Schild vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Zulasten der Allianz Leben und zugunsten der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geurteilt © picture alliance/dpa | Uli Deck
  • Von Andreas Harms
  • 10.12.2025 um 16:13
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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Streit zugunsten der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geurteilt. Demnach durfte die Allianz Leben den Rentenfaktor in ihrer fondsgebundenen Riester-Rente nicht kürzen. Die Klausel ist unwirksam.

Ein Streit zwischen der Allianz Lebensversicherung und dem Verbraucherschutz hat nun sein Ende gefunden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Sinne der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geurteilt und eine Klausel in der fondsgebundenen Riester-Rente der Allianz für unwirksam erklärt (Aktenzeichen: IV ZR 34/25). Das Urteil ist rechtskräftig. Die Allianz Leben wolle es auswerten und „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen“, teilt sie mit.

Die Klausel hatte der Allianz Leben das Recht eingeräumt, den ursprünglich angesetzten Rentenfaktor zu kürzen. Und zwar dann, wenn sich Lebenserwartung oder Rendite der Kapitalanlagen dauerhaft ungünstig entwickeln. Denn dann könnte es schwierig oder gar zum Verlustbringer werden, die ursprünglich angesetzte lebenslange Rente zu zahlen. Die entsprechende Klausel hatte sie in fondsgebundenen Riester-Renten zwischen Juni und November 2006 verwendet.

Der Rentenfaktor bestimmt, wie viel Rente ein Kunde je 10.000 Euro angespartem Vermögen garantiert ausgezahlt bekommt (die tatsächliche Rente liegt wegen der Überschussbeteiligung höher).

Im konkret beklagten Fall legte die Allianz Leben 2006 für den Rentenfaktor einen Rechnungszins von 2,75 Prozent zugrunde – was einen Rentenfaktor von 38,74 Euro ergeben hätte. Später kürzte sie ihn in zwei Schritten auf 30,84 Euro, nutzte dabei einen Rechnungszins von 1,25 Prozent und berief sich auf die erwähnte Klausel.

Die Verbraucherschützer hatten gegen die Klausel geklagt. In der ersten Instanz hatte das Landgericht Stuttgart die Klage noch abgewiesen (53 O 214/22). In zweiter Instanz siegte die Verbraucherzentrale vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (2 U 143/23). Die Allianz Leben legte dagegen Revision vor dem BGH ein.

Wichtiger Zusatz fehlte

Das Oberlandesgericht in Stuttgart hatte bemängelt, dass ein wichtiger Zusatz fehlte. Nämlich, dass der Versicherer den Rentenfaktor wieder erhöhen muss, sobald sich die Umstände dauerhaft verbessern.

Die Revision wiesen die BGH-Richter „im Wesentlichen“ zurück. Warum nicht komplett? Weil die Verbraucherschützer auch verlangten, dass die Allianz Leben auch „inhaltsgleiche Bestimmungen in sonstiger Weise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ nicht mehr nutzen darf. Somit bezieht sich das Verbot ausschließlich auf die konkrete Klausel und inhaltsgleiche Klauseln.

Ansonsten sehen es auch die BGH-Richter so, dass die Klausel gegen Paragraf 308 Nummer 4 und Paragraf 307 Absatz 1 Satz im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verstößt. Sie benachteiligt also die Kunden unangemessen. Und sie ist ihnen auch nicht zuzumuten. Denn genau das fordern diese Paragrafen.

Eigentlicher Knackpunkt ist nicht unbedingt die Klausel

Zwar könne der Versicherer bei solch langlaufenden Verträgen es nicht immer vermeiden, dass die Kapitalerträge zu niedrig für die versprochene Leistung sind. Insofern verstehen die Richter das Problem des Versicherers.

„Unzumutbar ist das Anpassungsrecht aber, wenn der Versicherer – wie hier – nur zu einer Herabsetzung der versprochenen Leistung berechtigt und nicht zugleich im Fall einer nachträglichen Verbesserung der Umstände zu deren Wiederheraufsetzung verpflichtet ist“, so der BGH wörtlich.

Es ist also derselbe Knackpunkt, wie ihn auch schon das Gericht in Stuttgart bemängelte: Es fehlte die Klausel, nach der die Allianz Leben den Faktor wieder erhöhen muss. Die Senk-Klausel war damit gar nicht mal das eigentliche Problem.

Der BGH weiter: „Insoweit gilt das sogenannte Symmetriegebot. Es verpflichtet den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen der Umstände in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben.“

Hochsetz-Klausel nun mit enthalten

Das war offenbar auch der Allianz durchaus bewusst. Nur fehlte es in den Bedingungen. So teilt der Versicherer mit: „Die Möglichkeit zur Anpassung von Rentenfaktoren unter Treuhändervorbehalt wurde grundsätzlich bestätigt. Eine solche Anpassungsregelung ist nach dem Bundesgerichtshof jedoch nur zulässig, wenn die Versicherungsbedingungen sowohl die Möglichkeit zur Senkung als auch eine Verpflichtung zur Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors enthalten. Allianz Leben hatte den betroffenen Kundinnen und Kunden dieses Vorgehen in einem Schreiben zugesichert. Diese Zusicherung allein sieht der Bundesgerichtshof als nicht ausreichend an.“

Alle weiteren Verträge seit 2007 enthalten die geforderte Verpflichtung, den Rentenfaktor wieder heraufzusetzen, heißt es weiter von der Allianz. Außerdem weist sie darauf hin, dass sich der Rentenfaktor nicht auf Garantiezusagen auswirkt. Man stehe zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien.

Die Verbraucherschützer selbst und die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer sehen in dem Urteil ein Signal. Zahlreiche Lebensversicherer hätten vergleichbare Rentenfaktor-Klauseln verwendet, teilen sie mit. Teils auch in Verträgen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und in anderen privaten Rentenversicherungen.

Die Anwaltskanzlei teilt mit: „Der Rentenfaktor ist ein zentrales Leistungsversprechen der Versicherung und kein frei justierbarer Hebel, mit dem Versicherer Risiken einseitig auf die Kunden verlagern dürfen. Wer seine Rente über eine fondsgebundene Riester- oder andere Rentenversicherung aufgebaut hat, sollte jetzt prüfen lassen, ob die eigene Police von einer Rentenfaktor-Kürzung betroffen ist.“

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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