Wolfgang Kuckertz, Geschäftsführer des Weiterbildungsanbieters Going Public © Going Public
  • Von Oliver Lepold
  • 18.08.2021 um 12:36
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Wolfgang Kuckertz, Geschäftsführer des Weiterbildungsanbieters Going Public, über nachhaltige Produkt- und Vertriebsstrategien und die Weiterbildung der Branche in diesem Bereich.

Pfefferminzia: Hat sich der Wissenstand zum Thema Nachhaltigkeit seit Einführung der Transparenzverordnung verändert?

Wolfgang Kuckertz: Nach meiner Wahrnehmung hat sich der Kenntnisstand der Makler nicht wesentlich verbessert, selbst in den Formalien ist noch nicht jeder soweit. Mit dem Schlagwort ESG kann inzwischen jeder etwas anfangen, nicht aber mit den Details, was nun verpflichtend ist und was etwa die Siegel bedeuten. Man muss nun über die Ausrichtungen von Fonds auf die Nachhaltigkeit informieren.

Gibt es bereits praktische Auswirkungen auf den Vertrieb?

Insbesondere bei mittleren dynamischen Häusern, die bereits im Thema sind, gibt es positive Vertriebseffekte. Kleine Anbieter konnten sich bisher nicht wirklich auf das Thema fokussieren. Und die ganz großen Häuser haben das Problem, dass die Produkte noch nicht vollständig angepasst sind. Sie müssen viele Fragen beantworten, wie sie in der Eigenorganisation und über alle Produktlinien mit der Nachhaltigkeit umgehen. Das Ergebnis erscheint oft noch recht dünn.

Inwieweit gibt es im Markt Definitions- und Abgrenzungsprobleme?

Es gibt riesige Probleme. Die EU gibt grundsätzlich nur grobe Leitplanken vor. Es gibt vier wesentliche Ansätze: der Best-in-Class-Ansatz, die Positivliste, die Negativliste oder Impact Finance, was inhaltlich das Beste ist, aber am schwierigsten in der Umsetzung. In der Positivliste etwa kaufe ich nur Unternehmen, die schon grün sind. Dadurch verbessert sich die Welt nicht. Bei Impact Finance kaufe ich aber dreckige Unternehmen, die vorhaben, sauber zu werden. Zum Beispiel einen Ölkonzern, der in den kommenden zehn Jahren auf nachhaltige Energien umstellen möchte. Das ist ein unmittelbares Verändern der Realitäten.

Warum ist Impact Finance am schwierigsten zu realisieren?

Weil man sich aktiv mit dem Management und dessen Strategien auseinandersetzen muss. Er reicht nicht lediglich zu sagen, der CO2-Ausstoß pro Euro ist ok, die Aktie kaufe ich. Man benötigt Informationen, was das Management vorhat und müsste auch tracken, ob die Pläne wirklich umgesetzt werden. Das ist von außen schwer zu beurteilen, man muss die Strategien verstanden haben.

Ökologie als das E(nvironment) in ESG steht vielfach im Vordergrund, wie sieht es mit S(ocial) und G(overnance) aus?

Schlecht. Auch auf EU-Ebene geht es derzeit nur um das E, und das nicht mal vollständig, denn die EU hat vorwiegend den CO2-Ausstoß und Plastik im Fokus. Andere Umweltbestimmungen und -ziele sind noch kein Thema, genauso wenig wie soziale Aspekte und gute Unternehmensführung. Soziale Kriterien und solche der guten Unternehmensführung sind eben viel schwerer fassbar, aber nicht unwichtig. Das Hauptziel ist doch, dass Nachhaltigkeit künftige Generationen schützen soll, damit sie weiter gut leben können. Ökonomie ist daher genauso wichtig und Voraussetzung für Ökologie. Wer ökonomisch am Rande der Existenz lebt, hat gar keine Chance ökologisch zu denken. Und langfristig ist Ökologie wiederum Voraussetzung für Ökonomie.

In welchen Produktklassen ist das nachhaltige Angebot noch nicht ausreichend?

Ich habe momentan keinen kompletten Marktüberblick. Das Problem ist, dass es rein von der Bezeichnung her genügend grüne Angebote gibt. Schaut man genauer hin, fallen aber wahrscheinlich bis zu drei Viertel wieder heraus. Viele etablierte Fonds haben sich null verändert und werden plötzlich als grün bezeichnet. Das finde ich nicht plausibel. Unklar ist die Lage im Immobiliensektor. Der Gesetzgeber hat zwar für Neubauten einiges beschlossen, aber sonst gibt es im Immobilienvertrieb meines Wissens noch gar keine Kriterien für Immobilieninvestoren. Und was sind nachhaltige Sachversicherungen? Letztlich müsste ja das Versicherungsunternehmen nachhaltig sein, da sehe ich noch riesige Baustellen.

Wie ist Ihr aktuelles Seminar zum Fachmann/-frau für nachhaltige Geldanlage konzipiert?

Die Maklerin oder der Makler lernt in diesem Kurs, verschiedene nachhaltige Strategien zu differenzieren und zu verstehen. Man lernt, wie man solche Kriterien bei Investments und Geldanlagen überprüfen und berücksichtigen und wie diese Sachverhalte bei den eigenen Kunden kommunizieren kann. Das Seminar besteht aus einer Selbstvorbereitung, Web Based Trainings und einem Seminartag. Wir bieten darüber hinaus ein Angebot ohne Abschluss für die eigene Aufstellung auf Nachhaltigkeit im Büro an. Denn die Kunden möchten ihr Geld nachhaltig investieren, das heißt in nachhaltige Investments bei einem nachhaltigen Makler oder Vertrieb. Auch dort setzen wir an.

Wie können Maklerinnen und Makler ihr Geschäft nachhaltig aufstellen?

Wenn eine Maklerin zum Beispiel grüne Investments vermittelt, kann sie sich nicht auf die Terrasse mit ihrem Kunden unter den Heizpilz setzen. Wir haben ein Tool auf unserer Homepage, mit dem Makler für ihren Bürobetrieb den CO2-Fußabdruck berechnen können. Man sollte auch überlegen, was man im gesellschaftlichen und ökonomischen Bereich tun kann, um nachhaltig zu agieren. Kauft man Glas- oder Plastikflaschen oder bereitet man Wasser selbst auf? Nutzt man Ökostrom? Wie sieht der Fuhrpark aus? Das ist eine Frage der Sichtweise, bei der man sich stets selbst herausfordern und regelmäßig neue Ideen sammeln sollte.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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