- Von Barbara Bocks
- 17.06.2025 um 16:01
Bei einer Mystery-Shopping-Aktion bei sechs Versicherern hat die Finanzaufsicht Bafin festgestellt: Bei Beratungsgesprächen zu Versicherungsprodukten ist noch deutlich Luft nach oben.
Zwischen März und Juni 2024 führten Testpersonen im Auftrag der Finanzaufsicht 72 Beratungsgespräche bei sechs Versicherungsunternehmen und deren Vertriebspartnern durch und schlossen Verträge über Versicherungsanlageprodukte ab. Die Verträge widerriefen die Tester nach der Beratung.
Ziel des Experiments war es, zu prüfen, ob die Vertreter die gesetzlichen Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten einhalten.

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Nur etwa die Hälfte dokumentierte, ob ein empfohlenes Produkt für die Testperson überhaupt geeignet war. Zudem waren die Beratungsdokumente häufig unübersichtlich, so das Ergebnis der Tester. Die Aufklärung zum Risikoniveau und zur empfohlenen Haltedauer bewerteten die Testpersonen hingegen positiv.
Zu wenige Informationen abgefragt
Vermittler sollten aus Sicht der Bafin Kundinnen und Kunden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragen und entsprechend beraten. Eigentlich. Doch beim Mystery-Shopping klappte das aus Sicht der Tester kaum: Die Vertreter fragten wichtige Informationen vielfach nicht oder nur oberflächlich ab.
Dazu zählen die folgenden Punkte:
- die bisherigen Erfahrungen mit Anlageprodukten,
- die finanzielle Situation,
- der Anlagezweck,
- die Anlagedauer,
- die Risikobereitschaft,
- der Liquiditätsbedarf und
- die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen.
Beratungsprotokolle zeigten deutliche Schwächen
Ein weiteres Problem sind die Diskrepanzen zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Testkunden und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen. So klafften die Angaben der Testpersonen und die Dokumentation in den Beratungsprotokollen oft auseinander.
In einigen Fällen widersprachen sich die Angaben sogar, etwa zur Risikoneigung. Zudem klärten die Vertriebler die Testpersonen häufig nicht ausreichend über das Thema Nachhaltigkeit auf, obwohl das eigentlich bei Versicherungsanlageprodukten Pflicht ist.
Auch bei den Beratungs- und Vertragsunterlagen entdeckten die Tester einige Mängel: Sie umfassten oft über 200 Seiten – in Einzelfällen sogar über 400. Die Unterlagen waren häufig unübersichtlich, teilweise irreführend. So war beispielsweise nicht immer klar, auf welches Angebot sich ein Basisinformationsblatt bezieht.
Pflichtinformationen erst nach Vertragsabschluss erhalten
Pflichtinformationen wie das Basisinformationsblatt, die Offenlegung zu Nachhaltigkeitsrisiken und die Beratungsdokumentation erhielten die Testkundinnen und -kunden in einigen Fällen erst nach Vertragserklärung – in einigen Fällen gar nicht.
Die Mehrheit der abgeschlossenen Verträge (68 von 72) in der Mystery-Shopping-Befragung waren Multi-Optionsprodukte. Sie bieten die Möglichkeit, einen Teil oder die gesamten Beiträge beispielsweise in verschiedene Investmentfonds zu investieren.
- Vier Verträge waren klassische Versicherungsanlageprodukte. Sie sehen keine spezifischen Anlagen für die Verträge vor. Stattdessen investiert der Versicherer die Beiträge in seine allgemeine Kapitalanlage. Insgesamt vereinbarten die Vermittler tendenziell längere Laufzeiten, als ursprünglich von den Testpersonen gewünscht.
- 53 der 72 abgeschlossenen Verträge enthielten Anlagekomponenten mit Nachhaltigkeitsmerkmalen. Die Hälfte der Testkäufer äußerte von sich aus Nachhaltigkeitspräferenzen.
Warum die Bafin nicht damit zufrieden war, wie die Vertriebler ihren Kunden die Rendite erklärt haben, und was die Aufsicht nach den Ergebnissen der Mystery-Shopping-Aktion als Nächstes vorhat, lesen Sie auf der zweiten Seite.

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