- Von Peter Schmidt
- 04.09.2023 um 13:15
Über Jahre hatte eine Maklerfirma aus Süddeutschland Maklerbestände und Maklerfirmen gekauft. Das schnelle anorganische Wachstum fand viel Bewunderung unter Maklerinnen und Maklern. Die Erfahrungen bei Kaufverhandlungen und Übernahmen wurden in Facebook-Gruppen und speziellen Seminaren diskutiert und regten zum Nachmachen an.
Nun überraschte das Maklerunternehmen mit der Meldung, dass man einen Großteil des Bestandes veräußert hat und sich auf ein anderes Kern- und Zielgruppengeschäft konzentrieren will. Ist das ein Einzelfall?
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Fehlende Beratungsdokumentation drückt Kaufpreis für Maklerbestände
Betreuungsstrategie muss vor dem Kauf stehen
Selbst wenn solche schnellen Verkäufe von erworbenen Beständen eher selten sind, haben viele Käufer das Problem der Bestandsbetreuung in dieser oder ähnlicher Form. Es wurden die mit dem Kauf entstehenden Szenarien vor dem Kauf zu wenig durchdacht. Dabei braucht es bei Käufen über Darlehen oder über bereitgestellte Finanzen durch Investoren klare Vorstellungen, wie am besten der Return On Invest (ROI) gestaltet werden soll. Erstmal kaufen und dann überlegen funktioniert oft nicht.
Mehrere Bereiche sollten in die Vorüberlegungen einfließen, was nach dem Kauf passieren soll. Dementsprechende Entscheidungen sind zu treffen und dann umzusetzen. Schauen wir uns einige der Themen an, die in die geplante Betreuungsstrategie unter anderem eingehen sollen:
- Ressourcen zur Bestandsübernahme und Bestandsbetreuung
- Übergang vom Maklerverwaltungsprogramm des Verkäufers zum Käufer
- Fortführung bisheriges Beratungsmodell oder neues Beratungskonzept
- Fortführung des Büros des Verkäufers mit eventuellen Mitarbeitern
- Fortführung der Webseite und gegebenenfalls der Social-Media-Accounts
- Betreuungskonzept für VIP-Kunden und gegebenenfalls gewollte Mitwirkung des Verkäufers
- Courtagevereinbarungen – Fortführung, neue Vereinbarungen oder Pool
- Fortführung oder Neuabschluss von Maklervereinbarungen
- Betreuungs- und Kommunikationsart des Verkäufers – Übernahme oder neu
- Einbindung von zeit- und kostensparenden Dienstleistern
- Einführung von (neuen) Servicevereinbarungen/Servicepauschalen
Jeder der aufgeführten Entscheidungspunkte ist ein Thema für sich. Der Käufer sollte sich vor dem bekundeten Interesse zum Kauf die Zeit nehmen, um vor Unterzeichnung des Kaufvertrages einen möglichst detaillierten Fahrplan für die Umsetzung konzeptionell zu gestalten. Dies gilt sowohl für die Übernahme von Maklerfirmen wie auch für den Kauf von Maklerbeständen.
Ist die Übernahme einer Makler-GmbH einfacher?
Es scheint oft so, dass die Übernahme eine Maklerfirma in juristischer Rechtsform einfacher ist. Nur der Eigentümer wechselt per Kauf der Gesellschaftsanteile, der Rest bleibt weitgehend unberührt, so der oft trügerische Eindruck. Natürlich ist an dieser Einschätzung etwas dran, denn die meisten Verträge bleiben bestehen. Das gilt sowohl für die Maklerverträge und so weiter der Firma mit den Kunden als auch für die Vereinbarungen mit Produktgebern und Dienstleistern.
In dieser Kolumne gehe ich nicht auf mögliche Probleme bei der Übernahme einer Makler-GmbH wegen betriebswirtschaftlicher Fallstricke oder Verpflichtungsverträgen ein, die es einem Käufer schwer machen können. Dazu zählen auch offene Haftungsfälle die juristisch ausgetragen werden oder Produktverkäufe, die in der Vergangenheit vorgenommen wurden, die aber aus heutiger Sicht problematisch sind. Dazu habe ich ausführlicher in „Nachfolge –gewusst wie“ geschrieben.
