- Von Redaktion
- 20.10.2025 um 17:09
Was ist geschehen?
Ein ehemaliger Dachdeckergeselle hatte von seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seit 2015 eine monatliche Rente erhalten. Nachdem er eine Tätigkeit als Lagerarbeiter und später als Hausmeister aufgenommen hatte, stellte die BU-Versicherung im Jahr 2019 die Rentenzahlungen ein.
Die BU-Versicherung begründete ihre Entscheidung damit, dass die neuen Tätigkeiten der bisherigen Lebensstellung entsprächen und sie deswegen berechtigt sei, ihre Leistung wieder einzustellen. Der Versicherungsnehmer wehrte sich jedoch gerichtlich gegen diese Einstellung – mit Erfolg.

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Einstellmitteilung ohne nachvollziehbare Begründung unwirksam
In seinem Urteil vom 19. Juni 2025 (Aktenzeichen 4 U 537/23) sprach das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) dem Versicherungsnehmer die rückwirkende und auch die zukünftige Zahlung seiner Berufsunfähigkeitsrente zu.
Ausschlaggebend war unter anderem eine formell unzureichende Einstellmitteilung des Versicherers, die nicht den Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung gemäß Paragraf 9 Absatz 4 der maßgeblichen Versicherungsbedingungen (AVB-BUZ) genügte.
Diese Vertragsklausel lautet wörtlich:
Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen (…) stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir der anspruchsberechtigten Person unter Hinweis auf ihre Rechte aus Paragraf 8 mit; sie wird jedoch nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung wirksam, frühestens jedoch mit der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode.
Im vorliegenden Fall wurde der Dachdecker außergerichtlich auf die Tätigkeit als Lagerarbeiter verwiesen und gerichtlich noch ergänzend auf die Tätigkeit als Hausmeister. Während die BU-Versicherung außergerichtlich zumindest eine formal ausreichende mit der erforderlichen Vergleichsbetrachtung versehene Einstellungsmitteilung absetzte, fehlte es in der gerichtlichen Einstellungsmitteilung des Versicherers an einer transparenten und konkreten Darlegung, warum die ursprünglich anerkannte Berufsunfähigkeit entfallen sein sollte.
Das Gericht bewertete diese pauschale Begründung des Versicherers als unzureichend. Die Folge: Die Verweisung auf die Tätigkeit als Hausmeister war schon formal unwirksam, im Übrigen aber auch zusätzlich unbegründet.
Versicherer trägt die Beweislast im Nachprüfungsverfahren
Zu Tätigkeit als Lagerarbeiter stellte das Thüringer OLG in seinem Urteil zudem klar, dass auch im Nachprüfungsverfahren der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen einer konkreten Verweisung vorliegen.
Mit anderen Worten: Will der Versicherer den Versicherten auf eine andere zumutbare Tätigkeit verweisen, um die Leistung einzustellen, muss er im Detail nachweisen, dass der Versicherungsnehmer diese konkrete Tätigkeit tatsächlich ausüben kann und sie seiner Lebensstellung entspricht. Gelingt dieser Nachweis, wie im vorliegenden Fall zur Tätigkeit als Lagerarbeiter nicht, ist die Einstellung ebenfalls unwirksam. Denn hier konnte der Versicherungsnehmer nachweisen, dass seine qualifizierte Tätigkeit als Dachdecker nicht mit der eher einfachen Tätigkeit als Lagerarbeiter vergleichbar ist.
Fazit
Mit dieser Entscheidung stärkt das Thüringer Oberlandesgericht die Rechte der Versicherungsnehmer und zeigt, dass Versicherer im Nachprüfungsverfahren hohe Anforderungen an die Begründung einer Leistungseinstellung erfüllen müssen. Versicherungsnehmer, aber auch Versicherungsvermittler, die mit einer plötzlichen Einstellung der BU-Rente konfrontiert sind, sollten überprüfen, ob die Einstellungsmitteilung den in den Versicherungsbedingungen – etwa nach Paragraf 9 Absatz 4 AVB-BUZ – festgelegten Anforderungen formal aber auch inhaltlich gerecht wird.
Über den Autor
Tobias Strübing ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, Berlin.

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