Bestimmte Ballaststoffe können nicht das Wachstum der LPS-tragenden Bakterien bremsen. Jedoch sind nicht alle Ballaststoffe pauschal in solchen Fällen förderlich. Inulin, das beispielsweise in der Artischocke vorkommt, fördert das Wachstum dieser Bakterien eher. © Pixabay
  • Von Joachim Haid
  • 09.11.2020 um 16:13
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Im dritten Teil der Serie über Stuhltests schauen wir uns eine bestimmte Gruppe von Bakterien an: die LPS-tragenden Bakterien. Welche fallen in diese Familie? Was bedeutet LPS und welche Folgen kann eine Überbesiedlung dieser Mitbewohner auf unsere Gesundheit haben? Hier erhalten Sie die Antworten.

Bei einem Stuhltest, wie in Teil 1 empfohlen, wird auch die Besiedlung der LPS-tragenden Bakterien analysiert. Zu dieser Familiengruppe gehören beispielsweise Escherichia Spezies (spp.), Klebsiella spp., Pseudomonas spp, Sutterella spp. und weitere. Das LPS steht für Lipopolysacharide und beschreibt den Aufbau der Zellmembran dieser Bakterien. Das Lipo steht dabei für Lipid, also Fett, und Saccharid für Zucker.

„Silent Inflammation“ und Endotoxinämie

LPS-Bakterien, welche zu den proentzündlich wirkenden Fäulnisbakterien zählen, tragen auf ihrer Membran eine Art von Zäpfchen. Das sind die LPS. Dabei handelt es sich um Endotoxine, also Giftstoffe. Täglich sterben viele dieser Mitbewohner ab. Das ist ein ganz natürlicher Prozess und bei einem gesunden und dichten Darm auch kein großes Problem. Die Giftstoffe werden einfach mit dem Stuhl ausgeschieden.

Ist jedoch die Darmschleimhaut, oder sind deren „Schleusen“, die Tight Junctions, undicht, liegt ein sogenannter Leaky Gut vor. Dann kann es problematisch werden. Nun können diese Giftstoffe ständig in kleinen Dosen in den Blutkreislauf gelangen. Das Immunsystem wird belastet und entzündungsförderliche Zytokine ausgeschüttet. Das löst stille Entzündungen, sogenannte silent Inflammation aus. Eine Endotoxinämie entsteht. Also eine Art Vergiftung, die von innen (endo) heraus ausgelöst wird.

Eine lang anhaltende, hohe Belastung mit LPS-Keimen kann einen Leaky Gut sogar zur Folge haben. Nun können, wie oben beschrieben, die Giftstoffe durch den Darm ins Blut gelangen. Ein Teufelskreislauf. Bestimmte Krankheiten werden ebenfalls von LPS-tragenden Bakterien ausgelöst. Diese werden in der Regel mit Antibiotika behandelt. Sterben nun durch die Antibiose zu viele der LPS-Bakterien ab, kann es zu massiven, nicht juckenden Hautausschlägen am ganzen Körper kommen (Jarisch-Herxheimer-Reaktion). Dies ist ein Hinweis darauf, dass das richtige Medikament gefunden wurde, jedoch die Dosierung reduziert werden muss. Erfolgt das nicht, oder sterben aus anderen Gründen zu viele dieser Bakterien auf einmal ab, so kann es im schlimmsten Fall bis zum septischen Schock kommen.

Endotoxine triggern nicht nur das Immunsystem, sie müssen auch von der Leber entgiftet werden. Das kann dieses Organ massiv belasten und schädigen. Wenn der Arzt Ihnen also einmal sagt, dass Sie weniger Alkohol trinken sollten, weil Ihre Leberwerte nicht gut ausschauen und Sie sich wundern, weil Sie nur wenig bis keinen Alkohol trinken, dann denken Sie künftig daran, einmal Ihre Darmbesiedlung checken zu lassen. Vielleicht liegt der Grund für die Leberbelastung dort?

Auf die Balance kommt es an

Nun mag der Eindruck entstehen, dass diese LPS-tragenden Bakterien alle primär böse sind und vernichtet werden sollten. Das war, nach Entdeckung der Antibiotika, lange Zeit die primäre Strategie – ausrotten und vernichten. In der Fachsprache Eradikationstherapie genannt. Leider führte dies zu vielen der heutigen medizinischen Herausforderungen wie beispielsweise Resistenzen, Allergien und Fehlbesiedlungen im Darm.

Deshalb gilt auch bei LPS-tragenden Bakterien wie beispielsweise E. Coli spp., dass es auf die Balance ankommt. Denn diese Bakterienfamilie gehört auch zu den Immunmodulatoren. Sie feuern das Immunsystem also nicht pauschal an, sie trainieren es und sorgen für ausgewogene Reaktionen. Bestimmte E.-Coli-Arten produzieren außerdem Mikrozine, die für krankheitsverursachende andere E.-Coli-Bakterien schädlich sind. So stellte man 2011 beim Brech-Durchfall EHEC fest, dass die auslösenden Bakterien durch Mikrozine in Schach gehalten werden können. E. Coli produzieren auch B-Vitamine wie Folat und Vitamin K.

Im Falle einer Überbesiedlung mit LPS-Bakterien ist der erste Therapieschritt, die Ernährung zu hinterfragen und das Essveralten anzupassen, damit die Fäulnisflora erst gar nicht mit schlecht verdauten Nahrungsbestandteilen (Eiweiß, Fett) gefüttert wird. Weiterhin können beispielsweise mit Huminsäure die Giftstoffe gebunden und ausgeschieden werden. Ein Leaky Gut kann behandelt und damit „geschlossen“ werden, sodass Endotoxine erst gar nicht in die Blutbahn übertreten können.

Bestimmte Ballaststoffe können nicht nur das Wachstum der LPS-tragenden Bakterien bremsen (zum Beispiel Akazienfasern), sondern auch das Wachstum antagonistisch wirkender Bakterienstämme fördern. Also solcher Bakterien, welche die Zahl der LPS-tragenden Bakterien reduzieren (Säuerungsflora). Aber Vorsicht: Nicht alle Ballaststoffe sind pauschal in solchen Fällen förderlich. Inulin, das beispielsweise in Chicorée, Topinambur und Artischocke vorkommt, fördert das Wachstum dieser Bakterien eher.

Lassen Sie sich also sowohl bei der Auswertung Ihres Stuhltests, als auch bei einer anschließenden Darmregeneration von einer darauf spezialisierten Person beraten, welche auch auf die unterschiedlichen Zusammenhänge achtet.

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Joachim Haid

Joachim Haid ist Gründer des Gesundheitsprogramms PaleoMental®, zudem Gesundheitscoach und Heilpraktiker in Ausbildung.

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