- Von Andreas Harms
- 07.10.2025 um 14:41
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) klatscht Beifall. Ihm gefällt, was der Beraterkreis der Regierung in seiner „Wachstumsagenda für Deutschland“ vorschlägt. Denn darin geht es nicht nur um Maßnahmen für die Wirtschaft, sondern auch für den Sozialstaat.
Verfasst hat diese Agenda ein Quartett aus Wissenschaftlern, das komplett „wissenschaftlicher Beraterkreis für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie“ heißt. Es besteht aus:
- Veronika Grimm (Technische Universität Nürnberg und eine der fünf Wirtschaftsweisen)
- Justus Haucap (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
- Stefan Kolev (Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft)
- Volker Wieland (Goethe-Universität Frankfurt)
31 Seiten stark ist die Agenda, die Quellennachweise nicht eingerechnet. Der größte Teil dreht sich um Wirtschaftsstruktur, Wettbewerb, Regulation, Investition.
Doch gegen Ende, auf Seite 29, kommt der inzwischen finanziell reichlich angespannte Sozialstaat mit ins Spiel. Und der Taschenrechner. Denn der Beraterkreis stellt fest: Wenn die aktuelle Arbeitnehmerschaft die Renten kaum noch bezahlen kann, weil sich die Demografie verschiebt, müssen die Menschen länger arbeiten. Das sorgt unterm Strich für mehr Beitragszahler und weniger Rentner. Wenn das nicht passiert, steigt der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt sehr schnell sehr weit.

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Das ist im Grunde logisch, aber eben auch schmerzhaft für alle, die noch nicht in Rente sind. Der Beraterkreis will das Renteneintrittsalter – an dem vor allem die SPD festhalten will – an die Lebenserwartung koppeln. Außerdem will er die Bestandsrenten nicht mehr wie bisher an die Löhne koppeln, sondern an einen anderen Index. Zum Beispiel die Inflation. Damit würde die Kaufkraft der Renten erhalten bleiben, die Rentenkassen würden aber entlastet, heißt es. Der Nachhaltigkeitsfaktor soll wieder greifen, und die Rente mit 63 soll nur noch in festgelegten Härtefällen möglich sein.
Damit schwimmt der Beraterkreis im Grunde in bekanntem Fahrwasser, denn die Vorschläge sind allesamt nicht neu. Allerdings kamen sie bislang noch nicht so nahe aus dem Umfeld der Regierung, genauer: aus der Nähe des Wirtschaftsministeriums. Und der Koalitionsvertrag liest sich im Vergleich dazu wie ein Kuschelroman (wie Sie hier überprüfen können).
Und was konkret mag der BVK an den Vorschlägen? Verbandspräsident Michael H. Heinz dazu: „Seit Jahren sagen wir, dass grundlegende Sozialreformen notwendig sind. Dazu gehört auch ein generationsgerechter Mix aus zukünftiger Rentenhöhe, Beitragssatz und Renteneintrittsalter. Letzteres sollte bei immer höherer Lebenserwartung steigen, um die Bezahlbarkeit der Renten zu sichern und die Beitragszahler sowie die Arbeitgeber beziehungsweise die Wirtschaft nicht übermäßig zu belasten. Auch eine stärkere Kopplung von Beitragsdauer und Rentenanspruch ist sinnvoll.“
Der Verband fügt außerdem hinzu, dass die Regierung im selben Zug die private Altersvorsorge stärker fördern soll. Vor allem die Riester-Rente soll er reformieren zu …:
- einem unbürokratischen Zulageverfahren
- größeren Renditechancen
- mehr Förderberechtigten
Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat sich zu dem Gutachten geäußert. Sie dankt dem Beraterkreis und bekräftigt, dass Maßnahmen nötig sind. Zu den einzelnen Vorschlägen zur Rente sagt sie jedoch nichts.
Wer weitere Vorschläge des Beraterkreises sucht, findet sie in einem Impulspapier von Ende September. Darin tauchen noch weitere Ideen auf:
- Der Standardrentner soll nicht mehr auf 45 Beitragsjahren beruhen, sondern auf 47. Das trägt dem späteren Renteneintritt Rechnung
- Die Mütterrente nicht zusätzlich ausweiten, sondern zurückdrehen
- Die Abschläge für vorzeitigen Renteneintritt sollen steigen. Oder wie es die Beratergruppe ausdrückt: „versicherungsmathematisch fair kalkuliert“
Die Wachstumsagenda können Sie hier herunterladen. Und das Impulspapier finden Sie hier.

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