- Von René Weihrauch
- 19.08.2025 um 10:22
Sie gehört zu den am meisten unterschätzten Risiken in der PKV-Beratung: die Erstattungspraxis bei Heilmitteln. Zu viele Vermittler verlassen sich auf pauschale Angaben wie „100 Prozent Kostenübernahme“. Aber: „100 Prozent“ bedeutet nicht immer, dass der Kunde tatsächlich die Behandlungskosten für Physiotherapie, Logopädie und Co. vollständig erstattet bekommt. Fachleute wie Michael Eschner, Geschäftsführer von Lexxit Digital Solutions in Konstanz, warnen vor Leistungseinschränkungen, die auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen sind.
„Wenn ein Versicherer zum Beispiel mit einer Kostenerstattung von 100 Prozent wirbt, dann aber in den Bedingungen einen Selbstbehalt von 20 Euro je Heilmittel und pro Behandlungstag formuliert hat, können die Eigenkosten für den Versicherten schnell bei deutlich über 1.000 Euro monatlich liegen“, so der PKV-Experte. „Es gibt Tarife, die lediglich 80 Prozent erstatten, aber die Selbstbeteiligung auf 400 Euro deckeln. Das kann unterm Strich attraktiver sein als der eben benannte Tarif mit 20 Euro Selbstbeteiligung je Behandlung.“

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Höchststrafe: eigene Preisverzeichnisse
Noch teurer könne es für den Kunden werden, wenn Versicherer beispielsweise nur 80 Prozent erstatten und dabei noch auf Maximalbeträge von eigenen Preisverzeichnissen verweisen. Eschner: „Wenn dort steht, dass der Versicherer für 45 Minuten Logopädie 63 Euro erstattet, die Logopäden im Schnitt für 45 Minuten Behandlung aber rund 82 Euro berechnen, besteht hier ein weiteres Kostenrisiko, das im Laufe der Jahre größer wird. Denn die Erstattung ist fix geregelt, die Preise der Logopäden werden aber steigen.“
Generell unterschätzen Makler oft, welche Kosten bei Heilmitteln entstehen können. Schwere Unfälle oder ein Schlaganfall ziehen oft sehr kostspielige Behandlungen nach sich. Eschner schildert einen Fall aus der Praxis: Eine Kundin hatte sich nach einem Fahrradunfall ein schweres Schädel-Hirntrauma zugezogen. Zur vollständigen Wiederherstellung ihrer Gesundheit waren nach dem Krankenhausaufenthalt umfangreiche, ambulante Heilmittelbehandlungen notwendig. Allein die Physiotherapie umfasste 60 Anwendungen im Monat – Kosten: 2.740 Euro. Außerdem standen monatlich zehn logopädische Behandlungen auf dem Plan (880 Euro/Monat), hinzu kamen zehn Behandlungen durch einen Ergotherapeuten für insgesamt noch einmal 530 Euro. Die monatlichen Gesamtkosten beliefen sich somit auf 4.150 Euro.
Beste Lösung: 100 Prozent Erstattung ohne Einschränkung
„Hätte die Kunden Kundin nicht einen leistungsstarken PKV-Tarif mit 100-prozentiger Heilmittelerstattung ohne Einschränkungen gehabt, wäre sie je nach Vertrag auf einem großen Teil der Kosten sitzengeblieben“, so Michael Eschner. „Nehmen wir beispielsweise einen Tarif mit 75-prozentiger Erstattung. Hier hätte sie monatlich 1.038 Euro selbst zahlen müssen. Bei einer Behandlungsdauer von sechs Monaten summiert sich das auf 6.228 Euro. Auch wenn die Eigenkosten vom Gesetzgeber auf 5.000 Euro gedeckelt sind, ist das immer noch ein sehr hoher Betrag. Aber auch der bereits erwähnte 100-Prozent-Tarif mit 20 Euro Selbstbeteiligung pro Behandlung hätte enorme Eigenkosten verursacht. Allein für die Physiotherapie käme sie auf 1.200 Euro im Monat, dazu die Behandlungskosten für Ergotherapie und Logopädie. Und das bei einem Tarif, der auf den ersten Blick eine 100-Prozent-Erstattung mit scheinbar geringer Selbstbeteiligung bietet.“
So vermeiden Makler Haftungsrisiken
„Wenn ich als Makler diese Preise nicht kenne, kann ich meine Kunden nicht optimal beraten“, warnt Michael Eschner. Bei oberflächlichem Lesen der Vertragsbedingungen entstehen schnell dicke Beratungslücken. Als beste Lösung empfiehlt Eschner ohnehin einen Tarif mit 100-prozentiger Kostenerstattung für Heilmittel ohne Einschränkungen. „Wenn der Kunde eine günstigere Variante wünscht, sollten Makler detailliert darauf achten, welche Eigenkosten tatsächlich entstehen, den Kunden darüber aufklären und das im Beratungsprotokoll festhalten. Andernfalls geht man hier ein hohes Haftungsrisiko ein.“

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