- Von Redaktion
- 27.05.2014 um 11:04
Von David Desolneux
Demografisch gesprochen befinden wir uns mitten in einer Revolution. Heute beträgt der Anteil der älteren Bürger in den Industrieländern rund 20 Prozent. Bis 2040 wird diese Zahl auf durchschnittlich 30 Prozent steigen. Zum ersten Mal in der Geschichte wird es bald mehr Menschen im Alter von 65+ geben als Kinder unter 5 Jahren.
Viele Regierungen scheinen das erst jetzt zu erkennen – und dass ihre meist konservativen Ruhestandsstrategien in der Konsequenz voller Mängel sind.
Negativbeispiel Japan
Schauen wir uns Japan an, wo der Altersmedian bei 44 Jahren liegt. Die Bevölkerung, deren Lebenserwartung weltweit mit am höchsten und die Geburtenrate mit am niedrigsten ist, ergraut und schrumpft. Das ist jetzt schon eine enorme Belastung für die nationale Wirtschaft, und der Druck wird noch weiter zunehmen.
Angesichts der Größe der Bevölkerung im Rentenalter überrascht es nicht, dass der japanische Government Pension Investment Fund (GPIF) mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 900 Milliarden Euro der größte Pensionsfonds der Welt ist.
Das klingt vielleicht nach einer großen Menge Geld, dennoch hat der GPIF in der Vergangenheit eine ziemlich schlechte Anlagenrendite erzielt. Diese ist zudem völlig unzureichend, um den langfristigen Bedarf des Landes zu decken. Bis 2013 konzentrierten sich die Fondsmanager auf Kapitalerhalt und erzielten einen wenig nachhaltigen internen Zinsfuß von kaum mehr als 1,5 Prozent. Die Tatsache, dass der GPIF weiterhin mehr auszahlt als Beiträge eingehen, bringt ihn in eine prekäre Lage, die sich von Tag zu Tag verschlimmert.
Radikale Neuausrichtung muss sein
Japan ist bereits jetzt mit der demografischen Krise konfrontiert, die in 20 Jahren auch auf Europa warten dürfte, und befindet sich inmitten einer radikalen Neuausrichtung seiner nationalen Sparstrategie. Vielleicht ist es bald das erste Land der Welt, das die Idee von nationalem Kapitalerhalt zu Gunsten von Wertschöpfung aufgibt.
Bis Mitte vergangenen Jahres wurden zwei Drittel des Vermögens des GPIF in japanische Staatsanleihen investiert. Das mag vielleicht dabei helfen, die Staatsverschuldung zu finanzieren, allerdings wird diese Strategie zu einem langfristigen Kapitaldefizit führen, da die Bevölkerung weiterhin schnell altert und schrumpft.
Vor kurzem wurde die Gewichtung von Staatsanleihen im Portfolio des Pensionsfonds von 62 auf 55 Prozent reduziert, gleichzeitig wurde das Engagement bei Unternehmensanleihen und Aktien erhöht. Der Fonds hielt im vergangenen Quartal 17 Prozent seines Vermögens in inländischen Aktien, 15 Prozent in ausländischen Aktien und 11 Prozent in ausländischen Anleihen. Die GPIF-Manager scheinen auf den Rat zu hören, den der Investor und Milliardär George Soros Premierminister Shinzo Abe auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar in Davos gab: Beschleunigen Sie die Umorientierung der Strategie des öffentlichen Pensionsfonds in Richtung risikoreicherer Produkte.
Zweites Beispiel Frankreich
Vergleichen wir nun Japan mit Frankreich, einer weiteren schnell alternden Nation, deren Rentensystem unter Druck steht. Hier sind zurzeit nur 11 Prozent des Vermögens staatlicher Pensionsfonds in Aktien investiert. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Fondsmanager staatlicher französischer Pensionsfonds in einem inflationären Umfeld auf Kapitalerhalt konzentriert. Da Staatsanleihen relativ hohe Renditen abwarfen, zahlten sich diese Anlagen aus. Diese Zeiten sind vorbei.
In Frankreich, und in Europa im Allgemeinen, ist die Inflation mittlerweile verschwunden, und mit ihr die hohen Renditen. Die Renditen französischer Staatsanleihen – zum 1. April lagen sie bei 2,1 Prozent bei einer Laufzeit von zehn Jahren – reichen nicht länger aus, um den langfristigen Verpflichtungen nachzukommen.
Genauso wie in Japan können diese niedrigen Renditen den systemischen Bedarf einer alternden Bevölkerung schlichtweg nicht decken. Aus diesem Grund investieren französische Privatpersonen zunehmend in private Altersvorsorgesysteme nach dem Vorbild der amerikanischen „Individual Retirement Accounts“, die Steuervorteile für die Altersvorsorge bieten.
Anleger brauchen mehr Aktien und Unternehmensanleihen
Heute ist es nahezu unmöglich, eine nachhaltige Rendite mit herkömmlichen Anlageinstrumenten mit niedrigem Risiko zu erzielen. Für viele Privatpersonen und ganze Pensionspläne besteht die einzige Option nun darin, den Fokus auf Wertschöpfung zu richten – in der Regel über Unternehmensanleihen und Aktien.
Dennoch sind Aktien in den Augen europäischer Privatpersonen im Allgemeinen nicht das bevorzugte Mittel für langfristiges Sparen. Im Gegensatz zu den USA und zum Vereinigten Königreich haben nur wenige Europäer größeren Aktienbesitz. Dies liegt zum Teil daran, dass sie unter Annahme der staatlichen Fürsorge die Notwendigkeit zur selbstständigen Vorsorge lange nicht gesehen haben.
In den sieben größten Märkten für Pensionsfonds (USA, UK, Australien, Niederlande, Japan, Kanada und Schweiz) liegt das durchschnittliche Aktienengagement mittlerweile bei 47 Prozent. Von diesen Ländern verfolgen nur Japan, Kanada und die Schweiz weiterhin einen konservativeren Ansatz – dennoch liegt ihr durchschnittliches Aktienengagement bei 30 Prozent.
Die Manager dieser Fonds – mit Ausnahme derjenigen des GPIF – haben in den vergangenen Jahren den Stellenwert der Wertschöpfung zur Sicherung einer langfristigen Rentabilität erkannt. Angesichts der Tatsache, dass das von Pensionsfonds generierte Sparvermögen in vielen Ländern mittlerweile das BIP überschreitet, scheint sich diese Strategie auszuzahlen.
Die Zeit wird letztendlich zeigen, ob die Entwicklung von Kapitalerhalt hin zu Wertschöpfung von Erfolg gekrönt sein wird. In der Zwischenzeit tickt die globale demografische Uhr weiter.
Der Autor
David Desolneux ist Investmentchef bei KBL Richelieu, einem Unternehmen der KBL European Private Bankers mit Sitz in Paris.
Die in diesem Dokument enthaltenen Aussagen und Ansichten sind diejenigen des Autors zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels und können sich ändern. Dieser Artikel ist zudem allgemeiner Natur und stellt keine Rechts-, Wirtschafts-, Steuer- oder Anlageberatung dar.
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