- Von Andreas Harms
- 11.11.2025 um 15:55
Der Versicherungsmathematiker und ehemalige Chef des Bundes der Versicherten (BdV), Axel Kleinlein, in seiner gewohnt deutlichen Ausdrucksweise: „Dieses Gesetz ist eine massive Einschränkung von Verbraucherrechten insbesondere in Richtung der Verbraucherinformationen, wie ich sie in den ganzen 25 Jahren noch nicht erlebt habe.“
Wo hat er das gesagt? Der Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz befasste sich am Montag, 10. November 2025, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum „Gesetz der Änderung des Verbrauchervertrags- und der Versicherungsvertragsrechts (VVVR)“. Sieben Sachverständige kamen zu Wort. Und einer von ihnen war: Axel Kleinlein, heute beim Beratungsunternehmen Mathconcepts. Eingeladen hatte ihn die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vor allem zwei Punkte in dem geplanten Gesetz stören ihn ganz besonders. Erster Punkt ist Paragraf 7 Absatz 4 im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), den die Regierung ersatzlos streichen will.
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Zurzeit sieht der Paragraf vor, dass Versicherungsnehmer von ihrem Versicherer jederzeit kostenlos die Vertragsbestimmungen inklusive der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einer Urkunde bekommen können.
Und das soll nun nicht mehr möglich sein? Was das bedeuten könnte, schildert Kleinlein an einem ausgedachten Beispiel: Jemand hat in der Feuerversicherung Fahrlässigkeit mit eingeschlossen. Dann brennt in der Vorweihnachtszeit die Wohnung ab, und die Versicherungsunterlagen verbrennen mit. „Dann haben Sie keine Möglichkeit mehr, nachzuweisen, dass nach den Versicherungsbedingungen auch dieser Fall abgedeckt ist“, so Kleinlein.
Ähnliches gelte für jene, die vor 30 Jahren die Unterlagen als CD-Rom bekommen haben. Die sind nämlich nach so einem Zeitraum nicht zwangsläufig noch lesbar. Und Notebooks haben nicht einmal mehr die nötigen Laufwerke dafür. Dass man dann die Unterlagen nicht noch einmal gesetzlich unterfüttert anfordern kann, bezeichnet Kleinlein als Unding.
Und dann schlägt er den Bogen zu Verträgen, die mehrere Jahrzehnte laufen und sogar von Eltern auf die Kinder übergehen: Die geplante Frühstart-Rente. „Die Frühstart-Rente wird zum Rohrkrepierer, wenn die Kinder die Vertragsunterlagen später nicht mehr beim Versicherer nachfordern können“, warnt Kleinlein.
Zweiter Knackpunkt in Kleinleins Kritik ist die Widerrufsbelehrung. Bisher müssen Versicherer die Kunden über die Rechtsfolgen eines Widerrufs belehren. Das soll nun ebenfalls wegfallen. Kunden brauchen dann nur noch zu erfahren, dass sie überhaupt das Widerrufsrecht haben. Nicht mehr, was es bewirkt.
Außerdem soll das Widerrufsrecht laut Gesetzentwurf ein Jahr und 14 Tage und bei Lebensversicherungen spätestens zwei Jahre und 30 Tage nach Vertragsschluss automatisch enden (Paragrafen 8 und 152 VVG). Zumindest wenn der Kunde über das Recht belehrt wurde. Das sogenannte „ewige Widerrufsrecht“ gäbe es dann nicht mehr. Das entsteht nämlich immer dann, wenn der Versicherer fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt hat und Frist somit nie offiziell begonnen hat. Schon einige Verträge wurden deshalb nach langer Zeit rückabgewickelt.
Auch in dieser Hinsicht steht Kleinlein auf Seiten der Kunden und meint: „Die Regelungen seit 2008 haben sich bewährt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine nachweislich erfolgreiche Regelung nun massiv zu Lasten der Verbraucher eingeschränkt werden soll.“ Damit bezieht er sich darauf, dass das ewige Widerrufsrecht vor allem Altverträge betrifft, die noch nach dem alten VVG vor 2008 abgeschlossen wurden. „Angesichts des neuen VVG handelt es sich um ein aussterbendes Problem“, meint der Mathematiker.
Damit liegt er übrigens über Kreuz mit einem anderen Sachverständigen. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth begrüßt es ausdrücklich, dass das ewige Widerrufsrecht nun wegfällt. Insbesondere für Dauerverträge findet er so eine dauerhafte Widerrufsmöglichkeit wörtlich „indiskutabel“. Es stelle auch „die Reputation dieses Instruments ein Stück weit in Frage“, so Schmidt-Kessel.

















































































































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