Arbeiter im Porsche-Werk in Leipzig lackieren ein Auto: Viele Unternehmen, die bereits bAV anbieten, sehen keine Veränderungen durch die Reform. © dpa/picture alliance
  • Von Juliana Demski
  • 09.03.2017 um 13:48
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Sechs von zehn Unternehmen (61 Prozent), die ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) anbieten, gehen davon aus, dass ihnen die geplante bAV-Reform kaum weiterhelfen wird. Es mangele noch „an wichtigen Änderungen für das bestehende bAV-System“, berichtet das Beratungsunternehmen Willis Towers Watson auf Basis einer aktuellen Umfrage unter bAV-Verantwortlichen in deutschen Unternehmen.

Unternehmen, die bisher noch keine betriebliche Altersvorsorge (bAV) angeboten haben, sollen durch die anstehende bAV-Reform dazu bewegt werden, ihre Meinung zu ändern. Vor allem Geringverdiener sollen nach dem Willen der Politik einen besseren Zugang zu einer Betriebsrente erhalten. 

Doch was halten bAV-Experten aus deutschen Unternehmen eigentlich von dem Reformwerk? Das wollte das Beratungsunternehmen Willis Tower Watson in Erfahrung bringen und hat dazu 107 bAV-Verantwortliche befragt. Grundtenor der Umfrage: Die bAV-Profis sind der Reform nicht abgeneigt, allerdings auch nicht sonderlich begeistert davon.

So erwarten 61 Prozent der Befragten kaum Veränderungen durch die Reform. Viele sagen zudem, dass ihnen die Reform nicht weiterhelfe (51 Prozent) oder nur teilweise (42 Prozent). Denn auf die dringlichsten Probleme der bAV-Experten – die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Betriebsrentenauszahlungen und der hohe steuerliche Rechnungszins für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen – findet die Reform keine Antworten. Auch bei einer „schlanken Umsetzung und Verwaltung der bAV“ schafft das Vorhaben laut der Umfrage keine Abhilfe.

Immerhin: Der Wunsch nach einer „Enthaftung von der bAV“ wurde an vierter Stelle genannt – und diesem Wunsch kommt die Reform auch nach. Obwohl das Reformgesetz noch nicht verabschiedet ist, will bereits jetzt ein knappes Viertel (23 Prozent) der Unternehmen reine Beitragszusagen ohne Garantien einführen.

Zudem sehen 41 Prozent der bAV-Verantwortlichen durchaus eine Chance, dass die Reform dazu beiträgt, die betriebliche Altersvorsorge im Mittelstand weiter zu verbreiten. Kritischer ist ihr Statement zum Problem der Altersarmut: Diese werde durch das Reformpaket nicht (63 Prozent) oder allenfalls teilweise (33 Prozent) verringert.

Unternehmen erwarten wenig Bewegung bei Geringverdienern

Auch die automatische Abführung von bAV-Beiträgen aus den Gehältern der Mitarbeiter (das sogenannte „Opting out“) ziehen bislang nur 11 Prozent in Erwägung – obwohl 72 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland diese Möglichkeit begrüßen, wie eine frühere Umfrage von Willis Towers Watson zeigt.

Der Teil der Maßnahmen, der vor allem Geringverdienern zu Gute kommen soll, wird nach Ansicht vieler Befragter ebenfalls nicht viel verändern. Das geplante Fördermodell werde Geringverdiener nicht (47 Prozent) oder nur teilweise (49 Prozent) motivieren, für ihr Alter vorzusorgen. Drei Viertel (75 Prozent) der Unternehmen, die sich bereits in der bAV engagieren, haben auch nicht vor, künftig eine entsprechende Lösung für Geringverdiener anzubieten.

Zwei Drittel (67 Prozent) planen, ihr bestehendes Angebot so zu lassen, wie es ist. Nur ein knappes Viertel (23 Prozent) will nach der Reform die bestehende bAV umstrukturieren oder überarbeiten.

Keine Verbesserung bestehender bAV-Systeme

„Die Reform geht an einigen wichtigen Stellen – etwa mit dem Angebot einer reinen Beitragszusage, den neuen Freibeträgen bei der Grundsicherung, dem Bekenntnis zur Riesterförderung oder auch der Komplexitätsreduktion bei einzelnen steuerlichen Regelungen – in die richtige Richtung“, sagt Reiner Schwinger von Willis Tower Watson. „Praktisch wichtige Änderungen für das bestehende bAV-System stehen jedoch nicht im Fokus und bleiben aus – das wird von den Unternehmen bemängelt.“

Der Grund: Das Gesetz habe seinen Fokus auf die „Schaffung von Anreizen für eine weitere Verbreitung der bAV“ gelegt, nicht aber auf eine „Verbesserung bestehender bAV-Systeme“, so Schwinger. Hier sollte – gegebenenfalls in einem zweiten Reformschritt – nachgebessert werden, findet der bAV-Experte – zumal die Fortentwicklung der bestehenden bAV-Systeme „von elementarer Bedeutung“ für die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge sei.

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Juliana Demski

Juliana Demski gehörte dem Pfeffi-Team seit 2016 an. Sie war Redakteurin und Social-Media-Managerin bei Pfefferminzia. Das Unternehmen hat sie im Januar 2024 verlassen.

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