Mutter mit Kindern: Vor allem Frauen arbeiten wegen der Kindererziehung oft in Teilzeit – mit Nachteilen bei ihrem BU-Schutz. © lookstudio / Freepik.com
  • Von Jens Lehmann
  • 05.05.2025 um 11:39
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Sind Teilzeitkräfte in der Berufsunfähigkeitsversicherung im Nachteil? Viele BU-Versicherer sehen das so – und statten Neuverträge kundenfreundlich mit Teilzeitklauseln aus. Doch sind sie wirklich notwendig?

Das Problem: Die eine Teilzeitklausel gibt es nicht. Jeder BU-Versicherer kocht sein eigenes Teilzeitsüppchen und gestaltet die Klausel unterschiedlich aus. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Das fängt schon bei der Definition von Teilzeit an. Für die Mehrzahl der BU-Anbieter beginnt die Teilzeit, wenn die Wochenarbeitszeit unter 30 Stunden sinkt. Andere ziehen die Teilzeitgrenze unterhalb des Arbeitspensums, das ein vergleichbar Vollzeitbeschäftigter leistet.  

Auch der Grund des Umstiegs von Voll- auf Teilzeit spielt bei einigen BU-Versicherern eine Rolle. Beispielsweise greift die Teilzeitklausel nur dann, wenn der Versicherte seine Arbeitszeit reduziert hat, um die Kinder zu erziehen oder nahe Angehörige zu pflegen, nicht aber um schlicht mehr Freizeit zu haben. Bei anderen Anbietern, darunter die Nürnberger Versicherung und Condor, gilt die Klausel unabhängig von den Teilzeitgründen. „Wir schützen auch all diejenigen vor Nachteilen im Fall einer BU, die einfach eine bessere Work-Life-Balance anstreben und deshalb ihre Arbeitszeit zeitweise reduzieren“, sagt Andrea Wolf, Referentin Altersvorsorge und Biometrie bei der Nürnberger.  

Dauer der Teilzeit ist wichtig

Auch die Dauer der Teilzeit ist relevant. Bei den meisten BU-Versicherern gilt die Teilzeitklausel nur für den Fall, dass Versicherte ihre Arbeitszeit für eine begrenzte Phase reduzieren. Bei der Helvetia sind das grundsätzlich 24 Monate. Bei Teilzeit zum Zwecke der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen verlängert sich die Frist auf fünf Jahre. Nach Ablauf der Frist gilt im BU-Leistungsfall nicht mehr die Günstigerprüfung mit dem früheren Vollzeitjob, sondern nur die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, also gegebenenfalls auch in Teilzeitarbeit. Bei der Nürnberger ist die Frist mit zehn Jahren großzügig bemessen, zudem gilt sie unabhängig vom Teilzeitgrund. Noch kundenfreundlicher ist in diesem Punkt die Condor. Dem BU-Versicherer ist es egal, warum und wie lange jemand von Voll- auf Teilzeit umstellt. Die Teilzeitklausel gilt unbegrenzt bis zum BU-Vertragsende. 

Die vielen unterschiedlichen Regelungen machen den Markt nicht gerade transparenter. Und es wird noch komplizierter. Bei einigen BU-Versicherern gilt die Teilzeitklausel nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Andere, darunter Nürnberger, Baloise oder Condor, schließen auch Selbstständige und Freiberufler in ihre Klausel ein. Wieder andere versprechen ihren teilzeitbeschäftigten BU-Kunden eine Günstigerprüfung im Leistungsfall. Denn nicht immer würden Versicherte mit einer Teilzeitklausel besser fahren als ohne, so Jens Patze, Produktmanager Leben bei der Helvetia. „Es kann Fälle geben, bei denen ein Versicherer aufgrund einer Teilzeitregelung nicht leistet, ohne Klausel dagegen schon.“  

Kurz gesagt: Vor uns liegt ein bunter Flickenteppich unterschiedlicher Teilzeitklauseln. Allerdings dürften sich die Angebote der Versicherer langfristig angleichen. „Im Werben um Neukunden werden die Versicherer ihre Bedingungen immer weiter optimieren“, so Expertin Wolf von der Nürnberger.  

Das sind gute Aussichten für BU-Vermittler. Denn das Thema Teilzeitklauseln bietet gute Ansatzpunkte für ein erfolgreiches Beratungsgespräch. Das gelte besonders im Kontakt mit jungen Kunden, so Helvetia-Fachmann Patze. Denn gerade ihnen bringe eine Teilzeitklausel angesichts der langen BU-Versicherungslaufzeit in Kombination mit einem ungewissen Lebenslauf echten Mehrwert.  

Nicht die wichtigste Klausel im BU-Vertrag

Die Nürnberger sieht das ähnlich – und rät Vermittlern, sich die Teilzeitregelungen im Einzelnen genau anzusehen. Andrea Wolf: „Gerade bei Kunden, bei denen eine Änderung absehbar ist, weil zum Beispiel die Gründung einer Familie kurz bevorsteht, sollten Berater einen Tarif auswählen, der die bestmögliche Regelung bietet.“ Christian Dulitz von der Condor formuliert es noch grundsätzlicher: „Wer Kunden eine BU ohne Teilzeitklausel vermittelt, verkauft ihnen im Grunde eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung zu einem BU-Preis.“  

Und dennoch steht eine gute Teilzeitklausel in der BU-Beratung nicht an erster Stelle. Wichtiger sind Krite­rien wie der Verzicht auf die abstrakte Verweisung, umfassende Nachversicherungsgarantien oder schnelle, transparente und faire Leistungsprüfungen. Teilzeitklauseln sind jedoch ein zunehmend interessantes Feature, deren Bedeutung nach Einschätzung der meisten Versicherer wegen der Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt steigen wird. Und zwar für alle versicherten Personen, nicht nur für Frauen, die besonders häufig in Teilzeit arbeiten. Die Dialog Lebensversicherung bringt es auf den Punkt: „Ob Mann oder Frau – niemand kann mehr ausschließen, ob, wann und wie lange er im Laufe seines Berufs­lebens in Teilzeit arbeiten wird.“  

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Jens Lehmann

Jens Lehmann ist diplomierter Publizist und Betriebswirt und arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg. Er ist thematisch auf Wirtschafts-, Finanz- und Mobilitätsthemen spezialisiert. Seine Beiträge erscheinen in Publikationen großer Zeitungsverlage, Unternehmensveröffentlichungen sowie bei Pfefferminzia.

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