- Von Andreas Harms
- 09.10.2025 um 16:12
Alle Eltern werden das kennen: Da redest du auf das Kind ein. Du säuselst, du argumentierst, du bringst jeden guten Grund. Und dann lässt es doch die Regenjacke am Haken baumeln und patscht draußen in Turnschuhen durch die Pfützen. Dann trieft die Nase, und dir liegt auf der Zunge: Hab ich’s dir doch gesagt!
An diese und noch mehr Szenen fühle ich mich erinnert, wenn ich lese, was der Koalitionsausschuss in Berlin beschlossen hat. In Bezug auf die Aktivrente. Rentner dürfen demnach bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen, wenn sie weiterarbeiten. Doch ausdrücklich ausgenommen sind „Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft“. Die bleiben steuerpflichtig.

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Können wir endlich mal ernsthaft über die Rente reden?
Die Begründung liest sich geradezu lächerlich. Es heißt nämlich im Referentenentwurf: „Außerdem arbeitet schon heute eine große Zahl von Selbständigen und Unternehmern nach dem Überschreiten der Regelarbeitsgrenze weiter. Dies zeigt, dass es aktuell keiner weiteren Anreize durch eine steuerliche Förderung bedarf, diesen Personenkreis zur Weiterarbeit zu bewegen.“ Und sinngemäß weiter: Weil das Geld knapp ist, darf man nur dort fördern, wo es nötig ist.
Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Begeben wir uns kurz zurück in die Kindheit: Alle Kinder, die keine Lust auf Hausaufgaben haben, kriegen also ein Eis als Bestech … ähem … Anreiz. Wer aber so blöd ist, sie freiwillig schon gemacht zu haben, kriegt keins. Selber Schuld.
Im Extremfall kann das dazu führen, dass ein angestellter Mitarbeiter in einem Unternehmen 2.000 Euro steuerfrei zur Rente hinzuverdient. Ein anderer arbeitet freiberuflich für dasselbe Unternehmen weiter und muss jeden Euro versteuern. Und alle anderen jüngeren Angestellten übrigens auch. Halten Sie mich für idealistisch, aber so richtig gerecht finde ich das nicht.
„Mach doch! Mach doch!“
Es ist nicht so, dass niemand auf die Absurdität hingewiesen hätte. Wofür haben wir schließlich die Lobby? Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) erklomm sofort die Barrikaden und jetzt auch der Votum-Verband. Und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) droht gar mit dem Grundgesetz, nämlich mit dem Gleichheitsgebot nach Artikel 3. Ein Argument, das offenbar nicht mal der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags (WD) richtig entkräften konnte.
Allein, es half nichts. Da konnten die Verbände noch so sehr argumentieren und gute Gründe bringen. Die Koalition will nichts ändern und die Aktivrente so durchboxen wie geplant. Ich bekomme dieses Bild nicht aus dem Kopf: Abgeordnete, die die Zunge rausstrecken und brüllen: „Mach doch! Mach doch!“
Ich kann nicht beurteilen, was im Koalitionsausschuss abgelaufen ist. Wer dafür und wer dagegen war. Aber von außen sieht der Beschluss enorm ignorant und dickköpfig aus. Als hätte da jemand seine eigene Realität.
Wie ich den BVK kenne, wird er seinem Einwurf Taten folgen lassen und vor Gericht ziehen. Es wäre ein Prozess mit Ansage und völlig überflüssig. Aber manchmal braucht man den, um die Regierung in die richtige Spur zu bringen.
Dann liegt mir auf der Zunge: Hab ich’s euch doch gesagt!

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