Online-Kundenberatung ist inzwischen häufig Normalität - sie ist ressourcenschonend und passt in fast jede Alltagssituation der Kunden. Gleiches sollte für nachhaltige Investmentthemen, denn Nachhaltigkeit konkurriert längst nicht mehr mit Themen wie Sicherheit oder Rendite. © Pexels.com/ ketut-subiyanto
  • Von Oliver Lepold
  • 06.06.2023 um 12:10
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Wie wird sich das Thema Nachhaltigkeit weiterentwickeln und wie stehen Versicherungs- und Finanzberatungskunden dazu? Pfefferminzia hat dazu bei Franklin Templeton und MLP nachgefasst.

Die Europäische Union meint es sehr ernst mit ESG. Das lässt sich allein aus der aktuellen politischen Weichenstellung erkennen. So stehen im Haushalt der EU bis 2027 satte 1,9 Billionen Euro für ESG und Digitales zur Verfügung. „Das ist Teil der Green-Deal-Initiative ‚Fit for 55‘, denn bis 2030 will die EU die Netto-Treibhausgas-Emissionen um mindestens 55 Prozent senken“, erläutert Martin Stenger, Vertriebsdirektor bei der Fondsgesellschaft Franklin Templeton.

Damit antwortet Europa auch auf die Pläne der USA. Denn dort hat US-Präsident Joe Biden vor den Midterm-Wahlen 2022 ein großes Paket zur Inflationseindämmung und -bekämpfung verabschiedet. „Dort sind knapp 700 Milliarden Dollar für den Klimaschutz enthalten. Das führt bereits dazu, dass aggressiv Subventionen geboten werden, um ESG-Technologien aus Europa in die USA zu locken“, weiß Stenger.

ESG bald der Normalzustand

Diese riesigen Zahlungsströme verdeutlichen, dass in wenigen Jahren Nicht-ESG-Investitionen die Ausnahme darstellen werden. Hinzu kommt eine bisher noch wenig beachtete Neuerung: Im Dezember vergangenen Jahres wurde mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ein CO2-Preis für jede Wertschöpfungskette eingeführt. Dazu gehört auch ein CO2-Zoll für Produkte aus dem EU-Ausland, die nicht CO2-optimiert sind.

„Die Wissenschaft hat dies schon seit Jahren gefordert, Produzenten können sich dem Thema nun nicht mehr entziehen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen“, sagt Stenger und nennt einen weiteren Meilenstein: Die freien Zertifikate, die es bisher für Firmen wie zum Beispiel RWE oder BASF gab, werden bis 2027 abgebaut. „Das Spiel wird nochmal ganz neu gemischt, ich verspreche mir viele Neuerungen im europäischen Kontext. Europa wird danach streben, der Exportführer für neue Technologien zu werden, mit denen das alles umgesetzt werden kann“, so der Experte von Franklin Templeton.

Kunden sind bereit für nachhaltige Produkte

Nachhaltige Kapitalanlage und Vorsorge wird dann der Normalzustand sein. Daher tun Beratende gut daran, sich bereits heute intensiv damit zu beschäftigen. Denn die Kunden scheinen in vielen Fällen schon bereit dafür zu sein. „Nachhaltigkeit ist kein konkurrierendes Anlagethema im Vergleich zu Sicherheit oder zur Rendite“, sagt Miriam Michelsen, Leiterin Vorsorge und Krankenversicherung bei MLP. „Je jünger die Kunden sind, desto eher sehen sie das bereits so. Wir raten dazu, das Thema Nachhaltigkeit frühzeitig im Beratungsprozess zu adressieren – und zwar ohne moralischen Zeigefinger“, so Michelsen. Es gehe darum, transparent und objektiv mit dem Kunden zu sprechen, herauszufinden, was ihm wichtig ist und darauf basierend aufzuzeigen, was in der Anlage empfehlenswert ist und was nicht.

„Viele unserer Beraterinnen und Berater sprechen dabei auch über ihre eigenen Einstellungen zur Nachhaltigkeit und die ESG-Grundsätze von MLP“, sagt Michelsen zu den Anknüpfungspunkten. Eine jüngst durchgeführte Kundenexploration habe zwar ergeben, dass kaum jemand zu 100 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren möchte, als Beimischung seien diese jedoch sehr gefragt. Ferner lehnen lediglich 31 Prozent der befragten Kunden die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ab. „Viele warten bereits darauf, dass das Thema zur Sprache kommt. Sie sind interessiert, suchen angesichts der Komplexität des Themas jedoch nach Orientierung und Halt“, so die MLP-Expertin. Dass es aktuell noch an Daten und Transparenz bezüglich ESG bei einigen Produktsparten mangelt, werde von den Kunden bei entsprechender Aufklärung auch verstanden.

Auch Versicherungsunternehmen müssen Farbe bekennen

Da MLP die bestehenden ESG-Siegel und Ratings für Versicherer nur bedingt aussagekräftig fand, wurde in Kooperation mit Assekurata ein eigenes Einstufungssystem entwickelt. Mittlerweile 60 Versicherer hat MLP einer Prüfung unterzogen, die Resultate werden den Beratenden für ihre Kundengespräche und zur Produktauswahl zur Verfügung gestellt. „Neben dem eigentlichen Produkt beleuchten wir auch den Versicherer selbst. Denn um wahrhaftig nachhaltig zu agieren, muss sich ein Unternehmen auch selbst umfassend dazu bekennen“, so Michelsen.

Ihr Fazit: Die Finanzbranche habe ihre große Bedeutung bei der Transformation der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit erkannt. Damit Kunden ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen können, seien Transparenz und Aufklärung besonders wichtig. Das wiederum bedinge eine hohe Beratungsqualität und entsprechende Anforderungen an die Weiterbildung der Berater.

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Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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