Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende im GKV-Spitzenverband und Arbeitgebervertreterin: „Es geht hier nicht um Almosen oder Subventionen des Staates für die GKV“ © GKV-Spitzenverband
  • Von Andreas Harms
  • 01.12.2025 um 15:39
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Nach Worten folgen nun Taten: Der GKV-Spitzenverband reicht im Namen der Krankenkassen die ersten Klagen gegen den Bund ein. Es geht um die Gesundheitskosten von Bürgergeldbeziehern. Zuspruch bekommt der Verband von weiteren Kassenverbänden. Sie alle wollen nicht weniger als ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Der Kampf der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegen den Bund geht los. Er habe vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die ersten Klagen eingereicht, meldet der GKV-Spitzenverband. Weitere würden in den kommenden Tagen folgen.

Damit nimmt der juristische Krach zwischen Krankenkassen und Bund weitere Ausmaße an. Angekündigt hatte das der GKV-Verband bereits im September.

Klagegegenstand sind die seit Mitte November an die einzelnen Krankenkassen verschickten Bescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS). Darin geht es darum, was sie aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026 zugewiesen bekommen.

Grund ist der Umstand, dass die Krankenkassen die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehern sicherstellen sollen. Das tun sie zwar, verlangen aber, dass der Bund das alles bezahlt. Doch wie der Verband beklagt, übernimmt der Bund nur etwa ein Drittel der Kosten. Die anderen zwei Drittel belaufen sich auf etwa 10 Milliarden Euro im Jahr. Die soll der Bund nach Willen der GKV auch zahlen, tut es aber nicht. Der Verband weist darauf hin, dass das die Beiträge der Versicherten erhöht.

Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin, schimpft: „Es geht hier nicht um Almosen oder Subventionen des Staates für die GKV – umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat, der sich durch die nicht annähernd kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldbeziehende um rund 10 Milliarden Euro selbst entlastet und die GKV jedes Jahr auf diesem Betrag sitzen lässt. Das ist unfair den gesetzlich Versicherten und ihren Arbeitgebenden gegenüber und zudem wirtschaftspolitisch kontraproduktiv.“

Bundesverfassungsgericht soll urteilen

Die einzelnen Krankenkassen beauftragen nun den GKV-Spitzenverband, die Klage zu führen. Der Spitzenverband wiederum reicht in Auftrag und Namen dieser Kassen jeweils einzelne Klagen ein. Gegner ist immer die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BAS. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.

Und was wollen die Kassen erreichen? Das Bundesverfassungsgericht soll es für verfassungswidrig erklären, dass der Bund zu wenig Geld für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehern bereitstellt. Deshalb will der GKV-Spitzenverband vor dem Landessozialgericht eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht anregen. Damit würde das Landessozialgericht als Fachgericht die aktuelle Regelung für verfassungswidrig erklärt und das vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lässt.

Zuspruch bekommt der GKV-Spitzenverband von weiteren Interessenverbänden, zum Beispiel vom Verband der Innungskrankenkassen, IKK, der AOK-Gemeinschaft und dem Verband der Ersatzkassen (VDEK). Der IKK sieht das gesetzliche, verbriefte Recht der Finanzautonomie der GKV und das verfassungsrechtliche Gebot verletzt, Beiträge zweckzubinden. Eine höchstrichterliche Klärung sei deshalb dringend nötig, so der IKK.

Warum der Umweg über die Beitragsbescheide

Vorstandschef Peter Wollseifer dazu: „Mit der Klage senden wir ein klares Signal: Die Innungskrankenkassen wollen nicht weiter akzeptieren, dass Sozialbeiträge zweckentfremdet werden, um staatliche Aufgaben der Daseinsfürsorge zu finanzieren. Der Staat darf seine Aufgaben nicht dauerhaft bei den Arbeitgebern und ihren Beschäftigten abladen.“

Im Übrigen erklärt der IKK den Umweg über die Beitragsbescheide. Der sei nötig, weil die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht direkt eine Verfassungsklage einreichen können. Die Innungskrankenkassen setzten sich deshalb schon seit langem für erweiterte Klagerechte der Krankenkassen ein, heißt es.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, rechnet vor: „Da dieser Missstand schon seit über einem Jahrzehnt andauert, lässt sich das Volumen der zweckentfremdeten Mittel inzwischen auf weit über 100 Milliarden Euro beziffern.“

Und VDEK-Chefin Ulrike Elsner meint: „Ein wichtiger Schritt ist getan. Die Krankenkassen zeigen dem Bund gemeinsam die rote Karte.“

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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