Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD): „... erneut mit einer spürbaren Rentenerhöhung rechnen“ © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
  • Von Andreas Harms
  • 05.12.2022 um 15:10
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Der Bundesarbeitsminister präsentiert den „Rentenversicherungsbericht 2022“ und sieht die gesetzliche Rente „gut aufgestellt“. Das mag zurzeit auch stimmen. Allerdings enthält der Bericht Prognosen, nach denen sich das ziemlich sicher ändern wird.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil findet, dass die Rentenversicherung gut aufgestellt ist. So sagt er: „Ich freue mich sehr, dass es uns – entgegen vieler Prognosen – gelungen ist, den Beitragssatz länger als erwartet stabil zu halten.“ Zugleich kündigt er erneut an, dass Rentner in Deutschland im kommenden Jahr „erneut mit einer spürbaren Rentenerhöhung rechnen“ dürfen.

Heil sagt das in Bezug auf den neuen „Rentenversicherungsbericht 2022“. Der zeigt, wie es um die gesetzliche Rente derzeit bestellt ist (hier zum Herunterladen). Das mag in der Gegenwart alles in der Tat ganz ordentlich wirken. Aber wenn man sich einmal die Prognosen vornimmt, kann einem mehr als mulmig werden.

Doch zunächst das Heute: Demnach stiegen die Einnahmen durch Beiträge in diesem Jahr bis September gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent. Zum Jahresende rechnet das Arbeitsministerium mit einer Nachhaltigkeitsrücklage von 41,7 Milliarden Euro. Das wären etwa 1,7 Monatsausgaben.

Zugleich wird die allgemeine Rentenversicherung das Jahr 2022 mit einem Plus von 2,1 Milliarden Euro abschließen. Die Beiträge werden sich dann auf 274,5 Milliarden Euro belaufen – das wären 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings steigt auch der Zuschuss aus dem Steuersäckel: Nach 78,9 Milliarden Euro im Vorjahr dürften Steuerzahler in diesem Jahr 81,0 Milliarden Euro zuschießen (müssen). Womit das erwähnte Plus erklärt wäre.

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass der Beitragssatz laut Kalkulation im Rentenbericht bis 2026 stabil bei 18,6 Prozent bleibt (zumindest in der mittleren Berechnungsvariante). Nach 19,3 Prozent im Jahr 2027 geht es dann auf 20,2 Prozent im Jahr 2030 hinauf. Und am Ende der Vorausberechnung 2036 könnte er bei 21,3 Prozent landen. Wohlgemerkt: Das ist eine Rechnung, in der sich Löhne, Gehälter und Arbeitnehmerzahlen etwa mittelstark ändern. Der Rentenbericht enthält auch extreme Alternativen nach oben und unten.

Bundeszuschuss steigt

Wenn wir aber bei der mittleren Variante bleiben, zeigt der Bericht auch, wie es demnächst ans Eingemachte geht. Denn die Ausgaben ziehen von 354,7 Milliarden Euro in diesem Jahr bis 2027 auf 451,3 Milliarden Euro an. Das ist ein Plus von 27,2 Prozent. Durch die Beitragsbremse ziehen die regulären Einnahmen nicht ausreichend mit. Weshalb einerseits die Nachhaltigkeitsrücklage von den erwähnten 41,7 Milliarden Euro auf 7,4 Milliarden Euro Ende 2027 schrumpft. Zugleich steigt der Bundeszuschuss von 81,0 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 103,3 Milliarden Euro im Jahr 2027. Immerhin ist es gemessen an den Gesamtausgaben der Rentenversicherung nur wenig mehr als heute, nämlich 22,9 Prozent (2022: 22,8 Prozent).

Übrigens: Laut mittlerer Kalkulation muss der Bund im Jahr 2036 140,1 Milliarden Euro hinzubuttern. Das wären dann 23,3 Prozent der Ausgaben. Die Nachhaltigkeitsrücklage läge dann immerhin wieder bei 9,8 Milliarden Euro.

Sicherungsniveau sinkt

Weiter geht es mit dem Sicherungsniveau vor Steuern. Das liegt aktuell bei 48,1 Prozent, wird tendenziell aber sinken. 2029 taucht es bereits unter die Marke von 47 Prozent, und 2036 soll es dann bei 44,9 Prozent liegen.

Auf Linkedin macht der Chef des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa), Jochen Ruß, aus seinem Groll keinen Hehl. Schließlich zeigt die Modellrechnung, dass die im Koalitionsvertrag beschriebene Haltelinie von 48,0 Prozent nur mit noch mehr Steuergeld zu halten ist. „Das ist weder generationengerecht noch dauerhaft finanzierbar“, schreibt er in einem Post und fügt hinzu: „Warum verspricht die Politik den Menschen trotzdem immer noch unrealistische Haltelinien? Wir brauchen endlich Transparenz, damit die Bürgerinnen und Bürger ein realistisches Bild der zu erwartenden gesetzlichen Rente bekommen und ihre finanzielle Ruhestandsplanung daran ausrichten können.“

Ruß hat zusammen mit einigen Kollegen bereits vor Monaten gemahnt, dass man an mehreren Stellschrauben zugleich drehen müsse, um die gesetzliche Rente fit für die Zukunft zu machen (mehr dazu hier). In seinem Post schreibt er: „Daher wird es zwingend zu einem sinkenden Rentenniveau, steigenden Beiträgen und einem Anstieg des Rentenalters (idealerweise gekoppelt an die Entwicklung der Lebenserwartung) kommen müssen. Je früher damit begonnen wird, desto moderater können die Anpassungen ausfallen.“

Im „Rentenversicherungsbericht 2022“ heißt es zur Problematik übrigens: „Der Rückgang des Sicherungsniveaus vor Steuern macht deutlich, dass für die Versicherten-Handlungsbedarf besteht, die Einkommen im Alter zu verbessern. Es ist daher ratsam, früh-zeitig die finanziellen Spielräume des Alterseinkünftegesetzes und die staatliche Förderung zu nutzen, um eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen.“

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Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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MO
Vor 1 Jahr

Die ges. Rente ist tot.
Rette sich, wer kann mit einer vernünftigen Selbstständigkeit mit vernünftiger Steuergestaltung, Vermeidung von Beiträgen durch die max. Umwandlung von Gehalt in bAV, Sachkostenzuschüsse oder VL anstatt Lohnerhöhung und in letzter Konsequenz Auswanderung, wenn die Republik weiter in den Modder gefahren wird.
Gleichzeitig hilft es, dass der Bankrott mit anschliessendem Wiederaufbau der Gesellschaftssysteme schneller erfolgt.

MO

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Vor 1 Jahr

Die ges. Rente ist tot.
Rette sich, wer kann mit einer vernünftigen Selbstständigkeit mit vernünftiger Steuergestaltung, Vermeidung von Beiträgen durch die max. Umwandlung von Gehalt in bAV, Sachkostenzuschüsse oder VL anstatt Lohnerhöhung und in letzter Konsequenz Auswanderung, wenn die Republik weiter in den Modder gefahren wird.
Gleichzeitig hilft es, dass der Bankrott mit anschliessendem Wiederaufbau der Gesellschaftssysteme schneller erfolgt.

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