- Von Redaktion
- 05.11.2025 um 12:10
Die elektronische Patientenakte (ePA) mag an vielen Stellen noch hakeln. Für eines sorgt sie schon jetzt: Berichte über Falschdiagnosen, die in der Akte stehen. So ist jetzt vielerorts von gesetzlich Versicherten zu lesen oder zu sehen, die beim Blick in ihre Akte auf Diagnosen stoßen, von denen sie gar nichts wissen.
Spielen die Ärzte hier also ein falsches Spiel? Wird da systematisch betrogen? Nein, so einfach ist die Sache nicht, findet Walter Benda, Versicherungsmakler (Die Finanzprüfer) mit Spezialisierung auf PKV, Altersvorsorge und Rente. In seinem nun folgenden Gastbeitrag dröselt er die Lage für uns auf.
„Vorsicht bei Tarifen, die ,auf Kante genäht‘ sind!“
Analyse: Beitragshammer in der GKV droht
Falschdiagnosen in der Krankenakte zerstören Versicherungschancen
#1 Das Problem der fehlerhaften Diagnosen
Die korrekte und vollständige Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflicht (VVA) gemäß Paragraf 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bildet die entscheidende Grundlage für den Abschluss von Personenversicherungen, insbesondere der privaten Krankenversicherung (PKV) und der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU).
Jüngste Debatten über vermeintlichen „Diagnose-Betrug“ durch Ärzte stellen die Integrität dieser Grundlage infrage und beleuchten die signifikante Informationsasymmetrie zwischen Versicherungsnehmer, behandelndem Arzt und Versicherer.
Das Problem liegt weniger in einem vorsätzlichen Betrug der Ärzte, sondern in der Systematik der Abrechnungsmechanismen sowie der dazugehörigen Dokumentation. Im Fokus stehen hierbei insbesondere F-Diagnosen (ICD-10 F-Codes), welche psychische und Verhaltensstörungen umfassen und bei Anträgen meist einen längeren Abfragezeitraum von bis zu zehn Jahren betreffen.
#2 Systematische Fehlanreize und die Realität der Diagnosecodierung
Die Unterstellung, Ärzte würden Diagnosen primär zur direkten und illegalen Bereicherung manipulieren, ist in der Praxis nur selten haltbar. Direktere und effektivere Einkommensquellen für Ärzte liegen im Bereich der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), im Verkauf von Supplements oder Beratungsleistungen. Mehr Ertrag, weniger Aufwand, weniger Risiko.
Die eigentlichen systematischen Anreize für eine über- oder fehlerhafte Codierung entstehen durch das Kassensystem selbst.
Eine exakte, aber lückenhafte Dokumentation kann zu Leistungskürzungen oder Regressforderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KVN) führen. Die breitere oder dramatischere Codierung, oft von psychischen Symptomen im Rahmen der Differential-Diagnosen, ist eine Vereinfachung. Es ist bequemer, denn F-Diagnosen vereinfachen die Abrechnung, weil sie Regressforderungen der kassenärztlichen Vereinigung minimieren. Und das bei geringerem Dokumentationsaufwand.
Die Folge ist, dass Patientenakten Diagnosen ausweisen können, die nicht die tatsächliche Schwere oder das chronische Risiko einer Erkrankung widerspiegeln, sondern vielmehr administrativen Erfordernissen entsprangen.
Es erhöht aber nicht die Zuwendung des Arztes, denn fehlerhafte oder überzogene Diagnosen im GKV-System führen zu einem erhöhten finanziellen Ausgleich der GKV-Träger untereinander. Dies schafft allenfalls einen indirekten, wenn auch umstrittenen, Anreiz für Krankenkassen, die „Dramatisierung“ der Dokumentation bei Leistungserbringern zu fördern. Diese Skandale waren selten und wurden in der Vergangenheit publik.
Auf der folgenden Seite lesen Sie die Ursachen für fehlerhafte F-Diagnosen in der Patientenakte, welche Folgen das für Versicherte haben und wie man das Risiko einer falschen Patientenakte senken kann.
Michael Speiser
Vor 2 MonatenDer einzigen Satz, den ich uneingeschränkt akzeptieren kann, ist: „Die Aufgabe der Versicherungsbranche und der Ärzteschaft muss es sein, gemeinsam auf eine korrekte und kundenorientierte Lösung hinzuwirken.“ Der Rest dieses Artikels erklärt und entschuldigt, dass es der Ärzteschaft und dem Abrechnungssystem an sich erlaubt ist, es sich möglichst einfach zu machen. Stattdessen muss der Patient selbst dafür Sorge tragen, dass seine Krankenakte „sauber“ ist. Sorry, was für ein weltfremder Blödsinn ist das?
