Zurich-Manager Björn Bohnhoff: „Sich nur an hohen Dividendenrenditen zu orientieren, ist zu kurz gedacht“ © Zurich / Stefan Malzkorn
  • Von Andreas Harms
  • 18.02.2022 um 12:20
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Es kann nicht nur das Ziel den Ausschlag geben, man muss auch an den Weg dorthin denken, sagt Björn Bohnhoff, Vorstand Leben bei der Zurich in Deutschland. Weshalb die Taxonomie am Ende nicht komplett falsch liegt. Nächster Teil unserer Umfrage zu Atomkraft und Erdgas in der EU-Taxonomie.

Pfefferminzia: Sind Atom- und Gaskraftwerke wirklich nachhaltig?

Björn Bohnhoff: Nachhaltigkeit ist von High-Tech und Wissenschaft abhängig. Deshalb sollten wir das Thema auch technologieoffen diskutieren. Eine klimaneutrale Zukunft heißt, dass wir perspektivisch nahezu vollständig auf die Verbrennung fossiler Energieträger verzichten müssen – das schließt auch Gas mit ein. Es braucht aber auch einen Weg in diese Zukunft und dafür ist es wichtig Übergänge zu finden. Wir sind der Meinung, dass Gaskraftwerke eine wichtige Übergangsenergie hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft sind und ordnen Gasenergie entsprechend in unserem eigenen Investmentportfolio in einer solchen Übergangskategorie ein. Hinsichtlich des in Deutschland derzeit kontrovers diskutierten Themas Atomkraft fahren wir eine differenzierte Strategie: Bei unseren explizit als nachhaltig beworbenen Versicherungsprodukten sind solche Investments ausgeschlossen.

Mit maximal 270 Gramm je Kilowattstunde liegt der Emissionswert neuer Gaskraftwerke weit unter denen von … sagen wir mal … Braunkohlekraftwerken mit 940 Gramm. Brauchen wir nicht solche Technologien, um Blackouts zu verhindern?

Wir benötigen Übergangstechnologien wie Gaskraftwerke, um den schrittweisen Umstieg hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft zu bewältigen. Dennoch müssen wir auch in der Gestaltung unserer Anlagestrategie und im Austausch mit unseren Kunden die Rahmenbedingungen schaffen, um uns langfristig hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft zu entwickeln.

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Welche Rolle spielt die Taxonomie generell in Ihren Anlagerichtlinien?

Alle Fonds, die in unseren ESG-Depotmodellen und Vario-Invest allokiert sind, unterliegen strengen Umsatzschwellen für Atomkraft. In der Kapitalanlage unserer Bilanz haben wir uns außerdem klare Vorgaben gegeben, was das Thema Kohleabbau, Ölsande und Ölschiefer angeht. Von Unternehmen oder Investmentgesellschaften, die gewisse Prozentsätze in diesen Bereichen überschreiten, haben wir uns getrennt oder werden wir uns trennen.

Wie teilt sich das von Ihnen verwaltete Vermögen prozentual in nachhaltig und herkömmlich auf?

Als Gründungsmitglied der UN Net-Zero Asset Owner Alliance haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2050 Netto-Null Emissionen in unserem Anlageportfolio aufzuweisen. Diese Strategie wenden wir derzeit auf die Anlageklassen Unternehmensanleihen, Aktien und Immobilien an, was in etwa einem Drittel der gesamten Kapitalanlagen entspricht. Außerdem werden passende Ansätze für weitere Anlageklassen wie beispielsweise Staatsanleihen, die einen Großteil unserer Kapitalanlage ausmachen, innerhalb der UN Net-Zero Asset Owner Alliance gesucht. Darüber hinaus sind im Bestand unserer fondsgebundenen Lebensversicherungen bereits 2,8 Milliarden Euro in aktive und passive ESG-Fonds investiert. Langfristig verfolgen wir das Ziel eines vollständig klimaneutralen Anlageportfolios.

Vor allem klassische Energieaktien und -anleihen kamen zuletzt mit enorm günstigen Bewertungen und hohen Dividendenrenditen daher. Sollte man solche Renditechancen nicht nutzen und dann die Unternehmen als Aktionär beeinflussen?

Sich nur an aktuell hohen Dividendenrenditen zu orientieren, ist zu kurz gedacht, häufig wird hier nicht die Rechnung mit wesentlichen Umwelt-, Reputations- und Transitionsrisiken gemacht. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten und die damit verbundene ganzheitliche Risikobetrachtung sind generell für die Bewertung entscheidend.

Dennoch lässt es sich im Moment schon allein aus Gründen der Risikostreuung zumindest in Bezug auf das Bilanzvermögen gar nicht umsetzen, auf konventionelle Unternehmen, die noch weiter von den Klimazielen des Pariser Abkommens entfernt sind, vollständig zu verzichten. Wir machen hier aber unseren Einfluss als Investor geltend, die Transformation zu treiben. Wir begleiten diese Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit – und leisten damit einen erheblichen Beitrag auch in Bezug auf mehr Klimaschutz.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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