Aber schon die Entscheidungsfrage der Übernahme der Mitarbeiter, deren Aufgaben beim Eigentümerwechsel, die Inhalte der Arbeitsverträge und die Situation mit dem oder den neuen Eigentümer(n) können massiven Einfluss auf die Bestandsfestigkeit und eine positive Entwicklung des Bestandes haben.
Die Entlassung von bisherigen Mitarbeitern einer Maklerfirma nach dem Verkauf, die Schließung des bisher bei den Kunden gewohnten Büros, die Kündigung von Telefonnummern und Domains sowie fehlende Kommunikation mit VIP-Kunden können sehr schnell gravierende Auswirkungen auf den Bestand haben. Die Kunden wenden sich ab und auch mancher Marktteilnehmer wird durch solche Fehlentscheidungen zusätzlich auf den Plan gerufen.
Warum gehen (unerfahrene) Käufer dennoch so vor? Es wird einfach der schnelle ROI in den Mittelpunkt gestellt und deshalb werden nach dem Kauf alle scheinbar unnützen Kosten eingespart. Die Kunden werden in der Gewöhnung an den Käufer nicht mitgenommen und verprellt. Genauso passiert das auch mit den Betreuungsmodell. Wenn die Kunden bisher in der Kleinstadt oder dem Dorf des Verkäufers einfach bei Anliegen im Büro vorbeigekommen sind, dann ist ein Cut von heute auf morgen für die Kundenloyalität kaum förderlich.
Auch ein Wechsel des Beratungsmodells ist gut zu durchdenken. Eine zu harsche Kritik am Verkäufer gegenüber seinen 1- oder 2-Vertragskunden kommt meist nicht gut an. Es gilt im Konzept und auf der Tonspur den Übergang zu einem umfassenden Beratungsmodell ebenso wie umfassendere technische Möglichkeiten (Online-Beratung, Makler-App, Kundenportal etc.) als positive Erweiterung der bisherigen soliden Beratungen an die Kunden zu bringen. Gerade bei VIP-Kunden kann das sehr gut funktionieren, wie ich mit manchem Käufer den Erstkontakt bei VIP-Kunden gemeinsam mit Verkäufer und Käufer besprochen habe.
Behutsamer Übergang
Käufern von Maklerbeständen gebe ich den Tipp, die Arbeit des Verkäufers besonders bei den VIP-Kunden zu würdigen, aber auch mögliche neue Aspekte diplomatisch in den ersten Gesprächen mit den VIP-Kunden anklingen zu lassen. Wirksam finde ich, wenn der Käufer mit einem Firmenflyer das Profil der eigenen Firma und mögliche neue Beratungsmethoden oder Schwerpunkte (behutsam) vorstellt.
Hat der Verkäufer bisher nur Sach- oder Gewerbeversicherungen an seine Kunden vermittelt und der Käufer (oder die Firma des Käufers) bietet auch Beratungen und Vermittlungen in den Sparten Kranken, Investment, betriebliche Alters- und Krankenversorgung oder Baufinanzierung an, so kann man dies dem VIP-Kunden oder auch allen anderen Kunden als erfreulichen Mehrwert vorstellen.
In so einem Übergang ist der Start von Servicevereinbarungen für erweiterte Services wie umfassende Unterstützung in Schadenfällen, Kunden-App oder Online-Versicherungsordner ebenfalls möglich. Das geht ohne Kritik am in die Jahre gekommenen Modell des Verkäufers.
Deshalb freue ich mich auch darüber, wenn nach meinen Beratungen für Käufer Kundenbindungsinstrumente zur Verstärkung der Kundenloyalität nach dem Kauf in die Maklerpraxis übergehen.
Zu den Basics der Kundenbindung gehören aus meiner Sicht:
- Orientierung auf Vollkunden mit einem entsprechenden Beratungskonzept,
- differenzierte Serviceangebote mit besonderen Servicevereinbarungen und
- spezielle Kommunikations- und Marketingstrategie für Kundengruppen von A bis D.
Bleiben wir noch etwas bei den VIP-Kunden. Wir sprechen hier etwa von 10 bis 20 Prozent der Kunden, die dem Makler als Käufer deutlich höhere Courtagen als der Durchschnittskunde sichern. Dieser Kundenkreis sollte mit Übernahme durch ein separates Anschreiben informiert werden, welches gleich mit einer Besuchsangebot von Verkäufer und Käufer verbunden wird.
