Die Mitarbeiterin eines Pflegediesntes stützt einen Senior. © dpa/picture alliance
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  • 03.02.2017 um 08:46
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Auch wenn Pflegebedürftige sich über Betrug Pflegeleistungen erschleichen, dürfen Sozialämter die Sozialhilfe der Pflegebedürftigen nicht rückwirkend kürzen. Das hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Die Details gibt es hier.

Was ist geschehen?

Manche Pflegedienste hierzulande betrügen. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, Pflegeleistungen abzurechnen, die sie tatsächlich gar nicht erbracht haben. Komplizen dieser Pflegedienste sind neben den Ärzten auch Patienten. Denn sie quittieren dann erhaltene Leistungen, die sie gar nicht in Anspruch genommen haben. Zur Belohnung gibt es monatlich einen Anteil am Betrugserlös, auch Kick-Back-Zahlung genannt.

Nun ist es so, dass viele Pflegebedürftige nicht nur Sozialleistungen für die Pflege, sondern auch Sozialhilfe für den täglichen Lebensunterhalt bekommen. Diese wird aber grundsätzlich nur bei Bedürftigkeit gewährt, wenn Einkommen oder Vermögen also nicht ausreichen.

In den verhandelten Fällen hatten die Sozialämter vielen Pflegebedürftigen, die in den Kassenbüchern des Pflegedienstes genannt waren, die Sozialhilfe gestrichen. Ihre Begründung: Die Kick-Back-Zahlungen seien Einkommen nach Paragraf 82 SGB XII und verringerten daher den Anspruch auf Sozialhilfe. Außerdem forderten die Sozialämter eine Erstattung von den pflegebedürftigen Sozialhilfeempfängern, oft im fünfstelligen Bereich, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Die Urteile

Die Sozialhilfeempfänger klagten hiergegen und hatten zunächst keinen Erfolg damit. Das Sozialgericht Berlin stufte die Kick-Back-Zahlungen ebenfalls als Einkommen ein, das die Hilfebedürftigkeit der Sozialleistungsempfänger reduzierte (Aktenzeichen S 145 SO 1411/16 ER).

Das Landessozialgericht Berlin-Potsdam (23. Senat) aber gab den Pflegebedürftigen Recht. Die Sozialämter hätten die „sofortige Vollziehung“ ihrer Bescheide nicht anordnen dürfen. Die Richter entschieden, dass Kick-Back-Zahlungen als Gewinne aus begangenen Straftaten kein Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts darstellten (Beschluss L 23 SO 327/16 B ER, rechtskräftig).

Ein solcher Zufluss an Geld stamme aus einem gemeinschaftlich begangenen Betrug und sei von vornherein mit einer Rückzahlungspflicht belastet. Eine Behörde könne nicht verlangen, Einkünfte aus strafbaren Handlungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts einzusetzen, um so den Anspruch auf staatliche Sozialleistungen zu mindern, heißt es weiter.

Der 15. Senat des LSG Berlin-Potsdam wiederum sah den Erhalt von Kick-Back-Zahlungen nicht als ausreichend bewiesen an. Nur der Eintrag ins Kassenbuch des Pflegedienstes spreche hierfür. Das heiße aber nicht, dass die Person Pflegeleistungen in einem geringeren Umfang als mit der Pflegekasse abgerechnet erhalten habe.

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