Tassilo Pollmeier © Privat
  • Von Oliver Lepold
  • 15.08.2019 um 12:14
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Wer eine Zahnzusatzversicherung sucht, orientiert sich gern an Verbrauchermagazinen wie „Finanztest“. Doch diese Empfehlungen sind mit Vorsicht zu genießen, wenn man Methodik und Testbedingungen näher betrachtet. Pfefferminzia klärt auf.

Regelmäßig werden private Zahnzusatztarife bei „Finanztest“ geprüft. Zuletzt wurde im Mai 2019 ein Test mit 234 Tarifen veröffentlicht, von denen 76 die Bestnote „sehr gut“ erhielten. Viele Verbraucher schätzen die verständlich formulierten Tests und orientieren sich gerne daran. Experten der Versicherungswirtschaft indes sind nicht immer einverstanden mit Methodik und Präsentation der Ergebnisse.

Beim aktuellen Test zu Zahnzusatzversicherungen etwa geht das Magazin vom einem 43-jährigen Testkunden aus – Tassilo Pollmeier, Geschäftsführer Deutscher Zahnversicherungs-Service (DZVS), hat sich den Test näher angeschaut. Sein ernüchterndes Fazit: „Es wird zu stark vereinfacht, es werden unterschiedliche Produktkategorien in einen Topf geworfen und bewertet. Dabei sind diese gar nicht miteinander vergleichbar.“ Zudem würden wichtige Kriterien wie fehlende Zähne ignoriert, andere Kriterien wie Zahnersatz zu stark gewichtet und wichtige Entwicklungen unberücksichtigt gelassen

Falsche Gewichtung der Testkriterien bemängelt

„Es gibt keine beste Zahnzusatzversicherung, sondern lediglich die befund- und bedarfsorientiert am besten passende“, sagt Pollmeier. Das Vorgehen von „Finanztest“ sei daher nicht zweckmäßig. Die zentrale Kritik des Experten: Der Fokus der Tester liege ausschließlich auf Leistungen für Zahnersatz und darauf, wie viel für die Regelversorgung übernommen wird. Eine Zahnzusatzversicherung werde aber nicht abgeschlossen, um die Regelleistungen vom Zahnarzt zu erhalten. „Wirklich häufige Behandlungsmaßnahmen wie professionelle Zahnreinigung, Wurzelbehandlungen bei Befunden, bei denen die gesetzliche Krankenversicherung keine Erstattung vorsieht, sowie Parodontalbehandlungen sind nach Meinung der Tester nicht erheblich“, so Pollmeier.

Ein Beispiel: Die Tarife ARAG Dent 100 (Beitrag 53 Euro im Monat) und Dent-ZE100 der Halleschen (Beitrag 18 Euro im Monat) wurden von „Finanztest“ beide mit „sehr gut“ bewertet. „Für den Leser sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob es sich hierbei um gleichwertige Tarife handelt – mit großem Preisunterschied. Dabei sind die Leistungen überhaupt nicht vergleichbar. Denn der Tarif der Halleschen erstattet lediglich für Zahnersatz, nämlich für Inlays, Kronen, Brücken, Prothesen, Implantate inklusive Knochenaufbau“, erklärt Pollmeier. Diese ausschließlichen Zahnersatzmaßnahmen sind inklusive der Vorleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu 100 Prozent versichert.

Große Tarifsprünge bleiben unberücksichtigt

Das gilt jedoch nur sofern der Versicherte ein über die letzten fünf Jahre gepflegtes Vorsorgeheft nachweisen kann. Ist dies nicht vorhanden, erstattet der Tarif der Halleschen lediglich 90 Prozent. „Die Tarifsprünge sind dabei relativ hoch. So zahlt der im Test maßgebliche 43-jährige 18,40 Euro, ein 44-jähriger zahlt jedoch bereits 28,40 Euro“, erläutert Pollmeier.

Der Tarif der ARAG erstattet für Leistungen bei Zahnersatz zwar im gleichen Prozentverhältnis wie die Hallesche. Darüber hinaus zahlt der Tarif der ARAG jedoch 100 Euro für die professionelle Zahnreinigung, für Füllungen sowie Zahnfleisch- und Wurzelbehandlungen, bei denen die GKV je nach Befund und Behandlung keine Zuzahlung leistet. Kieferorthopädische Maßnahmen sind im ARAG-Tarif ebenso versichert wie ein professionelles Bleaching beim Zahnarzt für 300 Euro, welches alle zwei Jahre erstattet wird.

Bis zu 30 Prozent Abstriche aufgrund von Laborkosten

Beide Tarife in einen Topf zu werfen und gleichwertig zu bewerten, hält Pollmeier für irreführend. Besonders ärgerlich sei zudem, dass Tarife mit einem Laborkostenkatalog undifferenziert im Vergleich auftauchten. „Ein Laborkostenkatalog führt in der Praxis dazu, dass ein Patient, der zum Beispiel eine 90-prozentige Erstattung inklusive GKV bei Zahnersatz erwartet, die Abstriche im Bereich der Laborleistungen selber zahlen muss. Das kann schnell 15 bis 30 Prozent der Gesamtrechnung ausmachen“, betont der Experte. So sind die Tarife von Hanse Merkur und der Huk, die ein solche Preis-Leistungsverzeichnis bei Laborkosten aufweisen, im Ranking dennoch bei den bestbewerteten Angeboten aufgeführt.

Pollmeier rät daher, sich nicht auf Testergebnisse zu verlassen, sondern vor Abschluss einer privaten Zahnzusatzversicherung ein Telefonat mit einem unabhängigen Experten für Zahnzusatzversicherungen zu führen und dabei drei wesentliche Fragen zu beantworten:  1. Was brauche ich überhaupt? All inclusive oder einen ganz einfachen Tarif? 2. Wie sieht der Befund aus? Fehlen zum Beispiel Zähne? 3. Was kann ich mir finanziell leisten? Daraus ergibt sich dann der passende Tarif.

Spätere Wechsel des Tarifs sind insbesondere bei Tarifen mit Altersrückstellungen, die Beitragssteigerungen im Alter auffangen, ungünstig und mit Verlusten verbunden. „Davon gibt es tatsächlich aber nur sehr wenige“, sagt Pollmeier. „Viele der über 17 Millionen vorhandenen Zahnzusatzverträge wurden jedoch nicht unter Berücksichtigung der drei oben genannten Punkte ausgewählt. Auch wenn ein Wechsel eines vorhandenen Vertrages oft mit neuen Gesundheitsfragen und einer neuen Zahnstaffel verbunden ist, es lohnt sich dennoch, auch seine Zahnzusatzversicherung einmal prüfen zu lassen.“

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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