Deshalb ist schon in der Phase der Kaufverhandlungen das Thema VIP-Kunden und deren Anteile an der Courtage zu besprechen, ebenso wie deren Nähe zum Verkäufer (Freunde, Bekannte, Multiplikatoren etc.). Daraus kann man dann im Rahmen der Mitwirkungsvereinbarungen mit dem Verkäufer nach dem Kauf ein Plan der gemeinsamen Besuche entstehen.
Besprechen Sie als Käufer mit dem Verkäufer, was bei ihm oder ihr ein VIP-Kunde ist. Das können beispielsweise Kunden mit mehr als sieben Verträgen sein. Es ist aber auch möglich, eine bestimmte Jahresnettoprämie oder die daraus resultierenden Courtageeinnahmen als Basis für die Klassifizierung zu nehmen. Daraus entsteht dann eine Road Map, welche Kunden Sie als Käufer zügig persönlich aufsuchen oder erst später.
Nicht vergessen: Besonders mit diesen Kunden sollten Sie möglichst sofort die neuen Vereinbarungen wie Maklervertrag, Maklervollmacht, DSGVO-Erklärung und weitere unterzeichnen lassen und eine Nachfolgetermin vereinbaren. Weitere Details, an die Sie zu denken sollten, haben wir in „Leitfaden und Checklisten für vor, während und nach dem Verkauf“ zusammengestellt.
Bestandskunden übernehmen mit eigenem Bestandskundenmanagement
Mit der Übernahme der Bestandskunden über einen Asset Deal oder Share Deal ist die Zeit gekommen, die Kundendaten in eine einheitliche Form zu bringen, Dubletten zu bereinigen und ein zum Käufer passendes Bestandskundenmanagement zu starten. Es genügt nicht, die neuen Kunden im MVP/CRM passiv zu verwalten. Es gilt zu agieren und so die Loyalität der Kunden zu festigen.
Loyal sind vor allem die Kunden, die zufrieden sind und sich individuell betreut fühlen. Individuelle Betreuung setzt voraus, dass man den Kunden gezielt ansprechen kann. Und dazu muss man die vorhandenen Daten der Kunden nutzen. Dazu gehören neben den Kontaktdaten auch die Übersicht zu den vorhandenen Verträgen und das Wissen, wann der Kunde das letzte Mal beraten wurde beziehungsweise, wann die letzten Verträge abgeschlossen wurden.
Neben der neu aufzunehmenden Kommunikation mit den Kunden per Mail oder Newsletter muss auch die interne Unternehmenskommunikation beim Käufer überdacht werden. Unzählige Informationen werden in der Übergangsphase über Datentransfer über die Produktgeber (Versicherer), Dienstleister (Pools) oder direkt per Telefon oder E-Mail ausgetauscht und weitergegeben.
Diese Informations- und Datentransferwege sollten gebündelt werden, um die Informationsflut transparent zu machen und sie allen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Nur dann können Prozesse effektiver und effizienter gestaltet werden.
Erfolgreich laufen Bestandskundenübernahmen mit folgenden Tipps:
- Spezielle Mitarbeiter für die Bestandskundenbetreuung betrauen (ggf. auch Bereich)
- Übernahme- und Willkommensbrief für die übernommenen Kunden
- Vorstellung des erweiterten Beratungsmodells (Videolink, Flyer, Homepage)
- Kundenbindungsprogramm (Tag der offenen Tür, Gutscheine für Empfehlungen)
- Spezielle Beratungen oder Informationsveranstaltungen (Präsenz oder Online)
- Vorstellung des vorhandenen Kunden-Portals oder der Kunden-App
- Mail (Newsletter) nach Übernahme, 2. Mail (Newsletter) nach einem Monat
Dabei stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Lesedauer: ca. 05:40 Min
















































































































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