Gerd Kemnitz ist Versicherungsmakler im sächsischen Stollberg. © privat
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  • 11.08.2023 um 13:48
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Rating-Agenturen vergeben oft Bestnoten für die Bedingungen von Berufsunfähigkeitspolicen. So könnte sich mancher Versicherer dazu verleiten lassen, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben, meint der auf BU-Versicherungen spezialisierte Versicherungsmakler Gerd Kemnitz. Dass es hierzu aber keinen Grund gibt, zeigt Kemnitz am Beispiel der Arztanordnungsklausel.

Viele BU-Versicherer werben damit, keine Arztanordnungsklausel zu haben. Kurzer Exkurs: Was verbirgt sich dahinter? Ist in den Versicherungsbedingungen eine Arztanordnungsklausel enthalten, kann die Versicherung die Leistung verweigern, wenn der Versicherte sich nicht an ärztlich angeordnete oder empfohlene Behandlungen hält.

Zurück zum Thema: Viele BU-Versicherer werben damit, keine Arztanordnungsklausel zu haben. Das ist aber nicht ganz korrekt. Denn gefahrlose und ärztlich angeratene Heilbehandlungen, die nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sind und sichere Aussicht auf Besserung bieten, muss der Versicherte in der Regel schon dulden. Einigkeit herrscht darüber, dass Heilbehandlungen, die eine Operation vorsehen, unzumutbar sind. Richtigerweise sollten Analysehäuser und Vermittler darauf achten, dass die Arztanordnungsklausel zumutbar ist und dabei etwas strengere Regeln als bisher aufstellen.

Zugegeben: Ich weiß nicht, wie viele Versicherte infolge Adipositas oder einer anderen Stoffwechselkrankheit berufsunfähig werden und der behandelnde Arzt zur Besserung des Gesundheitszustands eine allgemeine oder spezielle Diät verordnet. Aber ich finde es erstaunlich, dass die meisten Versicherer verschweigen, ob das Ein- und Durchhalten von ärztlich angeratenen Diäten eine Voraussetzung für die Leistungspflicht ist.

Einige wenige Versicherer kommunizieren zumindest offen und ehrlich, dass das Einhalten einer ärztlich angeratenen Diät bei ihnen als zumutbar gilt. Bei nur drei mir bekannten BU-Versicherern wird das Einhalten einer Diät eindeutig als unzumutbar definiert.

Eine ähnliche Frage ergibt sich bei Versicherten, die infolge einer Suchterkrankung berufsunfähig geworden sind. Wird der Versicherer die BU-Leistungen verweigern, wenn der Versicherte nicht bereit ist, einen Suchtentzug vorzunehmen beziehungsweise diesen nicht durchhält? Hier sind mir mit HDI und Nürnberger nur zwei Versicherer bekannt, die dies verbraucherfreundlich regeln.

So schreibt beispielsweise die Nürnberger Lebensversicherung AG in ihren Versicherungsbedingungen:

Die versicherte Person ist nicht verpflichtet, Diäten einzuhalten oder einen Suchtentzug vorzunehmen, selbst wenn dies vom behandelnden Arzt angeordnet wurde und medizinisch indiziert ist.

Andererseits lehnt sich nach meiner Ansicht so mancher BU-Versicherer weit aus dem Fenster, wenn er in seinen Versicherungsbedingungen so oder so ähnlich schreibt:

Zumutbar sind Heilbehandlungen, die gefahrlos und nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sind.

Wer mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auf dem Beipackzettel seines Medikaments liest, wird wohl häufig zu dem Schluss kommen, dass die Einnahme nicht unbedingt risiko- oder gefahrlos ist. Natürlich wird jeder Versicherte seine Medikamente einnehmen, wenn sie ihm helfen. Problematisch könnte es jedoch werden, wenn Juristen dies als Überobligation werten, weil der Versicherte bedingungsgemäß ausdrücklich nicht dazu verpflichtet wäre.

Ich möchte keinem Versicherer vorschreiben, ob er beispielsweise das Einhalten einer Diät als zumutbar oder unzumutbar deklariert. Aber in den Versicherungsbedingungen sollte er dies klar definieren. Intransparenz führt früher oder später zu Streitigkeiten und schadet dem Ruf der Versicherungsbranche. Und Analysehäuser, die trotz mangelnder Transparenz Bestbewertungen vergeben, sorgen für Gleichmacherei und Stillstand bei der Qualitätsentwicklung der BU-Versicherungen.

Über den Autor

Gerd Kemnitz ist ein auf Berufsunfähigkeitsversicherungen spezialisierter Versicherungsmakler aus dem sächsischen Stollberg.

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