- Von René Weihrauch
- 09.09.2025 um 10:14
Pfefferminzia: Herr Bull, in der Branche ist ein steigendes Kundeninteresse an einem Wechsel des PKV-Anbieters zu beobachten – was sind aus Ihrer Sicht die Gründe?
Boris Bull: Hauptgrund sind natürlich die Beitragserhöhungen. 2025 hatten zwei Drittel der privat Versicherten Anpassungen in Höhe von durchschnittlich 18 Prozent – eine Folge gestiegener Behandlungskosten, des Niedrigzinses der letzten Jahre, des medizinischen Fortschritts und steigender Lebenserwartung. Zumindest in meinem Kundenkreis – ich berate seit 15 Jahren Ärztinnen und Ärzte zur PKV– spielt aber auch das Thema Kundenservice eine immer größere Rolle. Zuletzt hatte ich einen Kunden, der rechtlich gegen seinen Versicherer vorgehen möchte, weil der bis zu sechs Monate für die Leistungsabrechnung braucht. Immer weniger Versicherte sind bereit, so etwas hinzunehmen. Viele erwägen dann schneller als früher einen PKV-Wechsel.
In welchen Fällen ist ein Anbieterwechsel denn tatsächlich sinnvoll – und wann reicht ein Tarifwechsel?
Bull: Zu einem Anbieterwechsel rate ich in der Regel zuallerletzt. Aus meiner Sicht ist ein Tarifwechsel, sei es mit oder ohne erneute Gesundheitsprüfung, immer vorzuziehen – weil einerseits die Altersrückstellungen erhalten bleiben und auch individuelle Beitragsentlastungstarife nicht verloren gehen…
… aber zumindest einen Teil der Rückstellungen kann ich bei einem PKV-Wechsel doch mitnehmen…
Bull: … richtig, aber nur auf Grundlage des Basistarifs, also auf GKV-Niveau. Das sind schätzungsweise um die 60 bis 70 Prozent. Und: Die Mitnahmemöglichkeit für Altersrückstellungen gilt nur für Verträge, die ab 2009 abgeschlossen wurden. Deshalb würde ich zumindest bei älteren Verträgen nur in den seltensten Fällen zu einem PKV-Wechsel raten.
Gibt es dennoch Fälle, in denen er sinnvoll ist? Und welche Rolle spielen dabei moderne Bausteine wie digitale Services, Auslandsschutz oder 100-prozentige Heilmittelerstattung?
Bull: Diese Dinge beeinflussen den Wechselwunsch definitiv. Das hängt auch damit zusammen, wie seriös der Kunde beim Vertragsabschluss beraten wurde. Aus meiner Sicht ist es falsch, eine PKV abzuschließen, um Beiträge zu sparen. Dann landet Kunde am Ende in einem Billigtarif und hat genau die erwähnten Einschränkungen bei Heilmitteln und anderen Leistungen. Als Beratungsansatz sollte immer der Aspekt der besseren Leistungen im Vordergrund stehen. Dazu gehören auch die von Ihnen angesprochenen digitalen Services. Gerade jüngeren Kunden ist wichtig, dass sie etwa Rechnungen ganz einfach über eine App einreichen können, um nur ein Beispiel zu nennen.

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PKV-Wechsel: Wann ist er sinnvoll? Was ist zu beachten?
Worauf achten Sie bei der Auswahl einer PKV – bei einem Wechsel von einer PKV zu einer anderen und beim Wechsel von der GKV in die PKV?
Bull: Da sind eigentlich bei beiden Varianten die gleichen Kriterien entscheidend. Vor allem sollte es sich um ein solventes Unternehmen handeln, das langfristig möglichst beitragsstabil arbeitet. Deshalb schaue ich mit zunächst die Unternehmenskennzahlen an, sprich: Eigenkapitalquote, Solvenzquote, die Frage, was ist mit Rückstellungen für Beitragsrückerstattung und so weiter. Erst im zweiten Schritt kommen die konkreten Wünsche des Kunden. Welche Leistungen sind ihm wichtig? Ein entscheidender Punkt betrifft dabei die Tarifstrukturen. Für den Kunden ist es immer unattraktiv, wenn ein Versicherer starre Tarife unterschiedlicher Leistungsstärke hat, also zum Beispiel Komfort, Premium und dann noch einen Supertarif. Interessanter sind Modultarife, mit denen man bausteinmäßig Elemente aus ambulanten, stationären und zahnmedizinischen Leistungen zusammensetzen kann. Vorteilhaft sind außerdem Tarife mit umfangreichen Optionsmöglichkeiten, die es erlauben, entsprechend dem Lebenslauf den Schutz ohne erneute Gesundheitsprüfung anzupassen. So ein Tarif ist vielleicht einen Tick teurer, aber langfristig dennoch zu empfehlen.
Was glauben Sie – welche Entwicklungen am PKV-Markt werden das Wechselinteresse in Zukunft beeinflussen?
Bull: Aus Sicht des Kunden wird es vermutlich aufgrund von Beitragssteigerungen noch häufiger zu einem Wechselwunsch kommen. Aber an notwendigen Anpassungen kommen wir aber nun mal nicht vorbei. Das Problem ist, dass Beiträge erst dann erhöht werden dürfen, wenn bestimmte auslösende Faktoren erfüllt sind. Deshalb gibt es oft über Jahre keine Erhöhungen und dann auf einmal einen Riesenschritt. Deshalb achte ich in der Beratung darauf, meinen Kunden zu vermitteln, dass sie bei einer guten Gesellschaft langfristig im Schnitt rund drei Prozent jährlich an Beitragserhöhungen einkalkulieren sollten, auch wenn diese in einzelnen Jahren deutlich abweichen können.

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