Der Mitarbeiter einer Umwelt-Firma schleift asbestbelasteten Kleber von einem Boden ab: Per- und polyfluorierter Chemikalien könnten sich zu einem ähnlich großen Problem wie der Asbest-Skandal auswachsen. © picture alliance / dpa Themendienst | Markus Scholz
  • Von Sabine Groth
  • 26.03.2024 um 13:53
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Die Research-Abteilung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sieht mögliches Ungemach auf die Versicherungsbranche zukommen. In naher Zukunft könnten Schadenersatzforderungen wegen extrem langlebiger per- und polyfluorierter Chemikalien (PFAS) zu einer größeren finanziellen Belastung werden als der Asbest-Skandal.

Seit den 1950er-Jahren halten Fluor-Polymere (PFAS) Einzug in unseren Alltag. Für zahlreiche Produkte wie Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtungen, Textilien oder Auto- und Ski-Wachse werden die Kunststoffe genutzt. Aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit werden PFAS auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet.

Entsprechend problembehaftet ist aber ihre Entsorgung. Einige PFAS stehen zudem im Verdacht, schwere Krankheiten zu verursachen. Der Liebling der Industrie ist daher ein Dorn im Auge von Umwelt- und Verbraucherschützern und beschäftigt mittlerweile auch die Politik. Und: Die Kunststoffe könnten sich auch als ein teures Problem für die Versicherungsbranche erweisen.

Werner Schirmer, Versicherungsanalyst  bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sieht vor allem mögliche PFAS-Regressforderungen an US-Unternehmen. Inwiefern europäische Versicherer dadurch betroffen sein könnten, lasse sich derzeit schwer vorhersagen. Tendenziell sei das Risiko aber höher bei Unternehmen mit hohem Anteil an US-Geschäft und einem großen Anteil an Schaden- und Unfallversicherungen. Zudem sieht Schirmer größere Belastungen für Rückversicherer als für Erstversicherer.

Für Industrie- und Rückversicherer mit US-Geschäft könnte es teuer werden. Der Analyst verweist besonders auf Haftpflichtversicherungen für Firmen und die Sparten Arbeitsunfall („Workers Compensation“), Produktrückruf- und Managementhaftpflicht (D&O). „Das Risiko, dass PFAS höhere Versicherungsschäden verursacht als Asbest, scheint nicht unerheblich zu sein. In den USA haben seit den Asbest-Fällen allerdings einige Versicherer Ausschlussklauseln für Umweltverschmutzung in ihrer Firmenhaftpflicht”, erläutert Schirmer. Auch dies erschwere genaue Prognosen.

Neben Standard-Firmenhaftpflichtpolicen könnten Produkt- und Umwelthaftpflichtpolicen zur Deckung von Personen- und Sachschäden oder Dekontaminationskosten herangezogen werden. Diese Policen werden in den USA seit Jahrzehnten angeboten, teilweise mit Ausschlussklauseln.

Über 10 Milliarden Dollar Entschädigung

Schirmer vermutet, dass sich die Klagen von Endnutzern und Verbrauchern zum Hauptschauplatz im Kampf um Entschädigungen entwickeln: „Möglicherweise werden klagende Personen dabei Entschädigungen erstreiten, ohne dass sie bis dato konkrete Gesundheitsschäden erlitten haben – wie es auch bei Asbest-Fällen geschah. Auch andere Auswüchse im US-Haftpflichtsystem können nicht ausgeschlossen werden, etwa die überdurchschnittliche Steigerung von Schadensersatzzahlungen.“

Mitte 2023 hat sich der US-Konzern 3M in den USA in einem Vergleich dazu bereits erklärt, mehr als 10 Milliarden Dollar für die jahrzehntelange Wasserverunreinigung durch PFAS-belastete Feuerlöschschäume zu zahlen.

Schirmer vermutet, dass künftig auch kontinentaleuropäische Versicherer in ihren Firmenhaftpflichtverträgen PFAS ausschließen dürften, wie dies in den USA inzwischen verbreitet sei. Mit einer weitgreifenden Änderung der Vertragsgestaltung rechnet er allerdings erst, wenn die EU-Kommission ihr angekündigtes Verbot zahlreicher Kunststoffe umsetzt oder eine schwere Krankheit eindeutig auf den Kontakt mit dieser Stoffgruppe zurückgeführt werden kann.

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Sabine Groth

Sabine Groth schreibt seit über 20 Jahren schwerpunktmäßig über Geldanlage sowie weitere Finanz- und Wirtschaftsthemen, seit 2009 als freie Journalistin. Zu ihren Auftraggebern zählen vor allem Fachmagazine und -portale.

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