- Von Oliver Lepold
- 05.06.2025 um 16:57
Pfefferminzia: Verfügt die Zielgruppe 70plus in der Regel über langjährige Berater oder sind sie auch für neue Beratungsmandate offen?
Christian Schmeckmann: Ich bin 62 und mit meinen Kunden alt geworden. Das heißt, ich kenne meine über 70-jährigen Kunden in der Regel schon 30 Jahre lang. Wenn sie sich gut beraten fühlen, gibt es natürlich Empfehlungen. Ich berate viele Kundenkinder, erhalte aber auch Empfehlungen der gleichen Altersklasse. Ich gewinne also auch noch 70plus-Neukunden.
Lohnt es sich für Ruhestandsplaner, sich auf diese meist sehr vermögende Klientel zu spezialisieren? Oder ist 70 eher eine Teilmenge der Zielgruppe 50plus?
Schmeckmann: Die langjährige Begleitung von 70plus-Kunden – als Ansprechpartner für alle Finanzfragen besonders auch in der letzten Lebensphase – ist für Ruhestandsplaner sehr erfüllend. Die beiden Gruppen sind vergleichbar, aber die relevanten Themen unterscheiden sich je nach Lebensphase: Pflege und Todesfallabsicherung stehen bei Menschen 70plus mehr im Fokus. Im Rahmen einer ganzheitlichen Planung muss man diese Fragestellungen natürlich unabhängig vom Senioren-Alter stets berücksichtigen, etwa mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Das ist eine logische Konsequenz der Ruhestandsberatung. Ansonsten sind die 70plus-Kunden sehr treu, wenn sie einmal überzeugt sind. Und sie sind belesen, sie interessieren sich viel mehr für aktuelle Themen als die 70-Jährigen vor 20 Jahren.

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Gibt es Dinge, die Sie bei Ihren 70plus-Kunden noch überraschen?
Schmeckmann: Es kommt immer wieder vor, dass Kunden viel Bargeld im Haus haben, weil sie den Banken nicht vertrauen. Oder dass sie noch ganz verrückte Sachen machen, etwa zu einer Safari nach Namibia fliegen oder noch eine Wohnung kaufen. In einer guten Kundenbeziehung beichten Ihnen die Kunden aber alles. Im Prinzip ist der Ruhestandsplaner ein moderner Pastor.
Gibt es bei Ihren Neukunden Beratungsfehler, die sich erst im Alter von 70 bemerkbar machen?
Schmeckmann: In der Ruhestandsplanung hat man gewisse Leitplanken und verfügt immer über einen Plan A, Plan B, Plan C – je nachdem, ob beispielsweise Pflege- oder Todesfälle eintreten. In meiner Beratung habe ich alle Eventualitäten durchdacht und beim Kunden angesprochen. Bei neuen Kunden erkennen Sie natürlich die bereits erfolgte Planung. Eine wesentliche Frage ist dann fast immer die Kombination Eigenheim und mangelnde Liquidität. Dann wäre es oft sinnvoll, das zu große Haus zu verkaufen. Es gibt zum Beispiel auch Teilverkäufe, die mit einer Rentenzahlung einhergehen. Hier ist es oft schwierig, Emotionen und Vernunft vernünftig in Einklang bringen.
Wie verändert sich der Kapitalbedarf nach Renteneintritt in der Regel?
Schmeckmann: Von 65 bis 75 wird mehr Kapital benötigt, weil die „jungen Alten“ noch fit sind. Das wird in der Ruhestandsplanung oft unterschätzt. „Ohne Knete keine Fete“ sage ich häufiger in der Beratung, wenn mir Kunden erzählen, dass sie mit 2.000 Euro schon auskommen werden. Die Rentner kaufen E-Bikes, düsen durch die Gegend, machen Flusskreuzfahrten und andere Reisen, gönnen sich schöne Hotels oder spielen Golf. Das heißt, sie geben sogar mehr aus als in der letzten Phase ihrer Berufstätigkeit. Nach 75 wird es ruhiger, dann wird gern Geld für die Enkelkinder zum Beispiel fürs Studium oder den Führerschein beigesteuert. Der Kapitalbedarf geht zurück und wird am Ende eventuell wieder höher, wenn Themen wie Pflege akut werden, insbesondere wenn das nicht versicherungstechnisch geregelt wurde.
Welche Rolle spielt das Thema private Pflegeversicherung in der Ruhestandsplanung?
Schmeckmann: Das muss schon bei den 50-Jährigen aktiv angegangen werden, auch wenn für diese Kunden das Thema noch weit weg ist. Da bin ich als Ruhestandsplaner besonders gefragt. Häufig werden Kunden auch für die Problematik sensibilisiert, wenn sie mitbekommen, wie Bekannte aus Kostengründen Pflegeheim-Hopping machen müssen, weil sie Mühe haben, die nötigen 3.000 Euro aufzubringen. Wenn Sie erst mit 70 eine Pflegeabsicherung haben wollen, wird es sehr teuer oder es klappt nicht mehr. Ich habe aber auch Kunden, die das entspannt sehen, weil sie zehn Eigentumswohnungen haben. Die sagen, sie verkaufen einfach eine Wohnung, falls sie zum Pflegefall werden.
Wie verändert sich das Risikoprofil? Darf man mit 70 noch Risiko im Portfolio haben?
Schmeckmann: Ja, darf man, das Risiko ist niemals null. Da denke ich als Ruhestandsplaner in Intervallen: Was braucht der Kunde von 60 bis 65, von 65 bis 70, 70 bis 75 und so weiter. Je höher das Alter, desto geringer die Aktienquote, aber es sind immer noch Reserven da. Natürlich ist das auch eine Einstellungsfrage. Kunden, die überzeugt sind, wie Johannes Heesters über 100 Jahre alt zu werden, sind offener für die Anlage in Aktien oder Fonds. Und sie denken dann auch schon weiter Richtung Generationenberatung, Vermögensübergang und Vererbung.

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