So wie dieses Opel-Werk mussten während des Lockdowns viele Fabriken ihre Tore schließen. © picture alliance / HANS KLAUS TECHT
  • Von Achim Nixdorf
  • 07.10.2020 um 17:17
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Weniger Unfälle, mehr Cyber-Attacken: Auf diesen Nenner lassen sich die Ergebnisse einer neuen Studie der Allianz-Großkunden-Tochter AGCS bringen, die sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Versicherungsbranche beschäftigt. Der Versicherer selbst hat bislang 450 Millionen Euro für Corona-Schäden zurückgestellt.

Welche Rückschlüsse lassen sich aus der Corona-Pandemie für zukünftige Schadentrends in der Industrieversicherung ziehen? Antworten auf diese Frage versucht die aktuelle Studie „Covid-19 – Changing Claims Patterns” von Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) zu geben. Ein wichtiges Ergebnis: Während Schäden in der Sach- und Haftpflichtversicherung zurückgingen, erhöhten sich gleichzeitig die Cyberrisiken, was vor allen Dingen auf die Zunahme des mobilen Arbeitens zurückzuführen ist. Ein Trend, der sich nach Einschätzung der AGCS-Fachleute noch verstärken wird.

„Mit dem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten während des Lockdowns sind die traditionellen Sach- und Haftpflichtschäden für die AGCS zurückgegangen, vor allem im Luftfahrt- und Transportversicherungssektor, aber auch in vielen anderen Branchen“, heißt es in der Studie. Grund hierfür seien vor allem weniger Unfälle am Arbeitsplatz, auf den Straßen und im öffentlichen Raum gewesen. Auf der anderen Seite beobachte man steigende Cyber-Risiken, weil immer mehr Arbeitnehmer in schlecht gesicherten Heimbüros arbeiteten und dabei auf Firmennetzwerke zugriffen.

Langfristige Veränderungen

„Der Ausbruch des Coronavirus hat Risiken in einigen Bereichen verringert und gleichzeitig in anderen Bereichen verändert oder sogar erhöht. Die weitreichenden Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft, die durch die Pandemie herbeigeführt und beschleunigt wurden, werden bisherige Schadentrends in der Industrieversicherung langfristig verändern“, erwartet Dr. Thomas Sepp, der im AGCS-Vorstand den Schadenbereich verantwortet. „Die zunehmende Abhängigkeit von Technologien, die Verlagerung auf Telearbeit und Fernwartung, die Reduzierung von Flugreisen, der Ausbau von grüner Energie und Infrastruktur sowie eine Neuausrichtung der globalen Lieferketten werden die künftige Schadenentwicklung für Unternehmen und ihre Versicherer prägen.“

Hohe Ausfälle in der Event-Sparte

Die Schätzungen schwanken, aber die Branche wird nach Angaben der britischen Versicherungsbörse Lloyds im Jahr 2020 bis zu 110 Milliarden US-Dollar für Schäden im Zusammenhang mit der Pandemie zahlen müssen. AGCS selbst hat mehr als 450 Millionen Euro für Covid-19-Ansprüche reserviert, insbesondere für die Absage von Live-Veranstaltungen und die Unterbrechung von Film- oder Kinoproduktionen. „Wir haben in einigen Bereichen, wie etwa in der Veranstaltungs- und Filmbranche, einen deutlichen Anstieg an Schadenfällen registriert“, erklärt Philipp Cremer, globaler Schadenmanager der AGCS.

Weitere Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • Sachversicherung: Laut Studie war die Sachversicherung für Unternehmen durch Covid-19 „nicht signifikant von Schäden betroffen, da Ursachen wie Feuer oder Wetter nicht mit der Pandemie korrelieren.“ Das Hochfahren der Produktion nach einem Stillstand erhöhe jedoch das Risiko von Maschinenausfällen und -schäden und sogar von Bränden und Explosionen.
  • Betriebsunterbrechung: Die Pandemie hat sich nach Einschätzung des Versicherers auf unterschiedliche Weise auf Betriebsunterbrechungsschäden (BU) ausgewirkt. Einerseits würden Fabriken während eines Lockdowns keine großen BU-Schäden produzieren. Andererseits könnten Maßnahmen zur Pandemieeindämmung Betriebsunterbrechungen verlängern, da Zugangsbeschränkungen eine zügige Wiederinbetriebnahme verhinderten. Dabei seien BU-Schäden oft nicht versichert, „da kein physischer Schaden als Auslöser der Deckung vorliegt“.
  • Haftpflicht: AGCS hat bisher erst wenige Haftpflichtforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie registriert. Haftungsansprüche würden jedoch häufig erst zeitverzögert geltend gemacht, so dass allgemeine Haftungs- und Berufsunfallklagen im Zusammenhang mit Covid-19 noch eintreten könnten.
  • Directors & Officers (D&O)-Versicherung: Eine Welle von Insolvenzen stellt der Studie zufolge eine potenzielle Quelle für noch kommende D&O-Klagen dar. Die Pandemie könnte auch Rechtsstreitigkeiten gegen Unternehmen auslösen. So könnte dem Management vorgeworfen werden, das Unternehmen nicht angemessen auf das Risiko einer Pandemie oder generell auf einen längeren Zeitraum mit Einnahmeausfällen vorbereitet zu haben.
  • Luftfahrt-Versicherung: Aus der Luftfahrtindustrie wurden der AGCS bislang erst wenige Versicherungsschäden gemeldet. Das müsse jedoch nicht so bleiben. „Obwohl ein großer Teil der weltweiten Flugzeugflotte weiterhin am Boden ist, verschwinden die Schadensrisiken nicht einfach. Stattdessen verändern sie sich und können sogar neue Risikokumule schaffen“, sagt Jörg Ahrens, AGCS-Experte für Haftpflichtschäden weltweit. Beispielsweise könnten Flugzeuge, die in großer Zahl am Boden geparkt sind, Hurrikanen, Tornados oder Hagelstürmen ausgesetzt sein. Auch das Risiko von Rangier- oder Bodenvorfällen steige.
  • Digitale Schadenbearbeitung: Die Allianz-Tochter ist davon überzeugt: Covid-19 hat die Notwendigkeit einer Digitalisierung der Schadenbearbeitung verstärkt. „Noch vor ein paar Jahren waren die Prozesse in der Schadenbearbeitung meist manuell und papiergestützt, und viele Menschen hätten sich eine virtuelle Schadenbearbeitung nicht vorstellen können“, konstatiert Philipp Cremer. „Heute spielt die Technologie eine Schlüsselrolle.“

Wenn Sie die Studie aus dem Internet herunterladen wollen, dann klicken Sie bitte hier.

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Achim

Achim Nixdorf

Achim Nixdorf ist seit April 2019 Content- und Projekt-Manager bei Pfefferminzia. Davor arbeitete er als Tageszeitungs- und Zeitschriftenredakteur mit dem Fokus auf Verbraucher- und Ratgeberthemen.

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