanlegerstrategie
EU-Kommission legt Pläne für Provisionsverbot auf Eis
Zur RIS laufen derzeit die Trilog-Diskussionen zwischen EU-Kommission, Europa-Parlament und Europa-Rat. Und auch dort hat der AfW einige Trends und Tendenzen beobachtet. So setzt der Rat eher auf Flexibilität und Aufsicht. Das Parlament setzt hingegen stärker auf Details und Schutz. Und in zentralen Bereichen wie Produkt-Governance, Marketing-Anforderungen, Sachkunde, Kundenklassifikation und Provisionsregelung liegen die Beteiligten zum Teil erheblich über Kreuz – besonders aber auch zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission vom Mai 2023.
Es sind diese Differenzen, die den AfW in Alarmbereitschaft versetzen. Denn offenbar ist in jede Richtung noch alles drin. Aber wenn die Kleinanlegerstrategie erstmal feststeht, prägt sie die unabhängige Vermittler- und Beraterszene über Jahre hinweg.
Weitere Ausgestaltung der Kleinanlegerstrategie völlig offen
„Die Vorlage dieser beiden Non-Paper zeigt, wie offen die weitere Ausgestaltung der RIS derzeit ist“, sagt folglich Norman Wirth, Vorstand des AfW. „Gerade für unabhängige Vermittlerinnen und Vermittler ist es entscheidend, dass am Ende keine Regelungen stehen, die Beratung unnötig erschweren oder verteuern. Überregulierung gefährdet am Ende die Vielfalt und den Zugang zu guter Beratung.“
Besonders argwöhnisch betrachtet der AfW übrigens die Gedanken zu den geplanten Peer-Gruppen-Vergleichen und Benchmark-Modellen für Produktgruppen. „Staatliche Preisvorgaben passen nicht zu funktionierenden Märkten. Sie können zu einer Einschränkung der Beratungsvielfalt führen und gerade Kleinanleger von der unabhängigen Beratung ausschließen“, meint Wirth dazu.
Und wann und wie geht es nun weiter? Der AfW schildert den Zeitplan: Am 14. Mai befasst sich die Verhandlungsgruppe des Europäischen Parlaments mit den neuen Non-Papers. Die des Rats folgt am 19. Mai. Weitere – bisher unbestätigte – Trilog-Termine sind für 3. Juni und 1. Juli angedacht.
Norman Wirth fasst zusammen, was seinen Verband konkret stört: „Der aktuelle Verlauf der RIS-Debatte wirft ernste Fragen auf. Statt zu einer besseren Kapitalmarktteilnahme beizutragen, drohen sich die Verhandlungen in technischen Detailregelungen und Bürokratie zu verlieren. Die Interessen der Kleinanlegerinnen und -anleger und ihrer qualifizierten, unabhängigen Beratung geraten dabei zunehmend aus dem Blick.“

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