Carsten Brodesser (CDU) spricht am 6. Mai 2021 im Bundestag. © Screenshot Phoenix
  • Von Redaktion
  • 10.05.2021 um 16:00
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Der CDU-Finanzexperte Carsten Brodesser hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wegen dessen Untätigkeit in Sachen Riester-Renten-Reform scharf kritisiert. Scholz sei der „Hauptdarsteller dieser Tragödie“, erklärte Brodesser am Donnerstagabend im Bundestag – und bekam für seine Rede ein Lob von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP).

Der nachfolgende Text entspricht dem Wortlaut der Rede des CDU-Finanzpolitikers Carsten Brodesser vom 6. Mai 2021 im Deutschen Bundestag, in der Debatte zur Schwarmfinanzierung und dem Deckel in der Restschuldversicherung (mehr dazu hier). Der Inhalt der Rede ist auch ab Minute 2:36 im Video (oberhalb des Textes oder hier abrufbar) nachzuhören:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie Sie sehen, trage ich heute keine Krawatte bei dieser Rede im Plenum. Das hat auch einen guten Grund, denn in den letzten Wochen ist mir mehrfach der Kragen geplatzt. Denn wichtig ist nicht nur das, was in diesem Gesetz geregelt wurde – sondern auch das, was eben nicht geregelt wurde. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde nämlich die Verordnung zur Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent thematisiert – womit sich auch der vorliegende Antrag der FDP befasst. Diese betreffende Verordnung bedarf zwar formal nicht der parlamentarischen Zustimmung, hat aber erheblichen Einfluss auf die Systeme der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.

(Zwischenruf: Wohl wahr, wohl wahr!)

Im Anschreiben zu dieser Rechtsverordnung schreibt das BMF, dass hier die Anpassung des Höchstrechnungszinses dem Vorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung entspräche. Das ist richtig. Was das BMF jedoch verschweigt, ist die Tatsache, dass die Aktuarvereinigung bereits im Dezember letzten Jahres in aller Klarheit auf die dringende Notwendigkeit hinwies, die Beitragsgarantie in der Riester-Rente sowie bei der Beitragszusage für Mindestleistungen der betrieblichen Altersvorsorge zu reformieren. Aber das war nur ein Teil eines unwürdigen Schauspiels, dessen Hauptdarsteller ausdrücklich nicht meine Kolleginnen und Kollegen der SPD im Finanzausschuss waren – denn sie wussten ja selber nicht, wie es weitergeht. Nein, Hauptdarsteller dieser Tragödie war der Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Aber der Reihe nach: Anfang 2018 schlossen die Union und die SPD den Koalitionsvertrag, womit sich auch der Bundesfinanzminister verpflichtete, die private Altersvorsorge weiterzuentwickeln und zügig ein attraktives Riester-Standardprodukt zu präsentieren. Gleichzeitig wurde eine Rentenkommission mit Vertretern aus Union, SPD, Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Wissenschaft eingesetzt, die sich ebenfalls mit notwendigen Anpassungen der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge beschäftigen sollte. Parallel dazu tagten über anderthalb Jahre flankierende Arbeitsgruppen der Fraktionen. Im März letzten Jahres legte die Rentenkommission ihren Abschlussbericht vor und empfahl unter anderem, künftig modifizierte Garantien bei der Riester-Rente zu ermöglichen und ein angemessenes Verhältnis von Rendite, Sicherheit und Risiken zu erhalten.

Im Frühjahr 2020 tagten dann verschiedene Arbeitsgruppen der Riester-Produktanbieter auf Einladung des BMF. Im Oktober wurden die abschließenden Gespräche dann wieder ohne weitere Hinweise abgesagt. Bereits im Frühjahr letzten Jahres veröffentlichte die Fraktionsarbeitsgruppe meiner Fraktion ihre konkreten Verbesserungsvorschläge, um die staatlich geförderte Altersvorsorge günstiger, bürokratieärmer und zukunftssicherer zu machen.

Noch vor der Sommerpause im letzten Jahr sendeten wir diese Vorschläge an Olaf Scholz. Wir haben auf dieses Schreiben bis heute keine Antwort erhalten. Es ist ja auch nicht so als hätten wir den obersten Führer Nordkoreas, Kim Jong-Un, angeschrieben und keine Antwort erwartet. Nein, wir sprechen hier vom Bundesfinanzminister, der notwendige Reformschritte zur staatlich geförderten Altersversorgung unternehmen sollte.

