Tobias Strübing ist als Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte in Berlin tätig. © Wirth Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 16.06.2020 um 16:05
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Die Mannheimer Versicherung kündige aktuell Kunden in der Betriebsschließungsversicherung (BSV), die dem ausgehandelten 15-Prozent-Kompromiss-Angebot nicht zugestimmt hätten, „außerordentlich die Versicherungsverträge“. Diesen Vorwurf äußert Fachanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Warum er das für höchst problematisch und widersprüchlich halte, erklärt er in seinem Gastbeitrag.

Mit der Corona-Krise gerieten insbesondere unzählige Hotels und Restaurant aber auch Kitabetreiber, Handwerker, Ladenbetreiber und viele andere Gewerbebetriebe in existentielle finanzielle Not. Viele hatten für diesen Fall mit einer Betriebsschließungsversicherung vorgesorgt.

Bekanntermaßen lehnten jedoch viele Versicherer die Übernahme der Versicherungsleistung ab, unterbreiteten Zahlungsangebote, die in vielen Fällen inakzeptabel waren oder drohten mit der Kündigung der Versicherungspolice. Wirth-Rechtsanwälte bearbeitet inzwischen eine Vielzahl dieser Fälle.

Wie viele andere Versicherungsgesellschaften bot auch die Mannheimer Versicherung AG ihren Kunden bereits kurz nach den angeordneten Schließungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Zahlung von 15 Prozent der Versicherungsleistung an. Dies basierte auf dem sogenannten bayerischen Kompromiss, der zwischen der Bayerischen Landesregierung, einigen Versicherern und dem Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V. (Dehoga) Bayern abgeschlossen wurde.

Aktuell kündigt nun die Mannheimer Versicherung AG Kunden, die dem 15-Prozent-Angebot nicht zugestimmt haben, außerordentlich die Versicherungsverträge. Problematisch ist dabei unter anderem, dass die außerordentliche Kündigung den gesamten Versicherungsvertrag umfasst, der in vielen Fällen auch andere „Bausteine“, enthält. Einen genauen Kündigungsgrund nennt die Mannheimer nicht, sondern führt nur aus, dass sie die „Schadenmeldung (…) zum Anlass“ nimmt, nun die außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Damit kündigt sie den Versicherungsvertrag nach Paragraf 92 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Dieses Vorgehen der Mannheimer ist deswegen bemerkenswert, weil diese Vorschrift eine außerordentliche Kündigung nur bei Eintritt des Versicherungsfalls zulässt.

Während die Mannheimer also ursprünglich das 15-Prozent-„Kulanz“-Angebot noch mit dem Worten angeboten hat, dass eine „Entschädigung aus dem Versicherungsvertrag nicht gegeben“ sei, geht sie für die außerordentliche Kündigung gerade von einem „eingetretenen Versicherungsfall“ aus.

Das ist widersprüchliches und kundenschädigendes Verhalten und die Mannheimer muss sich vorhalten lassen, hier klar gegen das Gesetz zu verstoßen. Nach Paragraf 1 a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind Versicherer verpflichtet, gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichen Interesse zu handeln. Das ist hier nicht zu erkennen.

Rat an Vermittler

Die Mannheimer Versicherung AG bringt ihre Kunden und deren Versicherungsmakler damit in eine sehr schwierige Situation. Zwar steht zu erwarten, dass Gerichte zukünftig diese Kündigung als unwirksam ansehen werden. Die Kunden stehen jedoch vor dem Problem, dass die Mannheimer Versicherung AG, gestützt auf ihre außerordentliche Kündigung, zukünftig jeglichen Versicherungsschutz aus den Verträgen verweigern wird und müssen zur Vermeidung von Deckungslücken vorsorglich schnell reagieren.

Wir empfehlen Versicherungsvermittlern in diesen Fällen höchstvorsorglich, sich kurzfristig um einen neuen Versicherungsschutz für Ihre Kunden zu bemühen. Anderenfalls drohen Deckungslücken und damit auch Haftungsrisiken.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Mannheimer Versicherung AG am Dienstag um eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt gebeten. Wir berichten darüber, sobald uns diese vorliegt.

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