Olive Welke am vergangenen Freitag in der „Heute Show“. © Screenshot Youtube
  • Von Lorenz Klein
  • 29.03.2021 um 09:11
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 07:30 Min

Die ZDF-Satiresendung „Heute Show“ hat sich erneut an der deutschen Versicherungswirtschaft abgearbeitet. Wie schon im Mai 2020 ging es auch diesmal wieder um den Ärger in der Betriebsschließungsversicherung. Doch auch Versicherungsvermittler mussten derbe Scherze einstecken – die, na klar, alte Vorurteile bedienten.

Versicherungsmakler Klaus Hermann, der vielen seiner Kollegen auch als Kabarettist und Versicherungsentertainer bekannt ist, hat vor wenigen Tagen eine neue Satire-Sendung auf Youtube gestartet (hier geht es zur Premierensendung von „Hermann’s Blick“).

Mit dem neuen Format im Stil der „Heute Show“ wolle er jeden Monat „schonungslos den Finger in die Wunden der Assekuranz legen und gleichzeitig die schönen Seiten seiner Branchen beleuchten“, erklärte der Makler mit Sonderzulassung in der Fachsparte Humor. Man könnte auch sagen, Hermann ist die Versicherungsausgabe von Eckart von Hirschhausen – mit dem feinen Unterschied, dass es bei Hermann tatsächlich was zu lachen gibt.

Dass sich der Mann aus Münster am Stil der „Heute Show“ orientieren möchte, ist nachvollziehbar, denn die Show unter Leitung von Oliver Welke ist das weithin populärste Satire-TV-Format, das die Republik zu bieten hat.

Nach diesem Wochenende zeigt sich allerdings einmal mehr, dass die Sendung trotz (oder gerade wegen) toller Einschaltquoten nur bedingt zum Vorbild taugt, wenn es zum Beispiel um die Tiefe der Recherche geht. Denn diese reicht beim Original bisweilen (zum Beispiel hier) nur so weit, wie bis kürzlich das Wasser zwischen dem Rumpf der „Ever Given“ und dem Grund des Suez-Kanals – was schade ist, denn die Show kann in ihren besten Momenten Satire abliefern, die deshalb besticht, weil sich sonst keiner traut.

Steilvorlage für Satiriker

Nun ja. „Schonungslos den Finger in die Wunden der Assekuranz“ zu legen – diesen Gedanken hatten wohl auch die „Heute Show“-Macher als sie die jüngste Folge planten. Nur, dass Welke und Co. eben auch mal ganz gerne mit der ganzen Hand draufschlagen. Motto: Wenn das Blut spritzt, bekommt der Gebührenzahler was geboten. Tja, aber was soll man auch sagen? Die Querelen in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) sind für Satiriker natürlich reinstes „Comedy-Gold“ – für den Fußball-Kenner Oliver Welke die perfekte Steilvorlage, wenn man so will. Bereits im Mai 2020 griff die „Heute Show“-Redaktion das Thema auf (wir berichteten). Damals redete sich ein fiktiver Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) um Kopf und Kragen – dieses Mal mimte die Schauspielerin Valerie Niehaus eine heiter-überdrehte GDV-Vertreterin. Aber dazu kommen wir noch.

Allianz am Pranger

Die Not der Gastronomen ist bekanntlich immens – und zu Recht macht Moderator Oliver Welke zu Beginn seines satirischen Ausflugs in die Versicherungswelt auf die bittere Erkenntnis aufmerksam, wonach inzwischen jeder vierte Gastro-Betreiber ans Aufhören denke. „Viele Gastronomen haben zum Glück eine Betriebsschließungsversicherung“, sagt Welke. „Die zahlt, wenn der Staat zum Beispiel wegen einer Pandemie den Betrieb dicht macht, also theoretisch“, fährt er fort. Denn praktisch hätten viele Wirte „ihren Laden zu, aber den Kaffee auf“, weil sich ihr Versicherer weigere zu zahlen.

