Stefan Schmitt ist Geschäftsführer von Inno Invest. © Inno Invest.
  • Von Redaktion
  • 11.12.2025 um 11:59
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Die deutschen Haftungsdächer stehen vor einem Bruch: Was einst als Schutzschirm galt, wird heute zum Hindernis für digitalen Fortschritt. Mit spürbaren Folgen für Effizienz, Beratung und Zukunftsfähigkeit. Was jetzt geschehen muss, schreibt Stefan Schmitt, Geschäftsführer von Inno Invest, in seinem Kommentar.

Die deutschen Haftungsdächer stehen an einem Wendepunkt. Jahrzehntelang galten sie als unverzichtbares Sicherheitsnetz für Vermittler und Berater. Heute drohen sie zum Bremsklotz des digitalen Wandels zu werden.

Während die Finanzbranche längst mit KI-gestützten Analysen, automatisierten Orderstrecken und papierlosen Prozessen arbeitet, verharren viele Haftungsdächer in Strukturen, die aus einer Zeit stammen, in der Faxgeräte modern waren.

Veraltete Prozesse stören Komplexität der Aufgaben

Der technologische Rückstand ist längst mehr als ein Ärgernis. Er ist zum Geschäftsrisiko geworden. Viele Haftungsdächer arbeiten weiterhin mit Prozessketten, die sich wie Relikte aus einer Vor-Digitalzeit anfühlen: Excel-Tabellen als zentrale Steuerungsinstrumente, manuelle Prüfschritte, fragmentierte Systeme. Die Konsequenz ist eine Infrastruktur, die Fehler begünstigt, Abläufe verlangsamt und die Kosten unnötig in die Höhe treibt.

Gleichzeitig wächst die regulatorische Komplexität in einem Tempo, das analoge Strukturen überfordert. Mifid-III-Debatten, neue Transparenzpflichten und ein strengeres Aufsichtsverständnis machen deutlich, dass der Kapitalmarkt digitale, automatisierte und revisionssichere Abläufe voraussetzt. Viele Haftungsdächer können diese Anforderungen schlicht nicht mehr erfüllen. Nicht aus mangelndem Willen, sondern weil ihre Systeme dafür nie ausgelegt waren.

Hinzu kommt ein kultureller Stillstand. Berater, die heute an ein Haftungsdach andocken, erwarten eine Plattform, die ihr Geschäft beschleunigt. Stattdessen stoßen sie auf Kontoeröffnungen mit Behördencharakter, papierlastige Geeignetheitserklärungen und Workflows, die historisch gewachsene Software-Welten zusammenflicken. Die Folgen sind spürbare Produktivitätsverluste, schrumpfende Margen und Berater, die sich bald neu orientieren.

Warum „weiter so“ keine Option ist

Längst ist klar, wohin sich ein Haftungsdach entwickeln muss, wenn es in Zukunft relevant bleiben will. Es darf sich nicht auf seine Rolle als juristische Hülle beschränken, sondern muss zu einer technologischen Plattform werden, die Beratung, Compliance und Abwicklung intelligent miteinander verzahnt. In solch einem System laufen Warnhinweise automatisch ein, Geeignetheitsprüfungen erfolgen im Hintergrund und die Dokumentation entsteht in Echtzeit. Für Berater bedeutet das eine Rückkehr zu ihrer eigentlichen Aufgabe: Kundengespräche, fachliche Einordnung, strategische Begleitung.

Dass dieser Wandel längst begonnen hat, zeigen einige Pioniere im Markt. Sie arbeiten mit vollständig digitalisierten Fondsvermittlungsstrecken, modernen Brokerage-Anbindungen und Beratungssoftware, die mithilfe künstlicher Intelligenz Risiken frühzeitig erkennt. Ihr Erfolg beweist, dass der Antrieb für Veränderung nicht in der Regulierung liegt, sondern in der ökonomischen Logik: Nur technologiegestützte Strukturen können steigende Komplexität bewältigen und gleichzeitig effizient bleiben.

Anpassung oder Bedeutungsverlust

Die Branche steht an einer Weggabelung. Einige Vermittler halten an Haftungsdächern fest, die versuchen, analoge Arbeitsweisen in die digitale Gegenwart hinüberzuretten. Aber dieses Modell verliert zunehmend an Überzeugungskraft. Andere orientieren sich bewusst an Plattformen, die technologische Entwicklung nicht als Zusatz, sondern als Fundament verstehen. Zwischen beiden Ansätzen öffnet sich eine Lücke, die sich in den kommenden Jahren weiter vergrößern wird.

Regulatorik wird datenintensiver, Beratung anspruchsvoller, Kunden ungeduldiger. Haftungsdächer, die diesen Wandel ignorieren, verlieren nicht schrittweise an Bedeutung. In einem Echtzeitmarkt werden sie unsichtbar. Die entscheidende Frage lautet daher längst nicht mehr, ob Haftungsdächer sich neu erfinden müssen, sondern wie viel Zeit ihnen dafür noch bleibt. Die Uhr tickt.

Über den Autor

Nach einer klassischen Bankkarriere wechselte Stefan Schmitt 2019 als Chief Operating Officer zu Inno Invest. Wenig später erhielt der die Lizenz, ein Wertpapierinstitut zu führen. Inno Invest, die von seinem Vater gegründete, traditionelle Vermögensverwaltung, entwickelte sich unter seiner Führung zur Wealth-Tech-Plattform für die eigene Vermögensverwaltung und zum Haftungsdach für externe Vermögensverwalter, Multi-Family-Offices und Anlageberater.

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