Hans Joachim Karopka, Geschäftsführer von rheingold, einem auf qualitativ-psychologische Wirkungsforschung spezialisierten Marktforschungsinstitut. © Standard Life
  • Von Redaktion
  • 08.12.2014 um 10:29
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Warum ist für die Zielgruppe 50plus eine zunehmend differenzierte Ansprache notwendig? Hans Joachim Karopka, Geschäftsführer von rheingold, über das Management des Alterns und die junggebliebene Generation 50plus.

Herr Karopka, was macht die sogenannte Zielgruppe 50plus so interessant?

Einerseits die demografische Entwicklung. Die Menschen im Lebensalter von 50 Jahren und älter, kurz 50plus genannt, repräsentieren einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung. Dadurch wird diese Zielgruppe als Wirtschaftsfaktor immer interessanter. Andererseits ist es psychologisch sehr interessant zu beobachten, wie das Älterwerden in unserer heutigen Zeit erlebt und gestaltet wird. ‚Alt‘ sind dabei in der Wahrnehmung der Befragten erst einmal immer die anderen, egal, wie alt man selber ist.

Deshalb haben wir unsere zu diesem Thema erarbeitete Studie auch ‚Don’t call us seniors‘ genannt. Aber auch unter dem Aspekt der Marktforschung ist es interessant und sinnvoll, sich fokussiert mit den Menschen zu befassen, die vor Kurzem oder sehr bald ihr 50. Lebensjahr vollendet haben. Denn, was wir wissen, ist: Die in ihren früheren Jahren eingeübten Gewohnheiten, Vorlieben und Haltungen behalten diese Menschen lange und nachhaltig bei.

Was zeichnet denn die Generation 50plus aus?

Auf der einen Seite das – teils ungebrochene – Selbstverständnis, mitten im Leben zu stehen und auf der anderen Seite die Erfahrung, dass die ‚Einschläge immer näher kommen‘, wie es öfter heißt. Damit sind die Erfahrungen durch erste eigene körperliche Einschränkungen, Krankheit und mitunter sogar durch Tod von Gleichaltrigen im Freundes- und Bekanntenkreis gemeint. Menschen im Alter von 50 Jahren und älter bekommen ein erstes Gefühl für die Endlichkeit des eigenen Daseins und auch bei denjenigen, die sich selbst als Junggebliebene bezeichnen würden, gibt es Anzeichen von Verschleiß, Ermüdung und dementsprechend Bedarf nach Erleichterungen wie etwa unauffällige Hilfen oder Auszeiten.

Diese Zwickmühle versuchen immer mehr Menschen durch ein fast systematisches ‚Management des Alterns‘ emotional und körperlich in den Griff zu bekommen. Dabei wird oft ein regelrechter Maßnahmenkatalog umgesetzt und ein ungewöhnlich hoher Aufwand betrieben: Fitness und gesunde Ernährung, Kosmetik, Schönheitsoperationen und versteckte Prothetik, Interessen und Vorlieben, die sich von denen jüngerer Generationen kaum unterscheiden lassen, risikoreiche Extremsportarten und der erste Marathon. Mit all diesen Dingen möchte man sich selbst und anderen zeigen: Ich gehöre noch nicht zum alten Eisen.

Auf der anderen Seite gibt es in unserer aktuellen Kultur auch kein ‚Altershandicap‘ mehr, das ältere Menschen sich selbst zugestehen oder das ihnen von anderen eingeräumt wird. Es gelten in vielen Bereichen des Lebens zunehmend die gleichen Maßstäbe für alle Altersgruppen.

Wo sehen Sie hier noch weitere Unterschiede im Vergleich zu früher?

Anders als vor 30 oder 40 Jahren gibt es seit geraumer Zeit keine Vorbilder mehr, wie man ‚richtig‘ alt wird und welchen Platz im Leben man dann einnimmt. Alles scheint möglich. Dementsprechend lebten viele, auch ältere Menschen nach der Jahrtausendwende nach dem Motto ‚Carpe diem‘ oder ‚Durchhalten auf der Partymeile‘. Sie zeichneten sich durch eine sehr optimistische Grundhaltung und einen Habitus aus, der teilweise jugendlicher daherkam als der von Jugendlichen. Daneben gab es die Gruppe der ‚traditionellen Alten‘, die sich über das ‚zur Ruhe setzen‘ im mehrfachen Sinne des Wortes definierten.