„Da bleiben den Betroffenen meist nur die Gerichte, der Klageweg“, so Welke. „Gerade letzte Woche hat ein Münchner Gericht zugunsten der Versicherung entschieden – leider. Andere Urteile – gar nicht wenige – geben aber den Gastronomen recht“, bedauert der Moderator.  

„Und die Pointe ist“, so der Show-Gastgeber weiter, „in vielen Versicherungsverträgen stehen sogar ganz explizit Sätze wie: ,Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes den versicherten Betrieb schließt‘. Und dann gibt es trotzdem oft kein Geld, weil – und jetzt kommt‘s: Covid 19 nicht explizit im Vertrag erwähnt wird“, so Welke, „aber wie denn auch? Das Virus gibt es ja erst seit kurzem“, echauffiert sich der Satiriker.

„Unter anderem der Branchenprimus Allianz zahlt wohl sehr ungern wegen Corona. Sehr ungern“, berichtet Welke. Die Allianz versuche nun, „wie viele andere Versicherer auch, Altverträge zu kündigen. Und die neuen decken dann eben keine Pandemie mehr ab – soviel zum Thema ,Allianz fürs Leben‘“, so der Moderator.

Hier hat die Show tatsächlich einen wunden Punkt getroffen. Dass sich die BSV-Versicherer auf breiter Front von Altverträgen lösen möchten, ist richtig beobachtet. Und auch, dass viele dieser neuen Verträge – etwa im Falle der Allianz – keine Pandemie mehr abdeckten. Der Markt ist hier allerdings deutlich vielfältiger als es die „Heute Show“ darstellt.

„Einige Versicherer, wie die Allianz, haben in den neuen Versicherungsbedingungen sehr weitgehende Ausschlüsse“, erläuterte Rechtsanwalt Norman Wirth bereits im Herbst 2020 die neue BSV-Policen-Landschaft (wir berichteten). Da werde bei Covid-19 nur zu 50 Prozent geleistet, Pandemien oder Epidemien seien grundsätzlich ausgeschlossen, so Wirth.

Beim Versicherer HDI etwa ziele hingegen der Leistungsausschluss vor allem auf die Allgemeinverfügung ab. Im Falle einer Einzelverfügung werde also bei den im Infektionsschutzgesetz zum Schadenszeitpunkt genannten Krankheiten geleistet, also auch bei Corona, stellte der Anwalt klar. Und auch HDI-Vorstand Wolfgang Hanssmann betonte im Interview mit Pfefferminzia: „Ein genereller Ausschluss von Pandemien oder Epidemien würde unserer Ansicht nach dem Sinn der BSV zuwiderlaufen.“ HDI gehörte dann auch zu jenen Versicherern, die zahlten – obwohl „hart getroffen“, waren das allein bis Mitte Juli 2020 mehr als 40 Millionen Euro, wie Hanssmann berichtete – und das letztlich aufgrund der von Welke zitierten Klausel, die sich in nicht eben wenigen Alt-Verträgen findet, so auch bei der Allianz.

Kein Geld für Wirte, aber für Aktionäre

Der Marktführer bekam diese Klausel dann auch von einigen Gerichten regelrecht um die Ohren gehauen. So herrschte etwa eine Richterin am Landgericht München die forsch auftretenden Allianz-Anwälte so an: „Passen Sie ein bisschen auf mit dem Bestreiten. Bestreiten ins Blaue hinein ist nicht zulässig.“ (wir berichteten). Am Ende einigte sich die Allianz im Verfahren mit den „Nockherberg“-Wirten auf einen Vergleich.

