Die Hirslanden Andreas-Klinik in der Zentralschweiz hat sich als internationales Kompetenzzentrum für Orthopädie & Wirbelsäulenchirurgie einen Namen gemacht. © picture alliance/KEYSTONE | URS FLUEELER
  • Von René Weihrauch
  • 27.05.2025 um 09:01
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Mit einer privaten Krankenversicherung sind auch Behandlungen bei Spezialisten im Ausland möglich. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und wie solche Fälle in der Praxis gehandhabt werden, erklärt Torsten Früh, Leiter Kranken Leistung Ausland bei der Inter Versicherung.

Pfefferminzia: Herr Früh, das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. Warum und in welchen Fällen kann eine gezielte Auslandsbehandlung dennoch sinnvoll sein?  

Torsten Früh: Wir haben ein sehr gutes System, keine Frage. Trotzdem kommt es vor, dass Kunden für eine Behandlung bewusst ins Ausland gehen. Häufig sind das Menschen, die in Grenzregionen wohnen, etwa in der Nähe zur Schweiz. Ein Grund ist, dass sie dort neben einer hochqualifizierten Behandlung auch viel schneller einen Termin bekommen als in Deutschland. Die Organisation, zum Beispiel an den Uni-Kliniken, ist dort auf einem ganz anderen Level. Allerdings sind die Kosten auch ungefähr doppelt so hoch. Weitere Gründe können notwendige Anschlussbehandlungen sein, wenn eine vorherige Operation, zum Beispiel ein Hüftgelenkersatz in Deutschland erfolgt ist. Ein weiterer Grund könnte eine Akutversorgung mittels einer Operation sein, etwa wenn ein Skifahrer sich in Österreich ein Bein bricht und dort akut medizinisch versorgt wird. Bei der Operation werden Spezialschrauben verwendet, die nur in dieser Klinik später wieder entfernt werden können. Dann liegt auch hier eine gezielte Behandlung vor. Oder es stehen Folgeoperationen an. Außerdem gibt es natürlich auch Fälle, in denen Patienten die Behandlung eines Spezialisten wünschen, der im Ausland praktiziert, beispielsweise einen Herzspezialisten in England oder den USA. 

Torsten Früh, Leiter Kranken Leistung Ausland bei der Inter
Torsten Früh, Leiter Kranken Leistung Ausland bei Inter.

Welche Leistungen bietet die private Krankenversicherung in diesem Bereich? 

Früh: In Premiumprodukten sind Leistungen wie die eben genannten enthalten. Auch wer bei einer Reise vor Ort erkrankt, ist mit einer privaten Krankenversicherung weltweit abgesichert. Etwas anderes ist es, wenn der Versicherte für einen längeren Zeitraum oder ständig im Ausland lebt. Dann wird in manchen Ländern ein Risikozuschlag erhoben. Wer etwa seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die USA verlegt, muss einen Zuschlag für die deutlich höheren Kosten zahlen. Dafür haben Sie dann aber denselben Schutz, den Sie auch in Deutschland mit Ihrem vereinbarten Tarif haben würden. Wir richten uns dabei nicht nach deutschen Gebührenordnungen, Fallpauschalen oder dergleichen, sondern übernehmen die tatsächlichen Kosten. Sollte der Kunde jedoch den Zuschlag nicht zahlen wollen, dann erfolgt eine Kürzung der Kosten auf deutsches Kostenniveau, was mit deutlichen Eigenanteilen für den Kunden einhergeht.   

Bleiben wir vielleicht noch einmal bei einer geplanten Auslandsbehandlung eines in Deutschland lebenden Versicherten – wie läuft der Prozess von der ersten Anfrage bis zur Entscheidung über die Kostenübernahme konkret ab?  

