Frau beim Zahnarzt: Manche Ärzte rechnen gesetzliche Leistungen als Igel-Leistungen ab, so der Vorwurf des Verbraucherzentrale Bundesverbands. © picture alliance / imageBroker | Unai Huizi
  • Von Barbara Bocks
  • 23.09.2025 um 11:30
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Offenbar rechnen manche Ärzte Kassenleistungen als Selbstzahlerangebote ab. Das geht aus einer Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) hervor. Die Verbraucherschützer fordern hier nun strengere Regeln.

„Wer krank ist, benötigt Hilfe und kein Verkaufsgespräch. Bei individuellen Gesundheitsleistungen passiert aber mitunter genau das. Wenn Ärztinnen und Ärzte Kassenleistungen als Selbstzahlerangebote abrechnen, wird aus Versorgung Geschäft. Das darf nicht sein. Das Patientenwohl muss immer Vorrang vor finanziellen Interessen haben”, sagt Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege im Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).

Rückmeldungen aus dem Verbraucheraufruf

Wie kommt Moormann zu dieser Einschätzung? Die Marktbeobachtung des VZBV schaltete am 29. Februar 2024 einen Verbraucheraufruf auf der Webseite der Verbraucherzentralen. Bis zum 24. Juni 2025 gingen 583 Meldungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu sogenannten Selbstzahlerleistungen – den individuellen Gesundheitsleistungen (Igel) – ein.

Zwar ließen sich aus diesen Rückmeldungen keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit solcher Probleme in der Gesamtbevölkerung ziehen, meinen die Verbraucherschützer. Doch zeigten sich klare Tendenzen.

Worum es in den Meldungen geht

Viele Verbraucher berichteten, dass sie Kassenleistungen selbst bezahlen sollten. Gründe dafür waren zum Beispiel:

  • Praxen verfügten nicht über eine erforderliche Genehmigung, um die Leistungen mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abzurechnen.

  • Leistungen wurden von den Praxen als medizinisch nicht notwendig eingestuft.

So mussten Betroffene etwa privat dafür aufkommen, dass ihr Vitamin-D-Wert bestimmt wird, obwohl sie chronisch erkrankt waren und der Wert regelmäßig kontrolliert werden muss.

Auch aus der Gynäkologie gab es Rückmeldungen: Patientinnen sollten für Ultraschalluntersuchungen zahlen, obwohl sie Schmerzen hatten oder relevante Vorbefunde vorlagen. Ärzte begründeten die Zuzahlungen unter anderem damit, dass Krankenkassen Rückforderungen stellen könnten, wenn eine Praxis zu viele Leistungen abrechne.

So will der VZBV Patienten schützen

Um Patientinnen und Patienten besser zu schützen, fordern die Verbraucherschützer:

  • Klare Trennung von Sprechstunden: Selbstzahlerleistungen dürfen Ärzte nur in gesonderten Terminen anbieten – getrennt von GKV-Sprechstunden.

  • Verpflichtung zu Kassenleistungen: Vertragsärzte müssen genehmigungspflichtige Leistungen als Kassenleistung anbieten, wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Fortbildungen dürfen nicht absichtlich versäumt werden, um Leistungen privat abrechnen zu können.

  • Einheitlicher Mustervertrag: Für das Anbieten von Selbstzahlerleistungen sollen Praxen einen verbindlichen Muster-Behandlungsvertrag einführen. Alle Igel-Verkäufe sollen den Kassenärztlichen Vereinigungen gemeldet und veröffentlicht werden.

  • Verpflichtende Patienteninformation: Ärzte müssen standardisierte, evidenzbasierte Gesundheitsinformationen zu Igel-Angeboten aushändigen. Diese Informationen – etwa aus dem Igel-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund – sollen in die elektronische Patientenakte und die Praxissoftware integriert werden.

Reformbedarf beim Patientenrechtegesetz

„Werden gesetzliche Leistungen als Selbstzahlerleistungen deklariert und verkauft, ist das ein schwerwiegender Vertragsverstoß“, erklärt Moormann. Der Gesetzgeber müsse sicherstellen, dass gesetzlich Versicherte nicht aus finanziellen Gründen notwendige Leistungen vorenthalten bekommen.

Moormanns Fazit: „Es ist dringend an der Zeit, das Patientenrechtegesetz zu reformieren. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen solchen Verstößen konsequent nachgehen.“

Den ausführlichen Bericht des Verbraucherzentrale Bundesverbands lesen Sie hier.

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Barbara Bocks

Barbara Bocks ist seit 2011 als Journalistin im Wirtschafts- und Finanzbereich unterwegs. Seit Juli 2024 ist sie als Redakteurin bei der Pfefferminzia Medien GmbH angestellt.

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