Weiter mit Welke: „Wobei, die Allianz hat es wahrscheinlich auch nicht so leicht in diesen Zeiten, oder?“ Es folgt ein kurzer Einspieler: „Bei seinen Aktionären dagegen zeigt sich das Unternehmen großzügig – schüttete im Corona Jahr 2020 eine Dividende von rund 4 Milliarden Euro aus.“ Welkes ironischer Kommentar: „Sie haben richtig gehört: Nur 4 Milliarden – verdammtes Corona.“

Und weiter: „Am Ende wird wohl erst der Bundesgerichtshof klären, ob die Gastronomie ihr Geld kriegen oder nicht. Bis dahin kann es aber noch sehr lange dauern und dann sind viele Betriebe leider pleite oder sie lassen sich in ihrer Not auf sittenwidrige Vergleiche ein – hat leider Methode, ich sag mal: Wenn Versicherer was können, dann Kunden zermürben.“

Nun muss man sagen, dass auch Versicherungs-Satiriker Hermann tierisch genervt davon ist, wenn sich Versicherer ihrer Verantwortung entziehen. „Die Allianz hat in 2020 trotz Corona 10,8 Milliarden Gewinn erwirtschaftet“, schildert er in seiner Premierensendung (ab Minute 19:30) „Und was hat man im Laufe des letzten Jahres hören müssen?“, ruft Hermann in die Kamera. „Ständiges Gejammer aus München: Betriebsschließungsschäden, Sturm, Überschwemmungen, Cyber-Attacken… Und zu allem Überfluss ist dann auch noch in Wanne-Eickel Oma Schaluppke auf die Brille ihres Schwagers getreten“, witzelt der Makler. „Wenn mich etwas wirklich an der Versicherungsbranche nervt, ist das die ständige Heulerei einiger Versicherer – wir mussten Schäääääden bezahlen! Hä, bitte, was denn sonst? Dafür seid ihr da, liebe Allianz und Co.! Lasst das Jammern bitte sein.“

Zur Sicherheit lieber die „Versicherungs-Versicherungs-Versicherung“

Zu spät, könnte man meinen. Denn wie die Jammerei der Gesellschaften im Volk ankommt, zeigt sich nun offenbar auch in populären Sendungen wie der „Heute Show“. Dort wird die vermeintliche Verweigerungshaltung der Branche auf die Spitze getrieben: „Liebe Kunden, was haben wir ihnen nicht schon alles an die Backe gelabert: Handyversicherung, Krankentagegeldversicherung für Katzen, die Erektionsausfall-Versicherung. Aber jetzt kommt was richtig Geiles: Die Versicherungs-Versicherung – für nur 129 Euro im Monat versichern wir Sie gegen das Risiko, dass eine unserer Versicherungen im Schadensfall nicht zahlt – und da die am Ende höchstwahrscheinlich auch nicht zahlt, empfehlen wir die Versicherungs-Versicherungs-Versicherung.“

Hermann bringt das Dilemma der Branche auf den Punkt

Und das Branchen-Bashing ist ja noch nicht zu Ende: „Wir Deutsche haben 440 Millionen Versicherungsverträge. Im Moment werden sogar – kein Witz – Unfallversicherung gegen Impfschäden verkauft“, sagt Welke. Dabei seien diese doch eigentlich von der Krankenversicherung abgedeckt, empört sich der Satiriker. Auch Hermann hat sich in seiner ganz eigenen „Heute Show“ dem Thema Versicherung gegen Impfschäden gewidmet – er kommt hier allerdings, Überraschung, zu einer ganz anderen Pointe (im Video ab Minute 7:15): „Liebe Verbraucherschützer! Wenn ein Versicherungsvermittler nicht darauf hinweist, dass man Impfschäden über die Unfallversicherung absichern kann, dann ist das ein – Kunstpause – BERATUNGSFEHLER. Fazit: Den Verbraucherschützern kann es ein Versicherungsvermittler nie recht machen: Ob er berät oder nicht – alles falsch.“

Seite 2: Der Vermittler wird im ZDF zum Steinewerfer / Was der „echte“ GDV sagt

autorAutor
Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Skip to content