Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 14.11.2019 um 15:45
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Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte darüber zu entscheiden, ob der Versicherungsnehmer nach einem Brand seines Schuppens von seiner Wohngebäudeversicherung die Zahlung der sogenannten Neuwertspitze verlangen darf. Die Richter stellten klar, dass eine Neuwertversicherung nicht solche Aufwendungen abdecken muss, die das bisherige Gebäude wesentlich verbessern und verändern.

Zunächst zur Erläuterung: Es können verschiedene Versicherungswerte vereinbart werden. Es gibt die Möglichkeit, ein Gebäude zum Neuwert (Kaufzeitpunkt maßgeblich) oder zum Zeitwert zu versichern. Der Zeitwert beschreibt den Wert, den ein Gegenstand zum Zeitpunkt des Schadens noch besitzt. Dabei wird vom Neuwert des Gegenstandes der Wertverlust auf Grundlage von Alter und Abnutzung abgezogen. In der Praxis wird jedoch am häufigsten das Modell der gleitenden Neuwertversicherung verwendet, da sich die Preise und Werte der Immobilien im Laufe der Jahre ändern. Durch die gleitende Neuwertversicherung wird gewährleistet, dass ein Schaden auf einer realistischen Basis berechnet wird. Die gleitende Neuwertversicherung ist also eine Versicherungsform der Wohngebäudeversicherung, die Veränderungen der Preise im Baugewerbe berücksichtigt.

Worum ging es in dem Streitfall?

Der Versicherungsnehmer unterhielt für sein Anwesen eine Wohngebäudeversicherung in Form der gleitenden Neuwertversicherung. Diese Neuwertversicherung umfasste das Risiko „Schäden durch Feuer“. Nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen sollte der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall den Anspruch auf Zahlung des Teils, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), aber nur erwerben, soweit er sicherstellt, dass er die Entschädigung verwendet, um versicherte Sachen gleicher Art und gleicher Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen.

Durch Feuer wurde der auf dem Grundstück des Versicherungsnehmers befindliche Lager- und Abstellschuppen zerstört. Er ließ an dessen Stelle drei gleichartige Fertiggaragen erstellen. Dabei hatte er einen nahezu gleich hohen finanziellen Aufwand, als wenn er einen neuen baugleichen Schuppen wiederhergestellt hätte Die Garagen wollte der Versicherungsnehmer – wie zuvor den Schuppen – als Abstellfläche für (landwirtschaftliche Geräte) nutzen. Die Versicherung erstattete dem Versicherungsnehmer nur den Zeitwert des Schuppens.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht (OLG) München ist der Auffassung, dass der Versicherungsnehmer durch die Errichtung der Fertiggaragen keine Sache hergestellt hatte, die nach ihrer Zweckbestimmung dem zerstörten Schuppen entspricht (Az. 14 U 1739/18).

Schuppen dienen laut OLG grundsätzlich als Lagerraum, Garagen hingegen schon nach allgemeiner Verkehrsanschauung zum Abstellen von Fahrzeugen. Die hier streitgegenständlichen Fertiggaragen waren auch so ausgerichtet, dass in jeder der drei Garagen jeweils ein Pkw mit üblichen Ausmaßen abgestellt werden kann. Dass die Garagen auch als Lagerraum verwendet werden können, ändert nichts an dessen Zweckbestimmung als Abstellraum für Fahrzeuge. Der streitgegenständliche Schuppen war ausweislich eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Größe gerade nicht zur Nutzung als Garage für drei Fahrzeuge geeignet.

Folglich hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Zahlung des Neuwertanteils. Dass der Versicherungsnehmer nahezu gleich hohe Kosten aufwandte wie er für die Neuerrichtung eines – dem zerstörten baugleichen – Schuppens gebraucht hätte, ist laut OLG München unerheblich.

Zweck der Neuwertversicherung

Eine Neuwertversicherung bezweckt, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Die Neuwertversicherung soll aber nicht solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers ist zu vermeiden. Das Interesse am Abbrennen des versicherten Gebäudes soll nicht gefördert werden.

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