Ist es eine Bombe oder nicht? Ein Sprengmeister prüft eine verdächtige Tüte. © Getty Images
  • Von Redaktion
  • 20.05.2015 um 10:02
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Die Verbraucherschützer fordern eine BU für alle. Prinzipiell wundert das Versicherungsmakler Philip Wenzel nicht – die immer stärkere Berufsgruppendifferenzierung und strengere Risikoprüfung machen die BU zum Luxusprodukt. Warum eine BU für alle trotzdem nicht funktionieren kann und wie man das Problem stattdessen lösen könnte, erklärt Wenzel in seinem Gastbeitrag.

Der Bund der Versicherten fordert eine politische Lösung der biometrischen Eskalation. Experten beobachten schon seit Jahren eine immer groteskere Individualisierung im Premium-Segment der Arbeitskraftabsicherung. Und mittlerweile spüren auch die Verbraucher die Auswirkungen.

Zwei Trends sind hier maßgeblich: Zum einen differenzieren die Versicherer die verschiedenen Berufsgruppen immer feiner und zum anderen werden die Risikoprüfungen bei Antragstellung immer strenger. Beides hat das gleiche Ziel. Die Versicherungen wollen alle nur das geringste Risiko versichern. Dadurch wird die Absicherung der Arbeitskraft, die ein existenzielles Risiko abdeckt, aber zu einem Luxusgut, das sich gerade die Berufsgruppen, die am stärksten betroffen sind, nicht mehr leisten können.

Versicherungstechnisch logisch, aber sozial ungerecht

Versicherungstechnisch ist das logisch. Ein brennendes Haus ist nicht mehr zu versichern und eine Streichholz-Fabrik zahlt eine höhere Prämie für die Feuer-Versicherung als ein Wasserwerk. Aber bei den biometrischen Risiken geht es nicht um Sachen, sondern um Menschen und deren Schicksale, weshalb das, was versicherungstechnisch total logisch ist, gleichzeitig auch sozial ungerecht ist.

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Es wundert daher nicht, dass nun der Ruf nach einer politischen Lösung laut wird. Überraschend ist nur, dass der Ruf nicht direkt von einem Politiker kommt, der sich dann auch als Namensgeber des Produkts verewigen könnte.

Warum der Staat das Risiko nicht tragen kann

Anderseits ist die Politik aber auch überhaupt nicht in der Lage, das Risiko der Berufsunfähigkeit zu übernehmen. Dazu fehlen ganz platt gesagt die nötigen Mittel. Darüber hinaus würde eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die notwendig wäre, um die Altersarmut zu senken und die gesetzliche Rente zu stärken, gleichzeitig zu beachtlichen Mehrausgaben führen. Denn je länger ich arbeite und je älter ich bin, desto höher ist das Risiko einer Berufsunfähigkeit.

Es wären also neue Einnahmen notwendig, die selbstverständlich gleichmäßig verteilt werden müssten. Dann würden die risikoarmen Berufe die risikoreichen subventionieren. Das ist ebenso gerecht, wie es gleichzeitig ungerecht ist. Glaube ich, dass jeder sein Schicksal in einem gewissen Maß selbst in der Hand hat und seinen Beruf nach freien Stücken wählen kann, lässt sich schwer argumentieren, warum ich dann die Verantwortung für die Risiken meiner Wahl von der Allgemeinheit tragen lasse.

Glaube ich allerdings, dass ich durch die Geburt zwar nicht zwingend in die eine oder andere Laufbahn gedrängt bin, aber zumindest schon ein Impuls in die eine oder andere Richtung besteht, dann ist es nur gerecht, dass die, mit denen es das Schicksal gut meinte, jene unterstützen, die mit weniger guten Voraussetzungen zurechtkommen müssen.

Fehlende Risikoselektion bei einer staatlichen Lösung

Zuletzt bliebe bei der staatlichen Lösung die Frage der fehlenden Risikoselektion. Der Sprengmeister muss ebenso versichert sein wie der Astrophysiker. Und wer in seiner Freizeit mit brennenden Kettensägen jongliert, genießt den gleichen Schutz, wie der, der nur Schach spielt.

Was hier im Einzelfall ungerecht klingt, ist wiederum die grundlegende Aufgabe einer Versicherung. Sie gleicht ein im Einzelnen nicht kalkulierbares Risiko über die Zeit und das Kollektiv aus. Je größer das Kollektiv, desto geringer die Schwankungswahrscheinlichkeit. Ganz einfach.

Allerdings gibt es in Deutschland eben schon Berufsunfähigkeitsversicherungen und die arbeiten mit vielen verschiedenen Berufsgruppen. So können die Unternehmen risikoarmen Berufen den Schutz günstiger anbieten. Bei der Kfz-Versicherung wird ja auch unterschieden, ob das Auto in der Garage steht oder nicht. Deswegen ist es logisch, dass kein Versicherer anfangen kann, die Kollektive wieder größer zu fassen, da er sich so die guten Risiken verprellen würde und die schlechten einkaufen.

Besser sind passende Produktlösungen

Ein einzelner Versicherer kann das Problem also nicht lösen, ohne seine Wirtschaftlichkeit zu riskieren. Die Lösung wäre eine staatliche Einschränkung der Risikoselektion. Inwiefern das durchsetzbar wäre oder ob es dadurch gerechter würde, hängt davon ab, was man bereit ist zu akzeptieren und wie man Gerechtigkeit definiert.

Es scheint sinnvoller, dem Problem mit passenden Produktlösungen zu begegnen. Das könnten temporäre Lösungen, die sich an die Lebensphasen anpassen, sein. Also eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung die aufgrund von Berufsunfähigkeit in jungen Jahren nur über einen kurzen Zeitraum leistet, da eine Umschulung eher im Bereich des Möglichen ist und in höherem Alter dann über längere Zeit eine Rente leistet, bevor auf Erwerbsunfähigkeit geprüft wird.

Schlag ins Gesicht für Makler

Insgesamt kann man den Versicherern nicht abverlangen, unwirtschaftlich zu handeln. Man sollte ihnen auch keinen Kompromiss aufdrängen. Das Ergebnis könnte dem Pflege-Bahr ähneln. Aber man darf durchaus fordern, dass die Versicherungswirtschaft bei den biometrischen Risiken ebenso auf Flexibilität setzt, wie es in der Altersversorgung schon der Fall ist. Inwiefern dadurch eine Lösung für alle gefunden werden kann, muss man abwarten. Es wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lösung für die meisten sein.

Die Forderung des BdV nach guter Beratung und Unterstützung beim Ausfüllen der Fragebögen ist übrigens ein Schlag ins Gesicht von jedem vernünftig arbeitenden Makler. Aber daran lässt sich sehr schön veranschaulichen, dass die Lösung des Problems zu großen Teilen schon vorhanden ist und es keiner Revolution bedarf, sondern nur einer friedlichen Weiterentwicklung des bereits Vorhandenen.

Über den Autoren: Philip Wenzel (Foto) ist Kaufmann für Versicherungen und Finanzen (IHK) und hat das Spezialgebiet biometrische Risiken. Er arbeitet beim Maklerunternehmen freche versicherungsmakler GmbH & Co. KG in Kemnath. Weitere Infos finden Sie auch auf der Facebook-Seite und bei Google+.

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