Welcher potentielle Kunde sieht sich dazu in der Lage, mit der jeweils betroffenen Ärzteschaft seine Krankenakte zu klären? Wer will und kann sich mit dem Arzt seines (bisherigen) Vertrauens ernsthaft in eine solche Auseinandersetzung begeben? Oder wer will einem Vermittler so weitreichende Vollmachten erteilen, dass dieser sich rechtssicher mit der „Zerstörung des bisherigen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient“ auseinandersetzt? Denn genau das wird am Ende im Raum stehen. Und wie wird der Vermittler für diese Leistung vergütet bzw. inwieweit ist eine solche „Beratungsleistung“ des Vermittlers überhaupt zulässig?
Jedenfalls wird die Klärung der Krankenakte Monate dauern und nicht selten in Rechtsstreitigkeiten mit „unklarem“ Ergebnis enden. Abgesehen davon, dass sich der Patient einen neuen Arzt suchen kann, bleibt er auf irgend eine Art und Weise weiterhin „belastet“ und davon abhängig, wie der Versicherer das Ergebnis bewertet. Dieses Fass aufzumachen hätte zur Folge, dass das Geschäft vor allem der Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung einem „Glücksspiel mit hohem Einsatz“ gleicht. Ich prognostiziere, dass von zehn Fällen am Ende vielleicht zwei zum Abschluss der angestrebten Versicherung führen und der Kunde noch Patient seines bisherigen Arztes ist.
Der Patient muss sich blind darauf verlassen können, dass seine Krankenakte „sauber“ ist. Das ist die Pflicht des behandelnden Arztes. Und wenn dies nicht der Fall ist, kann dies nicht mit der „Systematik der Abrechnungsmechanismen sowie der dazugehörigen Dokumentation“ oder „systemischen Fehlanreizen des Kassensystems“ entschuldigt und auf den Patienten abgewälzt werden. Und schon gar nicht mit den unter #3 des Artikels aufgeführten Ursachen. Es kann für „unsaubere Patientenakten“ aufgrund irgendwelcher wie auch immer gearteter Verstöße gegen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient überhaupt keine „Entschuldigung“ geben!
Lesedauer: ca. 03:15 Min
















































































































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Vor 2 MonatenDer einzigen Satz, den ich uneingeschränkt akzeptieren kann, ist: „Die Aufgabe der Versicherungsbranche und der Ärzteschaft muss es sein, gemeinsam auf eine korrekte und kundenorientierte Lösung hinzuwirken.“ Der Rest dieses Artikels erklärt und entschuldigt, dass es der Ärzteschaft und dem Abrechnungssystem an sich erlaubt ist, es sich möglichst einfach zu machen. Stattdessen muss der Patient selbst dafür Sorge tragen, dass seine Krankenakte „sauber“ ist. Sorry, was für ein weltfremder Blödsinn ist das?
Welcher potentielle Kunde sieht sich dazu in der Lage, mit der jeweils betroffenen Ärzteschaft seine Krankenakte zu klären? Wer will und kann sich mit dem Arzt seines (bisherigen) Vertrauens ernsthaft in eine solche Auseinandersetzung begeben? Oder wer will einem Vermittler so weitreichende Vollmachten erteilen, dass dieser sich rechtssicher mit der „Zerstörung des bisherigen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient“ auseinandersetzt? Denn genau das wird am Ende im Raum stehen. Und wie wird der Vermittler für diese Leistung vergütet bzw. inwieweit ist eine solche „Beratungsleistung“ des Vermittlers überhaupt zulässig?
Jedenfalls wird die Klärung der Krankenakte Monate dauern und nicht selten in Rechtsstreitigkeiten mit „unklarem“ Ergebnis enden. Abgesehen davon, dass sich der Patient einen neuen Arzt suchen kann, bleibt er auf irgend eine Art und Weise weiterhin „belastet“ und davon abhängig, wie der Versicherer das Ergebnis bewertet. Dieses Fass aufzumachen hätte zur Folge, dass das Geschäft vor allem der Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung einem „Glücksspiel mit hohem Einsatz“ gleicht. Ich prognostiziere, dass von zehn Fällen am Ende vielleicht zwei zum Abschluss der angestrebten Versicherung führen und der Kunde noch Patient seines bisherigen Arztes ist.
Der Patient muss sich blind darauf verlassen können, dass seine Krankenakte „sauber“ ist. Das ist die Pflicht des behandelnden Arztes. Und wenn dies nicht der Fall ist, kann dies nicht mit der „Systematik der Abrechnungsmechanismen sowie der dazugehörigen Dokumentation“ oder „systemischen Fehlanreizen des Kassensystems“ entschuldigt und auf den Patienten abgewälzt werden. Und schon gar nicht mit den unter #3 des Artikels aufgeführten Ursachen. Es kann für „unsaubere Patientenakten“ aufgrund irgendwelcher wie auch immer gearteter Verstöße gegen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient überhaupt keine „Entschuldigung“ geben!