Ludwigshafen am Rhein im März 2022: Die über 10 Quadratkilometer großen Werksanlagen des Chemiekonzerns BASF sind das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt. © picture alliance / Daniel Kubirski
  • Von Lorenz Klein
  • 03.05.2023 um 16:02
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:20 Min

Zwei Drittel des Siedlungsgebiets von Ludwigshafen am Rhein sind zubetoniert, pardon, versiegelt – so viel wie nirgends sonst in Deutschland. Und das kann vor allem bei Starkregen zum Problem werden, wie der Versicherungsverband GDV auf Basis einer Studie warnt.

Die Gefahren durch Starkregen steigen im Zuge des Klimawandels weiter an – und können vor allem in Gebieten mit einer hohen Bebauungsdichte katastrophale Folge haben. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat nun ermittelt, welche Städte in Deutschland besonders gefährdet sind, weil stark versiegelte Flächen das Versickern des Regenwassers verhindern – und damit Überschwemmungen begünstigen.

Ganz vorn im Vergleich von 134 Ballungsgebieten steht Ludwigshafen am Rhein. „Rund 67 Prozent des Siedlungsgebiets sind bebaut, betoniert oder asphaltiert“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Das macht die von Großindustrie geprägte Stadt zur am stärksten versiegelte Stadt Deutschlands.

Hinter Ludwigshafen folgen Mannheim und Rüsselsheim am Main mit einem Versiegelungsgrad von 66 Prozent beziehungsweise 65 Prozent. „Alle drei Städte haben eine hohe Versiegelungsrate, da große Industrieflächen der chemischen Industrie oder Automobilindustrie innerhalb der Siedlungsgrenzen liegen“, erklärt Asmussen. Den niedrigsten Versiegelungsgrad weist danach das thüringische Suhl mit rund 30 Prozent auf. Im Vergleich der Bundesländer hat Baden-Württemberg mit 50 Prozent den höchsten Versiegelungsgrad, Brandenburg mit 36 Prozent den niedrigsten. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei rund 44 Prozent.   

 

 

Die Versicherer konstatieren dabei eine zunehmend dichtere Bebauung in Städten – und das sei angesichts der wachsenden Gefahr von Extremwetterereignissen wie Starkregen ein Problem. „Versiegelte Flächen verhindern das Versickern des Regenwassers. Dies kann bei extremen Regenfällen zu Überschwemmungen mit erheblichen Schäden führen“, so Asmussen. Kommunen sollten deshalb die Starkregengefahr in ihrer Stadt- und Landschaftsplanung stärker berücksichtigen, findet der GDV-Hauptgeschäftsführer. Auch die Entsiegelung von Flächen gehöre auf die politische Tagesordnung.

 

GDV fordert, Städtebebauung neu zu denken 

Dazu muss man wissen: In Deutschland regeln das Raumordnungsgesetz und Flächennutzungspläne, welche Flächen bebaut werden dürfen – und hier will der Versicherungsverband ansetzen. Ein Vorschlag: Um einer weiteren Flächenversiegelung vorzubeugen, sollte bei Baugenehmigungen immer eine verpflichtende „Klima-Gefährdungsbeurteilung“ erfolgen, wie es heißt.

Bei Projekten mit großer Flächenversiegelung sollten dann ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden. Eingriffe in Natur und Landschaft könnten so an anderer Stelle kompensiert werden. „Es gibt bereits Konzepte wie das der Schwammstadt, die Städtebau und Starkregenschutz miteinander in Einklang bringen“, so Asmussen. Dazu gehörten auch begrünte Dächer oder zusätzliche Rückhaltebecken, die das Wasser zwischenspeichern.

Solche Maßnahmen seien wichtig, um lokalen Überflutungen vorzubeugen. „Die Kanalisationssysteme in den Städten sind nur für bestimmte Wassermengen ausgelegt. Einem extremen Starkregen halten sie in der Regel nicht stand“, gibt Asmussen zu bedenken. So fielen beispielsweise 2014 in Münster bis zu 290 Liter Regen pro Quadratmeter in nur sieben Stunden. Das Kanalisationssystem konnte das Wasser nicht mehr aufnehmen. Die Folge: Münster stand unter Wasser. „Um dem Wasser mehr Raum zum Versickern zu geben, können Spiel- oder Fußballplätze temporär als Überflutungsflächen dienen“, so Asmussen. Auch dies sollte städteplanerisch berücksichtigt werden, findet der GDV-Hauptgeschäftsführer. 

Eine weitere Gefahr des Flächenfraß sei die zunehmende Hitze in den Städten. Denn Asphalt und Beton absorbieren das Sonnenlicht und wandeln es in Wärme um. „Weniger stark versiegelte Flächen führen dank der Verdunstung zu einer Abkühlung und einer spürbaren thermischen Entlastung“, so Asmussen weiter. 

Versicherer rufen Eigentümer zum Handeln auf

Wegen der zunehmenden Starkregengefahr sind nach Meinung des GDV auch die Immobilienbesitzer in den Städten gefordert, mehr für die Prävention zu tun. Wer baue, solle Schutzmaßnahmen gegen mögliche Überschwemmungen mit einplanen und zugleich möglichst viele Flächen erhalten, auf denen Wasser versickern könne, so die Forderung. Zur Vorsorge zählt demnach auch ein umfassender Versicherungsschutz, der Schäden durch sogenannte Elementarrisiken wie Überschwemmungen miteinschließe. Mit dem Naturgefahren-Check und dem Hochwasser-Check böten die Versicherer Immobilienbesitzern und Mietern zudem die Möglichkeit, sich über ihr individuelles Naturgefahrenrisiko zu informieren. 

Für ihre aktuelle Studie haben die Experten der VdS Schadenverhütung im Auftrag des GDV den mittleren Versiegelungsgrad in den Siedlungsgebieten von 134 Städten ausgewertet. Darunter finden sich die drei Stadtstaaten sowie die zehn einwohnerstärksten Kommunen jedes Bundeslandes. Im Unterschied zur GDV-Versiegelungsstudie von 2018 habe man dieses Mal nicht der Versieglungsgrad der gesamten Stadtfläche gemessen, so die Autoren, sondern nur der in den Siedlungsgebieten der Kommunen. 

autorAutor
Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort