- Von Andreas Harms
- 20.06.2025 um 15:36
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich mit der geplanten sogenannten Aktivrente befasst. Sie besagt, dass Rentner künftig bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei verdienen dürfen. Das soll Arbeitsmarkt und Rentenkasse entlasten, so der Plan der neuen Bundesregierung.
Aber geht der auf? Und wie gerecht und wie teuer wird das alles dann? In einer Studie auf Basis des Soziooekonomischen Panels (SOEP) hat das DIW einiges zusammengetragen.
Da wäre zunächst ein Aspekt, den auch schon das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bemerkte: Die Aktivrente wird Menschen nicht davon abbringen, vorzeitig in Rente zu gehen. Denn zwar soll sie sie dazu bringen, in der Rentenphase mehr zu arbeiten und hinzuzuverdienen. „Gleichzeitig wird der vorzeitige Erwerbsaustritt weiterhin gefördert, so etwa durch die vorgezogene abschlagsfreie Altersrente nach 45 Beitragsjahren oder durch steuer- und abgabenfreie Aufstockungen bei der Altersteilzeit. Das passt nicht zu den Zielen der Aktivrente“, erklärt Stefan Bach, Leiter der Studie.
Und ein zweiter Umstand ist nicht ganz unwichtig: Die Aktivrente hilft vor allem Besserverdienern. Wer ohnehin in der Rente nur gering hinzuverdient, hat sowieso keine oder nur eine niedrige Steuerlast zu schultern. Steuern sparen vor allem also jene, deren (Zusatz-)Gehälter höher liegen.

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Überhaupt sehen die DIW-Leute ein gewisses soziales Risiko. Denn nicht alle können in der Rente weiterarbeiten, selbst wenn sie wollten. Viele sind familiär eingebunden, weil sie zum Beispiel jemanden pflegen müssen. Andere können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitmischen – was ab 67 Jahren ja nicht allzu selten sein soll.
Und am Ende haben die arbeitenden Oldies meistens jüngere Kollegen. „Das birgt sozialen Sprengstoff – vor allem, wenn ältere Beschäftigte steuerlich stark begünstigt werden, während jüngere Erwerbstätige weiterhin voll belastet bleiben“, warnt Stefan Bach.
Stattdessen könnten andere Maßnahmen laut DIW eher dazu führen, dass Menschen in Rente weiter arbeiten gehen:
- bessere Weiterbildungsmöglichkeiten
- Ausbau der Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur
- gezielte Fachkräftezuwanderung
- höhere Arbeitsanreize etwa durch eine Reform des Ehegattensplittings
Solche Maßnahmen betreffen hauptsächlich den normalen Arbeitsmarkt. Sie könnten aber genau deshalb einen Gewohnheitseffekt erzeugen. „Denn Menschen, die bis zum Rentenalter gearbeitet haben, bleiben auch danach häufiger erwerbstätig als diejenigen, die schon früher aus dem Berufsleben ausgestiegen sind“, sagt Studienautor Johannes Geyer.
Ebenfalls so gar nicht für die Aktivrente erwärmen kann sich auch der Sozialverband VDK. „Die Ergebnisse des DIW bestätigen unsere Skepsis gegenüber der Aktivrente. Die übergroße Mehrheit der über die Regelaltersgrenze hinaus arbeitenden Menschen ist in Minijobs oder in Teilzeit tätig und würde von der Steuerentlastung überhaupt nicht profitieren“, schimpft VDK-Präsidentin Verena Bentele.
Lieber Grundfreibetrag für alle anheben
Sie warnt: „Die Förderung der fitten Seniorinnen und Senioren mit guten Einkommen und das Vergessen derjenigen, die aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund der Pflege von Angehörigen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können, verschärft die Spaltung zwischen den ärmeren und durch Sorgearbeit mehr geforderten Seniorinnen und Senioren einerseits und besser verdienenden Silver Agern andererseits.“
Aber was sollte man stattdessen tun? Laut VDK sollte man lieber den Grundfreibetrag für alle Erwerbstätigen anheben, um niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten. Damit die Menschen auch in der Rente noch arbeiten, sollten Arbeitgeber altersgerechte Arbeitsplätze, flexible Arbeitszeitmodelle und Qualifizierung sowie verpflichtende Weiterbildungen schaffen.
Um alles mal ein bisschen einordnen zu können, hat das DIW ein paar Zahlen parat. Leider nur von 2022, aber immerhin. Demnach sind rund 313.000 Menschen über 66 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Hinzu kommen mit 645.000 eine deutlich größere Zahl an Minijobbern und 272.000 Selbstständige.

Interessant für Finanzminister Lars Klingbeil von der SPD dürfte auch folgende Rechnung des DIW sein: Ändert sich am Arbeitsverhalten nichts weiter, lässt die Aktivrente die Steuereinnahmen um 770 Millionen Euro im Jahr sinken. Die Gewinnschwelle erreicht der Staat bei 75.000 Rentnern, die zusätzlich arbeiten gehen. Dann sorgen Sozialbeiträge und Steuern für einen Überschuss von 500 Millionen Euro. Nutzen hingegen 150.000 Menschen die Aktivrente, ergäbe sich ein kräftiges Plus von 1,8 Milliarden Euro. Im Jahr.

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