Artur Gawron (links) und Theodor Waber von der Digitalagentur Wert Eins. © Wert eins
  • Von Redaktion
  • 26.06.2025 um 15:42
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Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt bald in Kraft – und bietet mehr als nur regulatorische Pflichten. Wer jetzt verhaltensökonomische Prinzipien in die digitale Kundenansprache integriert, kann Barrierefreiheit als echte Chance für steigende Abschlussquoten nutzen. Artur Gawron und Theodor Waber von der Digitalagentur Wert Eins, zeigen in ihrem Gastbeitrag anhand von Beispielen, wie das geht.

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft – auch für Vermittler und Versicherer. Was auf den ersten Blick wie eine rein regulatorische Pflicht erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine doppelte Chance: Einerseits, um digitale Angebote BFSG-konform und damit inklusiver zu gestalten. Andererseits, um dabei gezielt die Nutzererfahrung zu verbessern und die Conversion-Raten nachhaltig zu steigern.

Denn Barrierefreiheit bedeutet nicht nur eine verbesserte technische Zugänglichkeit, sondern auch eine bessere Verständlichkeit. Hier setzt die Verhaltensökonomie an. Wer die Prinzipien der Behavioral Economics beim Relaunch von Websites, Rechnern oder Kundenportalen mitdenkt, schafft nicht nur rechtssichere, sondern auch wirksamere Kundenerlebnisse entlang der gesamten User Journey.

Wie Erkenntnisse aus der Behavioral Economics bei der BFSG-konformen Neugestaltung digitaler Auftritte und Tools in Vertrieb und Marketing praxisnah angewendet werden können, erläutern wir in diesem Gastbeitrag mit Beispielen auf Basis einer fiktiven Webseite.

Behavioral Economics – Nutzerverhalten verstehen und gezielt gestalten

Menschen treffen Entscheidungen selten rein rational. Vielmehr greifen sie – gerade in komplexen oder unbekannten Situationen – auf mentale Abkürzungen zurück. Diese sogenannten Heuristiken und Biases sind Teil unseres evolutionären Entscheidungssystems – und wirken auch im digitalen Versicherungsvertrieb. Behavioral Economics macht sich diese Muster zunutze, um Entscheidungsprozesse zu vereinfachen, Vertrauen zu fördern und letztlich die Kauf- oder Abschlussbereitschaft zu erhöhen.

Hier einige von über 100 praxisrelevanten Prinzipien, die im Rahmen einer BFSG-konformen digitalen Transformation genutzt werden können:

#1 Soziale Normen

Menschen orientieren sich am Verhalten anderer – besonders in unsicheren Entscheidungssituationen. Kundenbewertungen, Erfahrungsberichte oder Empfehlungen von Vertriebspartnern können gezielt Vertrauen schaffen und Konversionsraten erhöhen.

#2 Framing-Effekt

Die Art der Informationsdarstellung beeinflusst maßgeblich die Entscheidungsfindung. Positive Formulierungen (zum Beispiel „Jetzt Schutz sichern“ statt „Ohne Versicherung riskieren Sie…“ oder „80Prozent Erstattung“ statt „20 Prozent Eigenanteil“) erhöhen die Abschlussmotivation. Auch sogenanntes Goal Framing – also das Hervorheben von Zielerreichung statt Verlustvermeidung – kann hier wirksam sein.

#3 Verfügbarkeitsheuristik

Menschen schätzen Risiken als relevanter ein, wenn sie medial präsent sind oder ihnen persönlich bekannt vorkommen – denn manchmal werden Probleme erst richtig wahrgenommen, wenn sie konkret und faktenbasiert angesprochen werden (zum Beispiel: Parodontose kann eine Gefahr für die Zähne sein). Digitale Versicherungsangebote können dies nutzen, indem sie besonders häufig gesuchte Risiken oder Leistungen prominent inszenieren – etwa durch gezielte Platzierung oder Storytelling.

#4 Reduktion kognitiver Last und Vereinfachung

Komplexität ist ein Conversion-Killer. Eine klare, reduzierte Gestaltung von Informations- und Abschlussprozessen, barrierefrei und intuitiv verständlich, erleichtert Entscheidungen. Weniger Inhalte, klarere Strukturen, einfache Sprache – all das hilft nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern allen Nutzern.

#5 Verlustaversion
Der Mensch reagiert stärker auf drohende Verluste als auf potenzielle Gewinne. Diese Erkenntnis kann gezielt eingesetzt werden, etwa durch exklusive Zusatzleistungen oder limitierte Angebote, die Dringlichkeit signalisieren – und so den Entscheidungsdruck erhöhen (zum Beispiel: Sparen Sie 200 Euro bei Abschluss bis 30.Juni. Oder: Wir schenken Ihnen die ersten drei Monatsraten).

#6 Peak-End-Regel

Was zählt, ist der Eindruck, der bleibt – besonders am Ende einer erfolgreichen Web-Interaktion. Ist das Ende eines Erlebnisses positiv, wird das Gesamterlebnis eher als positiv bewertet– sogar, wenn es überwiegend negativ war. Der Abschluss einer Informations- oder Beratungstrecke sollte daher positiv emotionalisiert werden: zum Beispiel verbal durch eine Beglückwünschung und ein „Dankeschön“ oder durch das Angebot einer telefonischen Hilfe-Hotline bei Fragen. Ebenfalls relevant ist eine lebendige Illustration am Ende („Vividness“).

Fazit

Das BFSG ist mehr als eine regulatorische Hürde – es ist ein Transformationsimpuls. Versicherungsunternehmen und Makler, die jetzt ihre digitalen Angebote barrierefrei neu gestalten, sollten diesen Prozess strategisch nutzen, um auch die Conversion-Performance zu verbessern.

Verhaltensökonomische Prinzipien helfen dabei, digitale Anwendungen nicht nur gesetzeskonform, sondern auch nutzerzentriert, verständlich und wirksamer zu gestalten. Wer auf das Bauchgefühl, die psychologische Seite der Nutzerentscheidung setzt, erreicht nicht nur mehr Menschen – sondern überzeugt sie auch nachhaltiger.

Die Formel lautet: Barrierefreiheit + Behavioral Economics = bessere User Experience + höhere Abschlussquoten.

 

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