Im Dezember 2020 sprach ich dann selbst mit Olaf Scholz („Hey, hey“-Zwischenrufe). Er versicherte mir, dass er nach Weihnachten wirklich gute Reformvorschläge unterbreiten wollte. Ich frage mich heute, welches Weihnachten hat er wohl gemeint? Anstatt zu handeln, hat er vertröstet, gebremst und sich letztlich der Problemstellung verweigert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor 20 Jahren mit der Riester-Rente die Möglichkeit geschaffen, den Einstieg in eine zusätzliche Altersvorsorge schmackhaft zu machen. Über 16 Millionen Menschen haben der Politik und ihren Empfehlungen vertraut. Wie die Zukunft der staatlich geförderten Altersvorsorge im Detail aussehen wird, entscheidet die nächste Regierung. Leider.

Unabhängig davon, ob sich zukünftig die Menschen in unserem Land für eine Zulagenrente, ein pan-europäisches Pensionsprodukt oder einen Bürgerfonds entscheiden werden – trotzdem müssen die 16 Millionen bestehenden Sparer im Auge behalten werden. Und es ist die Aufgabe des Bundesfinanzministers, das aktuelle System zumindest bis dahin zu stabilisieren. Die passende und auch noch mögliche minimalinvasive Lösung in den verbleibenden Wochen ist eine Öffnung der Beitragsgarantie, die auch nach Meinung der Wissenschaft zu mehr Rendite und mehr Sicherheit führt. Eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss Arbeit und Soziales am Montag dieser Woche hat dies auch nochmal untermauert.

Herr Scholz – auch wenn er heute nicht da ist – nutzen sie diese Chance, 16 Millionen Riester-Sparer zu entlasten. Und wir erwarten jetzt Ihr Handeln – und, Herr Heil, nutzen auch sie diese Chance, damit die Beitragszusagen mit Mindestleistungen als Teil der betrieblichen Altersvorsorge erhalten bleibt. Vielen Dank!“

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) übernimmt im Anschluss das Wort: „Vielen Dank, Herr Kollege – ich bin mir sicher, dass diese beachtliche Rede von Herrn Bundesfinanzminister Scholz wirklich zur Kenntnis genommen wird.“

kommentare
chrised@gmx.net
Vor 3 Jahren

zum Thema Riester-Vorsorge, oder besser Riester-Nachsorge, zu diesem „Toten Pferd“ ist doch alles schon gesagt.
Eine Reform verschlimmert doch wieder nur den Wirrwarr dieser unglücklichen Maßnahme, die für den/ die Betroffenen
keinen Gewinn oder Vorteil bringt.
Die Regierung rechnet Riester schön und geht von falschen Renditen aus. Nur Versicherer verdienen an Riester – zum Nachteil der Rentner. Statt die Ruine endlich sterben zu lassen, wird weiter daran herumgedoktert.

