Alexander Siegmund, Experte für betriebliche Altersversorgung und Gründer von KPM Kölner Pensionsmanagement. © KPM Kölner Pensionsmanagement
  • Von Redaktion
  • 16.05.2025 um 10:57
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:05 Min

Die bAV gilt als zweite Säule der Altersvorsorge – doch kleine Betriebe bleiben oft außen vor. Was ihnen wirklich helfen würde? Weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit und echte Anreize. Rentenexperte Alexander Siegmund geht mit den aktuellen Pläne für Rente und Vorsorge hart ins Gericht und zeigt, was sich ändern muss.

„Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen.“ So lautet ein zentrales Versprechen des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD. Doch was nach Weitblick klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine Politik des Durchwurstelns. Die Stabilisierung des Rentenniveaus durch Steuerzuschüsse, neue Einzelmaßnahmen wie Aktiv- oder Frühstart-Rente und eine Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) „im Kleingedruckten“ – viel Stückwerk, wenig System.

Die Maßnahmen kosten Milliarden, verschieben dabei das Problem aber nur in die Zukunft. Das Rentenniveau soll bis 2031 bei 48 Prozent gesetzlich fixiert bleiben, obwohl Experten schon heute warnen, dass diese Haltelinie langfristig weder finanzierbar noch generationengerecht ist. Ab 2040 rechnet man mit zusätzlichen 32 Milliarden Euro jährlich – gedeckt durch Beitragssatzsteigerungen und massive Bundeszuschüsse. Ein nachhaltiges Konzept sieht anders aus.

Die bAV als nachhaltige zweite Säule? Nur auf dem Papier.

Dabei gäbe es längst einen stabilisierenden Hebel: die betriebliche Altersversorgung. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten hier enormes Potenzial. Doch der Koalitionsvertrag bleibt vage. Zwar ist von Digitalisierung, Transparenz und Portabilität die Rede – aber es fehlen konkrete Maßnahmen und Fristen. Eine klare Position zur umstrittenen Mindestbeitragsgarantie in beitragsorientierten Leistungszusagen? Fehlanzeige. Eine Reform des steuerlichen Rückstellungszinses nach Paragraf6aEStG? Nicht vorgesehen.

Dabei ist der Handlungsbedarf offensichtlich: Während in Großunternehmen rund 86 Prozent der Mitarbeitenden eine bAV nutzen, sind es bei Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten nur etwa 25 Prozent. Geringverdienende, Teilzeitkräfte oder Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen bleiben oft außen vor. Wichtige Maßnahmen – wie die Vereinfachung der Geringverdienerförderung, ein echtes Auto-Enrolment oder ein Rechtsanspruch auf bAV-Beratung werden zwar diskutiert, aber ob sie auch umgesetzt werden, bleibt nur abzuwarten.

Aktivrente: Guter Impuls mit unbeantworteten Anschlussfragen

Positiv hervorzuheben ist die geplante Einführung der Aktivrente ab 2026. Sie erlaubt es Rentnerinnen und Rentnern, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuzuverdienen – ein sinnvoller Anreiz für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Doch auch hier gilt folgender Grundsatz: Gut gedacht ist nicht gleich gut gemacht.

Der Bezug von Teilrenten führt zu einer Reduktion des steuerlichen Rentenfreibetrags – ein bürokratischer Stolperstein, der dringend reformiert werden muss. Zudem ist der Bezug der bAV bislang nur bei voller gesetzlicher Rente möglich. Wer im Rahmen der Aktivrente nur eine Teilrente bezieht, bleibt von der bAV ausgeschlossen. Paragraf 6 BetrAVG gehört dringend angepasst, um die bAV mit der Realität flexibler Erwerbsbiografien in Einklang zu bringen.

Was KMUs wirklich brauchen

Statt weiter über Bürokratieabbau zu philosophieren, braucht es endlich handfeste Maßnahmen:

  • Wegfall der Schriftformerfordernis in Paragraf 4d EStG und Paragraf 6a EStG
  • Beratungszuschüsse für KMUs, um Produktverkauf von nachhaltiger, echter Versorgung zu trennen
  • Rechtssicherheit bei der Mindestbeitragsgarantie (BOLZ) und der doppelten Verbeitragung in der Krankenversicherung
  • Gleichstellung aller fünf Durchführungswege bei der Förderung
  • Einführung eines staatlich begleiteten Auto-Enrolments mit Opt-Out, auch außerhalb tarifgebundener Unternehmen
Und die Gewerkschaften?

Das Sozialpartnermodell (SPM) wurde einst als große bAV-Innovation gefeiert. Doch bisher fehlt es an Umsetzung, Interesse und praktischer Relevanz – nicht zuletzt, weil es ausschließlich für tarifgebundene Unternehmen nutzbar ist. Die Politik will die Tarifbindung aufweichen, um das Modell zu verbreitern. Doch solange die reine Beitragszusage ohne Garantie bleibt, wird es für viele Beschäftigte unattraktiv bleiben. Wenn Gewerkschaften Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen sie wieder stärker als Interessenvertretern ihrer Mitglieder in puncto Vorsorge auftreten – und nicht zu stummen Ermöglichern risikoaffiner Versicherungsprodukte, die die Mitarbeitenden nicht beziehen wollen.

Fazit: Der Lack ist ab

Die Rentenpolitik dieser Koalition trägt den Mantel der Stabilität, darunter jedoch bleibt es beim Status quo. Steuerfinanzierte Einzelmaßnahmen ersetzen keine echte Strukturreform. Ohne mutige Schritte bei der bAV, klare Rahmenbedingungen für KMUs und eine stärkere Verantwortung von Gewerkschaften bleibt Altersvorsorge in Deutschland ein Flickenteppich. Was es braucht, ist ein System, das mit dem demografischen Wandel wächst – nicht eines, das ihn bürokratisch und teuer verwaltet.

Über den Autor

Alexander Siegmund ist Experte für betriebliche Altersversorgung. Er ist Gründer und Geschäftsführer der KPM Kölner Pensionsmanagement GmbH und gestaltet seit über 25 Jahren die Branche mit – als Rentenberater, Betriebswirt bAV und Master of Pension Management.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

toggle icon
Pfefferminzia Logo rgb