Früh: Grundsätzlich ist es wichtig, vor der Auslandsbehandlung eine beidseitig hohe Transparenz herzustellen, damit es zu einem späteren Zeitpunkt keine Überraschungen gibt. Daher kann die Bearbeitung etwas Zeit benötigen. Für eine objektive Prüfung brauchen wir zunächst die Befund- und Verlaufsberichte der bisherigen behandelnden Ärzte. Dann müssen wir wissen: Hat der Kunde in dem Land, in dem er sich behandeln lassen will, bereits Voruntersuchungen machen lassen? Wie sieht der Behandlungsplan des Arztes vor Ort aus, welche Leistungen sind im Einzelnen geplant? Außerdem benötigen wir Kontaktdaten und Ansprechpartner in der ausländischen Klinik und natürlich detaillierte Kostenvoranschläge – nicht bis hin zu den Ausgaben für jeden einzelnen Tupfer, aber doch so, dass wir eine möglichst genaue Einschätzung der Größenordnung haben.  

Was passiert dann?  

Früh: Wenn wir alle Unterlagen haben, werden sie durch den Medizinischen Dienst geprüft. Unter anderem darauf, ob die geplante Behandlung den medizinischen Leitlinien entspricht – also zum Beispiel, ob bei einer geplanten Hüftoperation vorher nicht andere Therapien angezeigt wären. Außerdem wird geprüft, ob die Klinik, in der der Eingriff durchgeführt werden soll, den medizinischen Standards entspricht. Wir schauen uns die Höhe der anfallenden Kosten an und prüfen, ob die geplanten Leistungen versichert sind. Anschließend bekommt der Kunde die Entscheidung, ob, und wenn ja, welche Kosten wir übernehmen. Normalerweise zahlt er die Ausgaben vorab selbst, wir versuchen aber immer – gerade, wenn es sich um die USA handelt – über unseren medizinischen Partner vor Ort eine Lösung zu finden, bei der der Kunde nicht in Vorleistung treten muss. Unser Partner ist ein US-Unternehmen, das auf medizinisches Kostenmanagement spezialisiert ist und mit vielen Versicherern in Europa zusammenarbeitet, speziell mit uns bereits seit mehr als 30 Jahren. Da er mit vielen Kliniken in den USA eigene Verträge hat, sind sie in der Lage, die Kosten möglichweise signifikant zu senken. Wir nutzen aber auch Dienstleistungen weiterer Kooperationspartner für Assistance- und Serviceleistungen. 

Können Sie ein oder zwei Beispiele für eine erfolgreiche Auslandsbehandlung schildern? 

Früh: Da fällt mir als erstes der Fall eines neugeborenen Kindes ein, das im Alter von fünf Monaten plötzlich unter Atemnot und massiver Kurzatmigkeit litt. Die Eltern wohnten grenznah zu Belgien und sind zunächst in eine belgische Klinik gefahren. Dort hat man durch eine Bronchoskopie eine Verengung der Luftröhre festgestellt. Weil es sich um eine sehr spezielle Erkrankung handelte und das Kind noch so klein war, musste es bei einem Spezialisten in England behandelt werden. Über unseren Dienstleister haben wir organisiert, dass das Kind mit einem Ambulanz-Jet dorthin verlegt wurde und erfolgreich operiert werden konnte, bei voller Kostenübernahme. In einem anderen Fall ging es um einen Kunden, der hauptsächlich in Singapur lebt und an Krebs erkrankte. Er ist zunächst dort behandelt worden, hat dann in den USA eine Therapie gemacht und schließlich noch bei einem Spezialisten in der Schweiz. Über eine Behandlungsdauer von knapp vier Jahren entstanden Kosten von rund 600.000 Euro, die wir ebenfalls übernommen haben. 

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René Weihrauch

René Weihrauch arbeitet seit 35 Jahren als Journalist. Einer seiner Schwerpunkte sind Finanz- und Verbraucherthemen. Neben Pfefferminzia schreibt er für mehrere bundesweit erscheinende Zeitschriften und international tätige Medienagenturen.

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