Riester ist Rentenklau – und nach 18 Jahren gescheitert. Das hat sich mittlerweile herum gesprochen, weswegen immer weniger Deutsche „Riestern“. Die Zahl der Verträge geht zurück und mindestens ein Fünftel der Riester-Sparer zahlt nichts mehr ein. Das schert Politiker einen Dreck; sie machen munter weiter. Mittlerweile haben auch die Mainstream-Medien begriffen, was das für ein Skandal ist.
Vorschlag, versuchen sie nicht eine Reform der Riester-Vorsorge, sondern gehen sie Neue Wege.
Beispiele Grundrenten EU
Jeder in Norwegen erhält eine Grundrente und die selbst erarbeitete Rente. Die bundesdeutsche Regierung, – gefragt, warum nicht bei uns: Wir haben keine Ölvorkommen.
Nee, aber wir sind seit Jahrzehnten Exportweltmeister und Deutschland seit Jahren in dreistelliger Milliardenhöhe vom Binnenmarkt der EU und von der Gemeinschaftswährung – mehr als jeder andere EU-Staat!….
„Um die Grundsicherung zu gewähren, hat jeder Norweger Anspruch auf eine Mindestrente von circa 20.000 Euro im Jahr (1.660 Euro!!) auch wenn er nie gearbeitet hat. Zusätzlich zu dieser Grundrente bekommt jeder noch die eigene erarbeitete Rente – hinzu.
Hausfrauen und -männer, die zum Beispiel Kinder oder pflegebedürftige Familienmitglieder betreuen, erhalten drei Rentenpunkte pro Jahr, um diese Grundrente aufzustocken…. Wie Schweden hat sich auch Norwegen von der Idee eines festen Renteneintrittsalters
verabschiedet….
Ein Rentenkorridor macht das Ganze flexibel: Wer mag oder wie Bauarbeiter, Polizisten oder Balletttänzer konditionsbedingt nicht mehr kann, darf ohne große Abschläge mit 62 Jahren in den Ruhestand gehen. Wer sich hingegen noch nicht aufs Altenteil zurückziehen möchte, kann bis 75 weiter berufstätig sein und so zusätzliche Rentenpunkte sammeln.
Die ‚jungen‘ Alten werden in Norwegen als Potenzial angesehen“, so Skandinavien-Kenner Jochem, „als ein Teil der Gesellschaft, der zur Wertschöpfung beitragen kann“….

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chrised@gmx.net
Vor 3 Jahren

zum Thema Riester-Vorsorge, oder besser Riester-Nachsorge, zu diesem „Toten Pferd“ ist doch alles schon gesagt.
Eine Reform verschlimmert doch wieder nur den Wirrwarr dieser unglücklichen Maßnahme, die für den/ die Betroffenen
keinen Gewinn oder Vorteil bringt.
Die Regierung rechnet Riester schön und geht von falschen Renditen aus. Nur Versicherer verdienen an Riester – zum Nachteil der Rentner. Statt die Ruine endlich sterben zu lassen, wird weiter daran herumgedoktert.

Riester ist Rentenklau – und nach 18 Jahren gescheitert. Das hat sich mittlerweile herum gesprochen, weswegen immer weniger Deutsche „Riestern“. Die Zahl der Verträge geht zurück und mindestens ein Fünftel der Riester-Sparer zahlt nichts mehr ein. Das schert Politiker einen Dreck; sie machen munter weiter. Mittlerweile haben auch die Mainstream-Medien begriffen, was das für ein Skandal ist.
Vorschlag, versuchen sie nicht eine Reform der Riester-Vorsorge, sondern gehen sie Neue Wege.
Beispiele Grundrenten EU
Jeder in Norwegen erhält eine Grundrente und die selbst erarbeitete Rente. Die bundesdeutsche Regierung, – gefragt, warum nicht bei uns: Wir haben keine Ölvorkommen.
Nee, aber wir sind seit Jahrzehnten Exportweltmeister und Deutschland seit Jahren in dreistelliger Milliardenhöhe vom Binnenmarkt der EU und von der Gemeinschaftswährung – mehr als jeder andere EU-Staat!….
„Um die Grundsicherung zu gewähren, hat jeder Norweger Anspruch auf eine Mindestrente von circa 20.000 Euro im Jahr (1.660 Euro!!) auch wenn er nie gearbeitet hat. Zusätzlich zu dieser Grundrente bekommt jeder noch die eigene erarbeitete Rente – hinzu.
Hausfrauen und -männer, die zum Beispiel Kinder oder pflegebedürftige Familienmitglieder betreuen, erhalten drei Rentenpunkte pro Jahr, um diese Grundrente aufzustocken…. Wie Schweden hat sich auch Norwegen von der Idee eines festen Renteneintrittsalters
verabschiedet….
Ein Rentenkorridor macht das Ganze flexibel: Wer mag oder wie Bauarbeiter, Polizisten oder Balletttänzer konditionsbedingt nicht mehr kann, darf ohne große Abschläge mit 62 Jahren in den Ruhestand gehen. Wer sich hingegen noch nicht aufs Altenteil zurückziehen möchte, kann bis 75 weiter berufstätig sein und so zusätzliche Rentenpunkte sammeln.
Die ‚jungen‘ Alten werden in Norwegen als Potenzial angesehen“, so Skandinavien-Kenner Jochem, „als ein Teil der Gesellschaft, der zur Wertschöpfung beitragen kann“….

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