Inzwischen zeigt sich ein differenzierteres Bild an Umgangsformen mit dem Altern: Neben dem Begreifen des Alters als reine Reduktion, also eine Art Aufgehen im Altersmodus, zeigen sich vor allem Tendenzen, das Alter am liebsten auszublenden. Das Motto ist hier: ‚Durchmarsch – möglichst ohne Abstriche‘ oder die demonstrative Hinwendung zu jugendlich anmutenden Themen und Aktivitäten. Das würden Psychologen wahrscheinlich in vielen Fällen als Überkompensation bezeichnen. Zunehmend beobachten wir auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit Lebensformen und -inhalten, die zum Alter passen und Perspektive bieten für ein langes erfülltes Leben – zum Beispiel Alten-WGs. Das ist originell, neu und anders – aber dem Alter gerecht.

Viele der heute 50- bis 60-Jährigen haben außerdem noch lebende Eltern oder Elternteile. Für sie tragen sie direkt oder indirekt Mitverantwortung, indem sie sie versorgen oder betreuen müssen. Dies führt – dank guter medizinischer Versorgung und anderer lebensverlängernder Umstände – dazu, dass man als heute ‚jüngerer Älterer‘ das Alter faktisch gleich zweimal erlebt und durchlebt – und dies nicht wie in früheren Zeiten hintereinander, sondern parallel und synchron. Mehrbelastung ist so programmiert, zumal die eigenen Eltern wie ein Spiegel wirken, der einem die Zukunft in 20 oder 30 Jahren zeigt.

Diese differenzierten Umgangsformen mit dem Thema Altern zeigen sich doch sicher auch im Konsumverhalten und in der Mediennutzung?

Insgesamt weiter zunehmen wird auch bei der Generation 50plus der Anteil an mündigen Konsumenten, die unter intensiver Nutzung des Internets sehr kritisch und wählerisch mit den vorhandenen Angeboten verfahren – etwa, indem sie laufend Preisvergleichseiten und Bewertungsportale besuchen und nutzen. Bei den neuen Medien findet sich das gesamte Spektrum von der pragmatischen Nutzung des Internets mit Shopping im Netz wie früher die Katalogbestellung bis hin zur totalen Digitalisierung bei den ‚Überkompensierern‘. Alle Optionen werden dabei genutzt. Viele Menschen aus der Altersgruppe 50plus wollen Vorreiter sein. Das Smartphone zum Beispiel ist Alltagsgerät und gleichzeitig Vorzeigeobjekt für sie geworden. Generell ist die Empfänglichkeit für werbliche Ansprache hoch.

Wie sieht es mit dem Thema Vorsorge bei dieser Altersgruppe aus?

Insgesamt finden wir bei den Mitgliedern der Gruppe 50plus zunehmende Sorgen und Unsicherheiten über die weitere Zukunft vor. Das betrifft Themen wie die Sicherheit der Renten, die Kosten für die Gesundheitsversorgung sowie das passende Domizil im Alter. Mit dieser unterschwellig immer vorhandenen Beunruhigung gehen die Betroffenen allerdings unterschiedlich um: Aktive und bewusste Vorsorge betreiben heißt, das ‚Problem Alter‘ zu akzeptieren. Vor diesem Eingeständnis verschließen aber viele die Augen. Sie warten trotz ihres voranschreitenden Alters lieber ab und zögern wichtige (Anlage-)Entscheidungen hinaus. In anderen Fällen wird Vorsorge betrieben, sie soll aber im Alltag keine allzu große Rolle übernehmen. Anders gesagt: Sie zählt sie nicht zu den wichtigen Themen bei den Betroffenen, die stets im Vordergrund stehen. Hier bedarf es häufig eines Anstoßes von außen, um sich mit dem Vorsorgethema auseinanderzusetzen.

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