Der SPD-Abgeordnete Ralf Kapschack, hier am 14. Januar 2021 in der 204. Sitzung des Deutschen Bundestages. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
  • Von Lorenz Klein
  • 30.08.2021 um 14:45
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„Diese Krokodilstränen von Herrn Schäffler halte ich nicht für besonders glaubwürdig“, wehrt sich der rentenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ralf Kapschack, gegen Kritik aus der FDP am Riester-Verzicht der Sozialdemokraten. Außerdem sagt er, wie die SPD eine „dauerhaft stabile Rentenleistung“ erreichen will, warum seine Partei am Provisionsdeckel festhält – und an der Bafin-Aufsicht für Finanzvermittler.

Pfefferminzia: Herr Kapschack, die SPD hat im Bundestagswahlkampf folgendes erklärt: „Wir wollen die gesetzliche Rente stärken und stehen für eine dauerhaft stabile Rentenleistung und ein dauerhaftes Rentenniveau von mindestens 48 Prozent.“ Was entgegnen Sie jenen Menschen, die Ihnen nicht abnehmen, dass Sie das hinbekommen – einfach deshalb, weil Ihnen der demographische Wandel einen Strich durch die Rechnung macht?

Ralf Kapschack: Die Frage ist, ob man sich durch den demografischen Wandel völlig verunsichern lässt – und ob der tatsächlich einen Strich durch die Rechnung macht. Demografischer Wandel ist ja nichts, was jetzt gerade seit einem Jahr passiert, sondern dieser demografische Wandel begleitet die Rentenversicherung seit ihrer Existenz. Und ich will mal eine Zahl nennen, um deutlich zu machen, dass da ein Horrorgemälde an die Wand gemalt wird – was aber nicht dazu geeignet ist, um nachhaltige politische Entscheidungen zu treffen: Die Ausgaben für die Rente haben sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt also an dem, was in diesem Land erwirtschaftet wird, ist gleichgeblieben, teilweise sogar leicht gesunken. Was heißt das? Das heißt, dass die Ausgaben für die Rente erwirtschaftet werden können, wenn ein guter Arbeitsmarkt und wenn eine gute Wirtschaftsentwicklung da sind – und das ist der entscheidende Punkt.

>>> Das Interview können Sie auch hier im aktuellen Pfefferminzia-Podcast „Die Woche“ nachhören.

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FDP-Politiker Schäffler zur Riester-Debatte

„Das finde ich beschämend“

„Wir wollen, dass alle in eine Rentenkasse einzahlen“

Die demografische Entwicklung findet statt, überhaupt keine Frage, aber die sollte uns keine Angst machen, sondern die entscheidende Stellschraube für eine ordentliche Rente ist ein guter Arbeitsmarkt – das sind gute Löhne und es sind auch Tarifverträge. Und diejenigen, die die gesetzliche Rente seit Jahren versuchen, sturmreif zu schießen, die sollten sich genauso mit dem gleichen Engagement dafür einsetzen, dass der Mindestlohn erhöht wird und das die Tarifbindung steigt, denn das hat Auswirkungen auf die individuelle Rente. Aber natürlich auch auf die Rentenkasse insgesamt.

Zweiter Punkt: Wenn man sich anguckt – ich habe gesagt Arbeitsmarkt ist die zentrale Stellschraube – das Erwerbspersonenpotenzial ist in Deutschland noch relativ groß, wenn man sich anguckt, dass zum Beispiel Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Ältere deutlich geringer beschäftigt sind als in den Nachbarländern. Es gab gerade – ich glaube von der Bertelsmann Stiftung – eine Studie, dass gerade Frauen sich deutlich mehr Beschäftigungsmöglichkeiten wünschen – und da ist noch sehr viel Luft nach oben weiter.

Dritter Punkt: Wir wollen, dass alle in eine Rentenkasse einzahlen, wir wollen also eine Erwerbstätigenversicherung, in die Arbeiter, Angestellte, Selbstständige, Beamte und natürlich auch Abgeordnete einzahlen. Und diese Erwerbstätigenversicherung würde in der Tat nicht alle Probleme lösen, aber das DIW sagt: Die materiellen Auswirkungen seien so erheblich, dass gerade in der Übergangsphase – wenn die Babyboomer in die Rente gehen, in den nächsten 10, 15, 20 Jahren – diese Erwerbstätigenversicherung die finanziellen Herausforderungen der gesetzlichen Rente gut abfedern könnte. Und insofern: Der demografische Wandel findet statt, aber es ist kein Grund, die Hände über den Kopf zusammenzuschlagen – und zu sagen: ja, Gott lass es vorübergehen.

