Claudia Behringer, Fachberaterin für Nachhaltiges Investment, Autorin und Integrale Coachin © Claudia Behringer
  • Von Oliver Lepold
  • 07.03.2023 um 11:05
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Claudia Behringer befreite sich selbst aus einer unverschuldeten Armutsfalle als alleinerziehende Mutter und berät heute Frauen zur finanziellen Unabhängigkeit. Pfefferminzia befragte die Expertin nach Wegen zu mehr Finanzbildung für Frauen.

Pfefferminzia: Laut aktuellen Studien sparen zwar viele Frauen, aber viel weniger trauen sich, das Geld am Kapitalmarkt anzulegen. Was hindert sie daran?

Claudia Behringer: Frauen sind insgesamt vorsichtiger und wollen die Vorgänge verstehen. Manche Berater schenken ihren Bedürfnissen in Bezug auf Sicherheit und Flexibilität zu wenig Aufmerksamkeit. Werden die Sachverhalte hingegen verständlich erklärt und Frauen haben das Gefühl, sie dürfen auch nochmal nachfragen, vermindert sich ihre Unsicherheit und das finanzielle Selbstbewusstsein steigt. Frauen wünschen sich einfachere Erklärungen der komplexen Sachverhalte. Sie wünschen sich ebenso ganzheitliche Beratung und nicht einfach den Verkauf spezieller Produkte.

Inwieweit sind Eltern- oder Teilzeitarbeit hinderlich, um Finanzkompetenz und Vermögen aufzubauen?

Viele Frauen leben heute noch das Rollenverhältnis und erkennen ihre Care-Leistung oft nicht an. Aus der Historie heraus haben sie das Gefühl, sie werden schon versorgt. Es wird viel verschoben, bis die Kinder aus dem Haus sind oder weil die Eltern noch gepflegt werden müssen. Berater sollten Frauen Mut machen, sich Finanzwissen anzueignen, so dass sie erkennen, dass es einfach ist, auf eigenen Füßen zu stehen. Dazu brauchen sie authentische Geschichten wie zum Beispiel meine. Ich bin durch Trennung und Krankheit aus extremer Sicherheit in die Armutsfalle geraten. Heute mache ich Frauen Mut, Geld als das zu sehen, was es ist: Ein Mittel zur Zielerreichung. Wenn sie die Konsequenzen ihres Nichthandelns kennenlernen, saugen sie Finanzwissen regelrecht auf und dann wachsen ihre Kompetenzen. Mit der Zeit macht ihnen die Finanzplanung sogar Freude und es wird selbstverständlich für sie, für ihre Ziele kurz-, mittel- und langfristig zu investieren.

Wie begegnen Sie diesen Hürden im Beratungsgespräch?

Für mich ist Finanzberatung auch Finanzcoaching. Ich betrachte die Situation der Kundin, schaue mir an, was sie sich für ihr Leben wünscht und stelle das in den Mittelpunkt der Beratung. Glaubenssätze à la „Ich habe nicht genügend Geld“ oder „Ich starte später“ werden ebenso hinterfragt wie das Konsumverhalten. Ein Kassensturz sowie ein Haushaltsplan zeigen unnötige Ausgaben auf und so können die Frauen in einen Sparplan für die Altersvorsorge investieren – statt in einen teuren Handyvertrag oder ein nicht gelesenes Magazin. Ein Gespräch mit dem Partner lohnt, wenn sie ihm klar macht, dass sie für ihre Care-Arbeit eine Entlohnung verdient hat. So sollten auf jeden Fall die bestehenden Verträge während der Eltern- und Teilzeitarbeit weiterlaufen und die Altersvorsorgelücke mit einem Sparplan bedacht werden. Ein Überblick über alle Verträge zeigt auf, ob die Frau eine Versorgungslücke hat, damit kann man arbeiten. Ich stelle auch den Zinseszins plakativ dar. Dabei erkennen die Frauen ihre Chance und können es nicht erwarten mit dem Vermögensaufbau zu starten.

Haben Sie ein Beispiel, wie Kundinnen Hemmnisse abbauen konnten?

Karin ist Mitte 30, und über ihren Rentenbescheid erschrocken. Wenn sie weiter so arbeitet wie bisher, wird sie 500 Euro Rente erhalten. Nach meiner Analyse ihrer Sparvorgänge mit einem neutralen Zinsrechner wird Karin klar, dass sie ihre Ziele so nicht erreichen kann. Auch nicht mit der irrigen Idee, das 3-prozentige Tagesgeld der Banco do Brasil zu nutzen. Sie versteht mit der Zeit, dass Inflation und Niedrigzins es nötig machen, sich mit Geldanlage näher zu beschäftigen und gewinnt an Sicherheit. Karin lernt, dass sie beruhigt langfristig investieren kann, wenn sie für schlechte Börsenzeiten genügend Geld auf der Bank hat. Wir starten mit einer ausgewogenen Strategie und 100 Euro monatlich. Damit erreicht sie ihr Ziel zwar noch nicht, aber Karin will jede Gehaltserhöhung für eine Erhöhung der Sparrate nutzen. Und sie spricht mit ihrem Mann, um den Ehegattensplittingvorteil für sich anzulegen.

Welche Maßnahmen könnten Frauen zu einem besseren Finanzwissen verhelfen?

In Deutschland gibt es weder ein Schulfach Finanzbildung noch breit angelegte Programme, weder für Frauen noch für Männer. Diese könnten aber dazu beitragen, sowohl Finanzentscheidungen Einzelner als auch die gesamtwirtschaftliche Stabilität zu verbessern. Da kann man nur an die Politiker appellieren. Bildungsträger, wie Volkshochschulen, weisen zwar auf die Gefahr der Teilzeitfalle hin. Aber die Frauen sind sich des Themas oftmals noch nicht so bewusst, weil sie es gern verdrängen, da Altersarmut negativ besetzt ist.

Zudem gibt es viele interessante Finanzbücher als Vorbereitung für eine Finanzplanung. Mein Buch „Frei und stark – warum Geld für Frauen wichtig ist“ zeigt beispielsweise auf, warum es sinnvoll ist, Verantwortung für das eigene Geld genauso wie für das übrige Leben, zu übernehmen.

Beate Sander ist hier mein großes Vorbild. Sie startete mit 59 Jahren an der Börse und starb mit 82 als mehrfache Millionärin. Bis zum Schluss hat sie unermüdlich VHS-Kurse gegeben, weil sie Frauen Mut machen wollte, sich für ein reiches Leben finanziell zu bilden. Auch mein Ansatz ist: Ein Leben in Fülle und Unabhängigkeit. Es ist nie zu spät, das Leben in die Hand zu nehmen!

Mehr zu Claudia Behringer: https://www.claudiabehringer.de

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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