Tobias Hentze ist Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). © IW Köln
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  • 31.05.2021 um 16:09
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Künftig könnten vor allem Selbstständige doppelt Steuern zahlen, warnt der Bundesfinanzhof. Gleichzeitig wies das Gericht die Klagen zweier Rentner ab. Für die Regierung ist das Urteil damit nur vordergründig ein Erfolg – tatsächlich ist es ein Auftrag, endlich tätig zu werden. Ein Gastkommentar von Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

Aus ökonomischer Sicht ist die Sache im Grunde klar: Wenn während des Berufslebens nicht alle Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich absetzbar sind, die spätere Rentenzahlung aber voll besteuert wird, ist das nicht korrekt. Alle, die heute erwerbstätig sind und nach 2040 in Rente gehen, müssen nach aktueller Gesetzeslage doppelt Steuern zahlen: Einmal auf einen Teil ihrer Rentenbeiträge und später einmal auf ihre Rente.

Auch viele Rentner, die vor Kurzem in Rente gegangen sind oder bald in Rente gehen, können von einer Doppelbesteuerung betroffen sein. Der Bundesfinanzhof hat dieses Unrecht nun eingeräumt, auch wenn es die Klagen abgewiesen hat, da es in den zu entscheidenden Fällen keine Doppelbesteuerung gebe (Pfefferminzia berichtete).

Grundfreibetrag muss außen vor bleiben

Die Politik hat sich bisher damit herausgeredet, dass viele Rentner faktisch keine oder kaum Steuern zahlten und daher auch keine Doppelbesteuerung vorliegen könne. Entscheidend für diese Sichtweise ist der Grundfreibetrag, der als steuerfreies Existenzminimum jedem zusteht und nicht rentenspezifisch ist. Bei der Frage der Doppelbesteuerung der Rente muss der Grundfreibetrag außen vor bleiben. Das hat der Bundesfinanzhof nun bestätigt.

Politik degradiert sich selbst

Die Frage der Doppelbesteuerung der Rente erinnert fatal an die Diskussionen um die Erbschaftsteuer und die Grundsteuer vor einigen Jahren. Auch da blieb die Politik untätig, bis das geltende Recht von den obersten Richtern als verfassungswidrig eingestuft wurde. Statt zu agieren, degradiert sich die Politik selbst – zum Reagieren.

Dabei gibt es diverse Lösungsansätze: Der Gesetzgeber könnte Doppelbesteuerung vermeiden, indem er den Anstieg des steuerpflichtigen Rentenanteils (derzeit 81 Prozent) von einem Prozentpunkt auf 0,5 Prozentpunkte pro Jahr verlangsamt und gleichzeitig ab sofort zulässt, dass die Rentenbeiträge steuerlich vollständig abgezogen werden dürfen. Bisher ist das nur zu 90 Prozent für das Jahr 2020 und zu 92 Prozent für das Jahr 2021 möglich.

Dadurch würde der Anpassungsprozess nicht unterbrochen, die Doppelbesteuerung aber zurückgedrängt und ab dem Jahr 2030 sogar weitgehend vermieden werden. Dass der Staat in der Folge weniger Steuern einnehmen würde, wäre nur logisch und gerecht. Von 2020 bis 2040 würden sich die Mindereinnahmen insgesamt auf schätzungsweise 90 Milliarden Euro belaufen.

Über den Autor

Tobias Hentze ist Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Weitere Hintergründe zur Person gibt es hier.

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