Dessen ungeachtet, empfehlen auch die Sozialdemokraten den Bürgern hierzulande, privat vorzusorgen. Lassen Sie uns dazu mal speziell auf die geförderte Altersvorsorge schauen: Dass sich ausgerechnet die SPD von der Riester-Rente verabschieden möchte, hat Ihren Parlamentskollegen Frank Schäffler von der FPD gehörig aufgeregt. Es sagte vor einigen Wochen hier im Podcast: „Ich habe in der Bundestagsrede vom 6. Mai Walter Riester erwähnt – es ist ja damals ein SPD-Projekt gewesen, das zumindest umgangssprachlich den Namen des damaligen Arbeitsministers trägt. Und dass man jetzt diese vielen Sparer einfach im Regen stehen lässt, ist eigentlich skandalös.“ Was möchten Sie Herrn Schäffler dazu gerne erwidern?

Diese Krokodilstränen von Herrn Schäffler, die halte ich nicht für besonders glaubwürdig. Wir lassen auch niemanden im Regen stehen, sondern wir ziehen Lehren aus einer Erfahrung, dass nämlich die Idee, dass Riester ein sinkendes Rentenniveau ausgleichen soll, nicht funktioniert hat – das kann doch niemand ernsthaft bestreiten. Wir setzen vor allem auf betriebliche Altersvorsorge, weil die tarifvertraglich auch abgesichert ist – und einfach von der Organisation her sinnvoller ist aus unserer Sicht als private Vorsorge.

„Wir haben gar nichts gegen private Vorsorge“

Aber wir haben gar nichts gegen private Vorsorge, aber beides – betriebliche und private Vorsorge – sollen eine Ergänzung sein und, anders als vor 20 Jahren gedacht, kein Ersatz zur gesetzlichen Rente. Und wenn Herr Schäffler die Diskussion über Riester skandalös findet, dann kann ich diesen Begriff gerne zurückgeben, wenn ich mir angucke, mit welchen Modell die FDP – nämlich eine Aktienrente – die gesetzliche Rente massiv schwächen will, wenn man zwei Prozentpunkte des Rentenbeitragssatzes in einen Rentenfonds stecken will, heißt das Mindereinnahmen der gesetzlichen Rente von weit über 20 Milliarden Euro im Jahr, wie das ohne Leistungseinschränkungen gehen soll, das bleibt völlig schleierhaft.

Ihre Partei hat lange mit der Union darum gerungen, ob es einen Provisionsdeckel beim Vertrieb von Lebensversicherungen geben soll. Dazu kam es in der vergangenen Legislaturperiode zwar nicht, weil sich ihr Koalitionspartner dagegenstemmte. Das SPD-geführte Finanzministerium erklärte allerdings, dass man entsprechende Pläne weiterverfolgen wolle. In Ihrer aktuellen Stellungnahme gegenüber des Vermittlerverbandes BVK (wir berichteten) heißt es dazu: „Es gibt leider schwarze Schafe, die unanständig hohe Provision verlangen. Deshalb ist es notwendig, auch bei den Lebensversicherungen einen Provisionsdeckel zu definieren. Die Vielzahl der Vermittler, die faire Provisionen verlangen, würden den Deckel nicht einmal bemerken.“ Wenn dem so ist: Warum überlässt es dann die SPD nicht der Bafin, gegen „unanständig hohe Provisionen“ vorzugehen, wie dies der oberste Versicherungsaufseher der Bafin, Frank Grund, ja bereits signalisiert hatte?

Weil wir der Meinung sind, dass der Gesetzgeber da auch ein Signal setzen muss, und das knüpft ein bisschen an das an, was wir gerade diskutiert haben, nämlich die Geschichte von Riester. Das ist ja ein offenes Geheimnis – das wird von der Finanzindustrie gerne unterm Tisch gehalten – aber das in den Anfangsjahren, vor allen Dingen teure Produkte verkauft worden sind und teure Produkte, wo Verwaltungskosten und die Provisionen extrem hoch waren. Das ist der eine Punkt. Also es geht auch darum, solche Produkte für den Normalverbraucher attraktiver zu machen und kostengünstiger zu machen – und das ist ja keine fixe Idee des Finanzministeriums oder der SPD, sondern es ist Ergebnis einer Marktuntersuchung durch die Bafin, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zum Beispiel zwölf Banken angegeben haben, dass sie die Hälfte der Versicherungsprämie als Provision einstreichen, in Einzelfällen lag der Wert sogar bei 70 Prozent. Und das halten wir für völlig unanständig und auch für unangemessen. Und deshalb finde ich schon – und findet auch die SPD-Fraktion und die SPD –, dass wir da als Gesetzgeber handeln müssen.

Seite zwei: Ralf Kapschack zur Zukunft der Vermittler-Aufsicht

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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