- Von Oliver Lepold
- 20.06.2025 um 08:17
Pfefferminzia: In Deutschland steht ein großer Vermögenstransfer an. Mit welchen Summen muss die Branche dabei rechnen?
Cora Kaczmarek: Der Vermögenstransfer hat einen riesigen Umfang. In den nächsten vier Jahren gehen mehr als 1,2 Billionen Euro von Hand zu Hand, das sind im Jahr bald 400 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Damit können Sie grob 300 Mal den FC Bayern München kaufen.
Laut einer Ihrer Studien verlieren bis zu 70 Prozent der vermögenden Familien ihr Vermögen in der zweiten und 90 Prozent in der dritten Generation. Was sind die Gründe dafür?
Kaczmarek: Das liegt häufig an fehlender Planung und Kommunikation, nicht nur innerhalb der Familie. Ein Vermögenstransfer muss rechtzeitig geplant und häufig auch begleitet werden. Qualifizierte Beratung spielt dafür eine wesentliche Rolle. Das Thema, zu dem auch Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen gehören, ist sehr emotional besetzt und wird häufig aufgeschoben. Je älter der Kunde ist, desto mehr Herausforderungen begegnen Beraterinnen und Berater. Der erste Ansprechpartner ist immer der spätere Erblasser. Der ist zu 70 Prozent männlich, denn Männer sind statistisch der ältere Partner in einer Ehe und haben zudem eine geringere Lebenserwartung als Frauen.

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Warum wenden sich viele Erben nach dem Erbfall von dem Anlageberater des Erblassers ab?
Kaczmarek: Laut unserer Studie wechseln 70 Prozent der erbenden Ehefrauen und 87 Prozent der Kinder umgehend den Berater nach dem Erbfall. Trotz langjähriger Kundenbeziehungen! Das ist für Beratende eine wahnsinnige Herausforderung, aber natürlich auch eine Chance, neue Mandate zu gewinnen. Wenn der Berater die Erben nicht rechtzeitig abholt, dann orientieren sie sich neu.
Wie können Berater hier dem Mandatsverlust sinnvoll vorbeugen?
Kaczmarek: Viele Dinge in der Finanzberatung lassen sich simplifizieren, aber die Kommunikation mit dem Kunden gehört nicht dazu. Um das Mandat nach dem Vermögenstransfer zu behalten, müssen die zukünftigen Erben in die Beratung miteingebunden werden. Und zwar rechtzeitig, denn Vertrauen ist das A und O in der Beratung. Das kommt nicht von ungefähr, es baut sich über Jahre auf. Und Sie brauchen natürlich Konzepte, die einerseits langfristig funktionieren, die sich aber auch zum Erben und Schenken eignen.
Inwieweit verändern Erben eine gewachsene Vermögensstruktur?
Kaczmarek: Dazu gibt es keine Statistik, Menschen sind höchst individuell. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass jüngere Generationen einen Mangel an langfristiger Ausrichtung im Portfolio erkennen und dazu neigen, diesen Punkt zu modernisieren.
Welche speziellen Dienstleistungen für den Vermögensübergang sind sinnvoll?
Kaczmarek: Die Generationenberatung ist ein Zukunftsmodell, das sich auch kurzfristig sehr gut umsetzen lässt, wenn Berater über entsprechende Fähigkeiten und Skills verfügen. Die Ansprache ist indes je nach Zielgruppe unterschiedlich. Wer sind die künftigen Erben und wie alt sind diese? Sind es Babyboomer oder Millennials? Geht es in erster Linie um den Ehepartner oder um die Kinder? Bei jüngeren Kunden spielt zum Beispiel die Digitalisierung eine große Rolle. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, sich auf eine Zielgruppe zu spezialisieren und nicht universell in den Markt zu gehen. Das stützen unsere Studien.
Inwieweit sind passive Investments und speziell passive Multi-Asset-Lösungen in der älteren Generation verbreitet?
Kaczmarek: Vanguard hat über 50 Millionen Kunden aller Altersklassen. Wir sind erfreut zu sehen, dass auch die ältere Generation ETFs und passive Investments gut annimmt. In älteren Portfolios sind bislang noch nicht viele Indexlösungen enthalten, aber das ändert sich. Der passive Investmentansatz hat vor allem in den vergangenen zehn Jahren immer weiter den Markt durchdrungen.
Wie lassen sich auch junge Menschen für passive Investmentlösungen gewinnen?
Kaczmarek: Die Argumente bleiben die gleichen. Am wichtigsten ist es, das Konzept verständlich zu erklären. Wir sehen durchaus, dass die jüngeren Generationen offener gegenüber der Anlage am Kapitalmarkt wird. Man kann nicht mehr davon sprechen, dass die Deutschen Aktien meiden. In den vergangenen Jahren haben wir zudem positive Marktentwicklungen gesehen, während die ältere Generation mehr Börsenabschwünge bewusst miterlebt. Jüngere Menschen haben zudem einen längeren Anlagehorizont und können tendenziell höhere Risiken eingehen. Es gibt bisweilen einen Hang zur Selbstüberschätzung, nicht selten laufen Anleger Trends hinterher und machen dann Fehler. Das passiert aber in allen Altersklassen. Daher ist es wichtig wirklich, gut beraten zu sein.

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