Michael Heidinger ist Experte für die MyFolio-Multi-Asset-Konzepte von Standard Life Aberdeen. © Standard Life Aberdeen
  • Von Oliver Lepold
  • 12.06.2019 um 08:39
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Das vergangene Jahr war kein gutes Aktienjahr – welche Auswirkungen hat das auf die Produktstrategien in der Altersvorsorge und auf die Beratung? Michael Heidinger, Investment Direktor bei Aberdeen Standard Investments, nimmt Stellung.

Pfefferminzia: Der Dax beendete das letzte Jahr mit minus 18 Prozent, der Euro Stoxx 50 verlor 14,4 Prozent. Haben Berater, die Kunden zu mehr Aktienanteilen in Ihrer Altersvorsorge geraten haben, nun ein Problem?

Michael Heidinger: Da wir so eine lange Hausse hatten, tun sich jetzt viele Berater schwer, die zuletzt negative Entwicklung zu ihren Kunden zu transportieren. Hier ist es wichtig, bereits zu Beginn des Investments eine ausführliche Aufklärung vorgenommen und die Volatilität angesichts des langfristigen Horizonts angemessen erklärt zu haben. Berater, die bereits im Dezember auf ihre Kunden zugegangen sind, haben heute keinen Erklärungsnotstand.

Der Anlagehorizont wird es schon richten?

Die Risiken sind da, die Märkte reagieren darauf und wir müssen uns die Frage stellen, wie wir mit dem Kunden darüber reden und mit ihm ein Anlageverhalten finden, dass zu einer langfristigen Planung passt. Die Risikobereitschaft der Deutschen wird seitens der Berater zudem tendenziell unterschätzt. Ich hatte erst heute ein Gespräch mit einem 60-jährigen Kunden, der 80 Prozent seines Geldes in Aktien investiert hat. Der Anlagehorizont ist auch für Kunden kurz vor dem Ruhestand noch 20 bis 30 Jahre lang. Das wird systematisch unterschätzt. Hier zu viel Risiko herauszunehmen, ist langfristig gesehen ein Fehler.

Die MyFolio-Portfolios, gemanagte Multi-Asset-Portfolios ohne Garantien in fünf verschiedenen Risikoabstufungen aus Ihrem Haus, haben ebenfalls verloren. Mit welchen Anpassungen haben Sie reagiert

Die MyFolios lagen 2018 zwischen 5 und 12 Prozent im Minus, und haben sich damit deutlich besser als der Aktienmarkt geschlagen. Im November haben wir den Anteil an US-Aktien reduziert, dafür wurde verstärkt in Großbritannien und Schwellenländer-Anleihen investiert. Das Aktienrisiko, dass man sich mit US-Aktien einkauft, wird aus unserer Sicht nicht mehr belohnt. Die Erwartungen liegen hier auf zehn Jahre gesehen für einen Euro-Investor bei unter einem Prozent, für Großbritannien dagegen bei etwa 5 Prozent. Anleihen in Ländern wie Brasilien und Mexiko bieten attraktive Zinsen von 6 und mehr Prozent bei deutlich geringeren Schwankungen als an den Aktienmärkten.

Ist ein Investment in Großbritannien angesichts des weitgehend noch ungeklärten Brexits nicht äußerst verwegen?

Wenn plötzlich alle Investoren eine Region für unattraktiv erklären, dann gibt es dort generell häufig Aufholpotenziale. Die Bewertungen sind dann – wie aktuell in Großbritannien – niedrig. Die Dividenden sind dort aber hoch. Zudem sind viele im britischen Aktienindex FTSE100 versammelte Unternehmen globale Player, die ihre Erträge zu etwa 70 Prozent außerhalb Großbritanniens und in anderen Währungen erwirtschaften. Wenn das Pfund durch den Brexit abwertet, sind die Gewinne in Dollar und Euro deutlich mehr wert, das heißt die Unternehmen werden noch attraktiver. Als langfristiger Investor nutzen wir hier eine Chance, die andere liegenlassen.

Strategische Ausrichtung der MyFolio Portfolios – Prozess bei Standard Life Aberdeen

Wie kann man im Multi-Asset-Bereich die private Altersvorsorge mit Hinterbliebenenschutz und dem Vermögensübergang sinnvoll verknüpfen?

Mit der richtigen Argumentation kann der Berater den Kunden im Gespräch abholen und den Bogen von dessen Anlagehorizont auch zu diesen Themen schlagen. Produkte im Versicherungsmantel können dabei helfen, verschiedene Versicherungsnehmer und -berechtigte miteinander zu bündeln und die Steuerlast zu reduzieren. Ein Produkt wie Weit Blick kann das mit deutlich weniger Aufwand und wesentlich flexibler darstellen als ein reines Depot. In so einer Struktur kann man sich die Frage stellen, ob man noch weiter auf das Vermögen Zugriff haben will und wann der Übergang stattfinden soll. Schenkungen alle zehn Jahre können die Belastung durch die Erbschaftssteuer niedriger ausfallen lassen.

Welches Ziel verfolgen Sie mit dem neu aufgelegten Diversified Growth Fund (DGF)?

Der DGF setzt auf die breitestmögliche Diversifikation durch ein Bündel neuer innovativer Anlageklassen, die kaum mit dem Aktienmarkt korrelieren. Das Konzept orientiert sich an der Asset-Allokation für institutionelle Kunden, Pensionsfonds oder große Versicherer. Aktuell besteht der Fonds aus etwa 20 Prozent Aktien. In so einem Fall braucht man keine Anleihen, um das Risiko zu neutralisieren und kann frei in andere Anlageformen investieren. Der DGF investiert hier unter anderem im Bereich der sozialen Infrastruktur wie Altersheime oder in erneuerbare Energien, wie Wind- oder Solarparks. Jedoch sind viele dieser Anlageklassen erklärungsbedürftig, daher heißt das Motto im Multi-Asset-Markt: „Einfach war gestern, kompliziert ist morgen“.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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