Verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Apotheke: Kosten laufen aus dem Ruder © picture alliance/dpa | Carsten Koall
  • Von Andreas Harms
  • 12.12.2025 um 16:17
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 01:25 Min

Dem AOK-Bundesverband reicht es. Nachdem er im Jahr 2024 Rekordsummen für Arzneien verzeichnet hat, verlangt er Maßnahmen. Denn Pharma-Strategien wie die „Orphanisierung“ sind für die Kassen wirklich teuer.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat im Jahr 2024 so viel Geld für Arzneimittel ausgegeben wie nie zuvor. Ganze 59,3 Milliarden Euro blätterte sie dafür auf Apotheken- und andere Tische. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Zuwachs um rund 10 Prozent, teilt der AOK-Bundesverband im Rahmen seines aktuellen „Arzneimittel-Kompass 2025“ mit.

Darin verdeutlicht er, dass vor allem strukturelle Änderungen die Preise treiben. So entfallen inzwischen 54 Prozent der Arzneimittelkosten auf patentgeschützte Produkte. Die bestehenden Instrumente zur Preisregulierung verfehlten zusehends ihre Wirkung, schimpft der Verband. Weshalb er weitere Maßnahmen verlangt, um Ausgaben zu begrenzen.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), das den Kompass mit herausgibt, findet, dass man das AMNOG-Verfahren weiterentwickeln sollte. Die Abkürzung steht für Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz. Es existiert seit 2011 und soll Preise bei neuartigen Arzneimitteln steuern. Neben dem Wert einer Arzneimitteltherapie berücksichtigt es auch die Kosten der pharmazeutischen Hersteller und Daten, wie Forschungs- und Entwicklungskosten öffentlich gefördert wurden.

Mehr zum ThemaMehr zum Thema

Doch das funktioniert offenbar nicht gut genug. Patentgeschützte Arzneimittel sorgten 2024 für 54 Prozent der Gesamtkosten, obwohl ihr Anteil an verordneten Tagesdosen nur 7 Prozent betrug.

WIdO-Chef Helmut Schröder erklärt: „Die Marktanalysen zeigen, dass die Steuerungswirkung einer frühen Nutzenbewertung und nachgelagerten Preisverhandlung nach dem AMNOG-Verfahren durch Umgehungsstrategien der pharmazeutischen Unternehmen ausgehöhlt wird. Dadurch kommt es wieder zunehmend zu einer Entkopplung zwischen Preis und therapeutischem Nutzen. So können selbst Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen hohe Erstattungsbeträge erzielen. Wer faire Medikamentenpreise will, muss den Wert mit den Kosten zusammenbringen – es ist an der Zeit, das AMNOG um einen kostenbasierten Ansatz zu erweitern.“

Eine Strategie der Pharma-Industrie ist die sogenannte Orphanisierung: Hersteller konzentrieren sich auf Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen. Dort brauchen sie bis zu einer Umsatzschwelle von 30 Millionen Euro den Nutzen nicht nachzuweisen. Sie umgehen damit das AMNOG-Verfahren, das den Zusatznutzen von Arzneimitteln als Grundlage nimmt, um den angemessenen Erstattungsbetrag zu ermitteln.

Von 42 neuen Medikamenten im Jahr 2024 sind 24 der Orphan-Taktik zuzuordnen. Die Arzneimittel belegen einen Versorgungsanteil von weniger als einem Promille, verursachen aber 14 Prozent der Gesamtkosten.

Schröder klar und deutlich: „Wir benötigen eine Reform des AMNOG und die Integration einer ökonomischen Bewertungskomponente, die Kosten und Nutzen klar in Relation setzt. Die Orientierung am Zusatznutzen im Vergleich zur bisherigen Therapie greift zu kurz.“

Den kompletten Arzneimittelkompass können Sie hier herunterladen.

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

pfefferminzia
Pfefferminzia Icon
login

Bitte loggen Sie sich ein.

Pfefferminzia Logo rgb